Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Drimaxid 01 - Die Zelle

Drimaxid 01 - Die Zelle

Titel: Drimaxid 01 - Die Zelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Timo Bader
Vom Netzwerk:
weiter. Leise und regelmäßig. Wie das Wippen eines Schaukelstuhls. Vor und zurück. Vor und zurück.
    »… 556 … 557 … 558 …«
    Zu jeder Zahl fiel ihm eine Geschichte ein. Wenn man zu 556 die Zahl 3800 hinzuaddierte, ergab sich 4356 .
    4356 Sekunden.
    Eine Stunde, 12 Minuten und 36 Sekunden.
    Nur nicht an den Schrank denken.
    Er spürte die groben, schwieligen Hände (Pranken!) seines Vaters auf seinen kindlichen Schultern, wie die Berührung der körperlosen Hände, die aus den Wänden, dem Boden und der Decke gewachsen waren. Der Griff war hart und unbarmherzig. Adam wurde gezogen und gezerrt. Er hatte Angst, die wie die Elektroschocks der Kameras durch seinen Körper raste. Er zitterte, als wäre es hier drin wieder so kalt wie in einem Gefrierschrank, dabei war es unglaublich warm.
    Adam schwitzte. Das Schamhaar zwickte. Stinkender Schweiß rann über seinen nackten Körper. Er hockte in einer Sauna, aber in keiner, in der man sich entspannt. Es war eine Sauna, in der man stirbt. In der man in seinem eigenen Schweiß, der den stählernen Würfel füllt, ertrinkt.
    Durst. Das dominierende Gefühl, das wie eine riesige Welle auf alle anderen Emotionen herabstürzte und sie ins weite Meer der Unbedeutsamkeit hinausschwemmte.
    Nervös kaute er auf seinen Fingernägeln herum, die nur noch Stumpen waren. Er riss sich Haarbüschel aus und realisierte nicht einmal, wie seine Hände ihn quälten. Das Zittern kehrte trotz der Wärme zurück. Er bibberte wie Espenlaub.
    Adam konnte die trockenen Zweige bereits knistern hören. Die Hitze würde ihn verbrennen.
    Brenn, Ungläubiger. Brenn! Du hast dem Herrn entsagt.
    Der ewige Kampf mit seinem schlechten Gewissen. Das Ringen seines logischen, rationalen Menschenverstandes mit dem Bisschen an strengem Glauben, das seine Mutter in ihn hineingeprügelt hatte.
    Adam konnte nicht beten, weil er zählte, hätte es aber wahrscheinlich sowieso nicht getan.
    »… 1620 … 1621 … 1622 …«
    Als würde der Pfarrer die Nummern für die Psalme und Loblieder durchsagen, die sie als Nächstes beten und singen würden.
    »… 1623 …«
    Wie Psalm 23.
    Der Herr ist mein Hirte.
    Adam musste an das »finstre Tal« aus dem Psalm denken. Möglicherweise kamen weder der Krieg auf dem Todesplateau , noch sein bisheriger Aufenthalt im Kubus des Schreckens der Vorstellung vom »finstren Tal« auch nur nahe. Vielleicht lag dieses »finstre Tal« erst noch vor ihm. Ein qualvoller Tod in dieser dunklen, glühend heißen Zelle. Durst und Hunger, die ihn peinigten und seine Gedärme zerfraßen.
    Er hatte wegen dem Flüssigkeitsmangel Blasen und wunde Stellen im Mundraum bekommen. Er wurde immer häufiger müde. Inzwischen mussten mehr als 24 Stunden vergangen sein, seit er das erste Mal in der Zelle erwacht war. Aber Adam erhoffte sich sowieso keine Rettung mehr.
    »Sie«, wer immer »sie« waren, würden das Experiment ( Eine Prüfung? Ein Test? ) oder was immer es war, solange fortführen, bis ihnen die Lust daran verging.
    »…2442 …2443 …2444 …«
    Er war noch weit entfernt von 4356 .
    Der Schrank hatte sich gerade einmal geöffnet, wie das gierige Maul eines Krokodils, das ihn verschlingen wollte, und Adam wehrte sich noch dagegen hineingestoßen zu werden.
    Als es schließlich doch geschah, glaubte er zu fallen. Er spürte einen endlosen Sturz in einen bodenlosen Schacht. Der Fahrtwind zerzauste seine Haare. Natürlich war es nicht wirklich der Fahrtwind, den er spürte, sondern seine eigenen Hände, die ganze Haarbüschel ausrissen. Aber das merkte er nicht.
    Er wurde müde. Die Hitze ließ seinen Körper glühen und stach unangenehm durch das orangefarbige Leibchen hindurch. Adam rutschte unruhig auf seinem Hintern hin und her, um niemals länger als ein paar Sekunden auf derselben Stelle zu sitzen. Er passte das Rutschen an den Rhythmus seines Zählens an.
    Ich bin das Pendel in der Hand des Hypnosemeisters , dachte er.
    Dunkelangst.
    Ein Wort. Ein Abgrund. Adam kannte seine Ängste. Er konnte sie sogar personifizieren. Aber das nützte ihm nichts dabei sie zu überwinden. Es war nicht wie mit dem Rumpelstilzchen, das man beim Namen nannte und es damit verschwinden ließ. Die Angst wurde dadurch sogar noch schlimmer.
    Die Dunkelheit hatte etwas Bedrohliches. Adam glaubte schattenhafte Bewegungen zu erkennen, was absolut unmöglich war, denn es war stockdunkel in der Zelle.
    Ob die schwarzen Scherenschnittmänner die Dunkelheit genutzt hatten, um aus den Wänden zu kriechen, so

Weitere Kostenlose Bücher