Drimaxid 04 - Antara
Weisheit. Der Elfenbein-Teint des Fremden verlieh dem Unbekannten das Flair einer Statue.
»Mein Name ist Barabbas.«
Der Gefangene beugte sich weit über den Tisch hinweg und streckte ihm die Hand entgegen. Beinahe unverschämt lange betrachtete Adam die Finger unentschlossen, ehe er endlich aus seiner Erstarrung erwachte, die dargebotene Hand ergriff und ausgiebig schüttelte.
»Ich bin A… Frank«, korrigierte er sich schnell.
Ich habe Chuck gefunden! , freute er sich im Stillen. Ich habe ihn tatsächlich gefunden!
»A-Frank?«, vergewisserte sich Barabbas.
»Frank reicht aus«, sagte Adam und lächelte verschmitzt.
Das Eintauchen in eine fremde D RIMAXID -Existenz glich der Arbeit eines Doppelagenten. Adam musste vorsichtig sein. Barabbas musterte ihn misstrauisch.
»Was ist?«, wollte Adam wissen.
»Nichts.« Barabbas senkte schnell seinen Blick. »Es ist nur so … Du bist irgendwie … ›anders‹ als die anderen.«
»Hm.« Adams Gehirn arbeitete auf Hochtouren. »Ich weiß nicht, was du meinst.«
In Gedanken überlegte er, ob er zuerst bei Hypno die Erlaubnis einholen sollte, Barabbas in seinen Plan einzuweihen, entschied sich dann aber spontan dagegen. Die Gelegenheit war günstig. Er saß ganz alleine mit dem Antara an einem Tisch.
»Ich soll dich hier rausholen«, verriet er seinem Gegenüber.
»Mich?«, krächzte Barabbas.
Der Ausdruck auf dem Gesicht des Kleinwüchsigen zeigte pures Unverständnis. Und warum auch nicht? Selbstverständlich rechnete niemand hier drinnen ernsthaft damit, von einem Tag auf den anderen heldenhaft gerettet zu werden.
»Du musst mich verwechseln.« Barabbas sah sich verstohlen um.
»Keineswegs«, sagte Adam überzeugt.
»Das solltest du aber besser«, zischte sein Gegenüber. »Ich kenne dich nicht, aber ganz unter uns: Du solltest dich besser von mir fernhalten.«
»Willst du etwa hier bleiben?«, fragte Adam fassungslos.
Mit Entsetzen erinnerte er sich an den Gefangenen, der von Yates gewissenlos hingerichtet worden war.
»Ich sitze meine Zeit hier ab und verschwinde nach draußen auf dem einzigen Weg, den es gibt. Durchs Haupttor«, erklärte Barabbas ruhig.
Adam trank etwas von der stark verwässerten Limonade, obwohl er genau wusste, dass sie nicht existierte. Dennoch musste er sich ernähren, sonst würde er verhungern oder verdursten; so realistisch waren die D RIMAXID -Welten dann doch, davon war er felsenfest überzeugt.
»Ich habe Freunde dort draußen.« Damit meinte Adam natürlich Hypno und den Widerstand – außerhalb der D RIMAXID -Welt – und keinesfalls Verbündete außerhalb des Gefängnisses. Aber das konnte Barabbas natürlich nicht wissen.
Der Kleinwüchsige schwieg beharrlich.
»Wenn wir dich hier rausholen, können wir damit vielleicht alle hier drin retten.«
Adam deutete mit einer weit ausholenden Geste in die Runde.
Barabbas wirkte nachdenklich. Schließlich schüttelte er den Kopf.
»Du solltest dich von mir fern halten«, riet er Adam ein zweites Mal.
Wortlos nahm er sein Tablett und setzte sich an einen anderen Tisch.
*
Der Rest des Essens verlief ohne weitere Komplikationen. Adam stocherte schweigsam in seiner Mahlzeit herum. Zu gegebener Zeit reihte er sich in den Gefangenenzug ein, der sich wie eine lange Prozession durch die sterilen Korridore quälte. Nacheinander wurden die Inhaftierten in ihre Unterkünfte gebracht.
In den geschlossenen vier Wänden seiner Zelle versank Adam in einen Zustand höchster Konzentration. Seine Gedanken kreisten um Barabbas und ihre geplante Flucht aus dem Hochsicherheitsgefängnis.
»Wie soll ich nur jemanden retten, der gar nicht gerettet werden will?«, murmelte er leise vor sich hin, während er auf der Liege hockte und die Beine baumeln ließ.
Er beschloss, dass es das Beste war, erst einmal abzuwarten und dann noch einmal in Ruhe mit Barabbas zu sprechen. Aber wie sollte er das bewerkstelligen?
Unweigerlich musste er an Yates und an die Wurmkameras denken, an den toten Gefangenen und den entgleisten Ausdruck auf dem Gesicht des Mannes, kurz bevor der Wächter ihn kaltblütig getötet hatte.
Geistesabwesend ließ Adam seinen Zeigefinger um den Sender an seinem Handgelenk kreisen. Ob er den Widerstand über die schlimmen Zustände in dieser D RIMAXID -Welt unterrichten sollte? Doch was gab es schon Spektakuläres zu berichten? Und wie sollten Hypno oder der Widerstand ihm dabei helfen, seine Aufgabe zu bewältigen? Er musste weiter geduldig ausharren. Sein Auftrag
Weitere Kostenlose Bücher