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Drimaxid 01 - Die Zelle

Drimaxid 01 - Die Zelle

Titel: Drimaxid 01 - Die Zelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Timo Bader
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Substanz. Sie waren unsichtbar und trotzdem spürte er ihre tastenden, grabschenden Berührungen.
    Er stellte sich vor, er würde in einer Grube voller Schlangen liegen. Schlangen krochen unter ihm und über ihm. Er spürte ihre kalten, geschuppten Leiber. Es lief ihm eisig den Rücken hinunter und seine Nackenhaare standen zu Berge.
    Adam hatte sich in einer der Ecken zusammengekauert. Sein Körper zuckte, als hätte er einen epileptischen Anfall. Er konnte seine Zunge nicht mehr bewegen. Sie rutschte in seinen Rachen und er drohte zu ersticken. Adam weinte und lachte zugleich. Das psychopathische Gelächter. Er verdrehte die Augen, sodass man nur noch das Weiße sehen konnte.
    Die Dunkelheit schien nach ihm zu greifen. Aus dem schwarzen Meer vor seinen Augen formten sich sechs Körper. Schwarze Scherenschnittmänner. Sie bildeten einen Kreis um ihn herum, aus dem es kein Entkommen gab.
    »Raus …«, flehte er.
    Er hatte schon lange nicht mehr gesprochen. Als die Kameras noch da gewesen waren und er die akustischen Sensoren mit seiner Stimme aktivieren musste, so wie ein Schlangenbeschwörer das giftige Reptil mit seiner Flötenmusik einlullt, da hatte er viel gesprochen, beziehungsweise gebetet. Seit die Dunkelheit über ihn gekommen war, hatte er nichts mehr gesagt. Sein Schweigen dauerte schon mehrere Stunden an.
    Darum war es auch nicht verwunderlich, dass er seine Stimme im ersten Augenblick nicht wieder erkannte. Sie klang brüchig, krächzend und leise. Wie die eines alten Mannes, dessen Stimmbänder rau wie Schleifpapier sind.
    »Bitte … lasst mich … raus …«, röchelte er.
    Ein mechanisches Surren erklang und eine der Kameras fuhr von der Decke herab. Adam glaubte den sanften Schimmer des Schutzschirms zu erkennen. Die schwarzen Scherenschnittmänner wichen beiseite und ließen die Kamera passieren. Ob sie mit ihnen im Bunde war? Die Linse scannte seine Augen.
    Eine Prüfung? Ein Test?
    »Raus …«, stöhnte er noch einmal.
    Der Durst wurde unerträglich. Er überstieg mittlerweile sogar die panische Angst vor der Dunkelheit. Adams Innereien wurden wie ein Paar schmutziger Socken in einer altmodischen Waschtrommel herumgewirbelt. Er wollte sich übergeben, aber er spuckte nur bittere Galle über seine nackten Beine. Der Gestank steigerte die Übelkeit auf ein unerträgliches Niveau. Adam hatte den Wunsch sich die Eingeweide auszukotzen.
    Die Kamera zog sich wieder surrend zurück.
    Das lang gezogene Scharren war verstummt.
    Adam war wieder allein. Allein mit der Zelle. Allein mit der Dunkelheit. Allein mit den schwarzen Scherenschnittmännern .
    »Ich … werde … sterben …«, sprach er den Satz aus, der ihm schon 100-mal durch den Kopf gegangen war.
    Das Ergebnis hatte er sich nicht einmal in seinen kühnsten Träumen erwartet. Plötzlich erschienen vier Linien aus gleißend hellem Licht, das sich in seine Augen fraß, in der Dunkelheit. Die Leiber der schwarzen Scherenschnittmänner verbrannten zu Asche. Statt sich geblendet abzuwenden, starrte Adam direkt in das Licht hinein.
    Ich möchte die Sonne sehen und wenn mich ihr Glanz erblinden lässt, dachte er.
    Die vier Linien formten den Umriss einer geschlossenen Tür. Er horchte in sich hinein, fand aber keine Verwunderung. Adam bemerkte, dass die Tür schon die ganze Zeit da gewesen war. Er hatte sie schon gesehen, als er das erste Mal in der Zelle aufgewacht war. Allerdings hatte er gespürt, dass er den Kubus des Schreckens niemals auf diesem Weg verlassen würde. Darum hatte sein Verstand die Tür praktisch … eliminiert. So wie man eine unbekannte Größe mit Hilfe einer Rechenoperation aus einer mathematischen Gleichung beseitigt.
    Er wollte sich nicht mit dem Wissen über einen Ausgang, der zum Greifen nahe war, und der wahrscheinlich unerfüllbaren Hoffnung, dass sich dieser für ihn öffnen würde, quälen. Die Tür war für ihn unsichtbar geworden, obwohl sie die ganze Zeit vor ihm gestanden hatte.
    Adam dachte darüber nach, ob er zählen sollte, hatte aber Angst, dass er irgendwann wieder bei 4356 ankommen würde.
    4356 Sekunden. Eine Stunde, 12 Minuten und 36 Sekunden.
    Das Wort »Dunkelangst« mit Zahlen, statt mit Buchstaben geschrieben.
    Also hockte er stumm da, die Lippen zu blutleeren Strichen zusammengepresst. Eine weiße Narbe in seinem Gesicht. Sein Körper war in Schweiß gebadet. Es roch verbrannt. Die Stofffasern des orangefarbigen Leibchens schwellten. Bald würde es entflammen und Adam würde sich die Fußsohlen

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