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Dringernder Verdacht

Dringernder Verdacht

Titel: Dringernder Verdacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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Umschwungs
ein bisschen Amok liefen. Ich blätterte die Seiten durch, überflog Meldung um
Meldung. Ich wusste selbst nicht genau, was ich suchte... ein Bindeglied,
irgendeine Verbindung zu damals.
    Die Fragen lagen auf der Hand. Wenn
Tippy Parsons David Barneys Alibi stützen konnte, warum war sie dann nicht
schon vor Jahren mit ihrer Aussage herausgerückt? Natürlich konnte es sein,
dass sie gar nicht dort gewesen war. Vielleicht hatte er jemand anderen
gesehen, oder er hatte sich die ganze Sache nur ausgedacht, um seinen Kopf aus
der Schlinge zu ziehen. Und falls sie wirklich dort gewesen war, bestand
immer noch die Möglichkeit, dass sie ihn nicht gesehen hatte, aber ihre
Anwesenheit würde seiner Darstellung immerhin eine gewisse Glaubhaftigkeit
verleihen. Und was war mit diesem Mann, von dem Barney behauptete, er habe die
Szene mitbekommen? Welche Rolle spielte er bei alledem?
    Ich griff zum Telefon und wählte Rhe
Parsons Nummer, in der Hoffnung, sie in ihrem Atelier zu erwischen. Beim
siebten Klingeln nahm sie ab, hörbar außer Atem. »Ja?«
    »Rhe, hier ist Kinsey Millhone. Tut mir
Leid, wenn ich Sie störe. Sie klingen, als hätte ich Sie schon wieder mitten
aus der Arbeit gerissen.«
    »Oh, hi. Machen Sie sich nichts draus.
Ist wohl meine eigene Schuld. Ich sollte mir ein schnurloses Telefon zulegen
und es mit ins Atelier nehmen. Entschuldigen Sie mein Geschnaufe. Ich bin
wirklich nicht in Form. Wie geht es Ihnen?«
    »Mir geht es gut, danke. Ist Tippy
zufällig da?«
    »Nein. Sie arbeitet heute bis sechs.
Bei der Langustenbude unten am Pier. Worum geht es denn? Kann ich Ihnen
vielleicht weiterhelfen?«
    »Vielleicht«, sagte ich. »Ich wollte
gern wissen, wo sie in der Nacht war, als Isabelle ermordet wurde.«
    »Sie war zu Hause, da bin ich mir ganz
sicher. Warum?«
    »Ach, es ist wahrscheinlich nichts
dran, aber jemand meint, sie in einem Lieferwagen herumfahren gesehen zu
haben.«
    »Einem Lieferwagen? Tippy hat nie einen
Lieferwagen gehabt.«
    »Dann muss es wohl ein Irrtum sein. War
sie bei Ihnen, als die Polizei angerufen hat?«
    »Sie meinen, wegen Isabelles Tod?« Für
einen Moment war da ein Zögern in ihrer Stimme, das mir eine Warnung hätte sein
sollen, aber vor lauter Konzentration auf meine Frage vergaß ich völlig, dass
ich es mit einer Mutter zu tun hatte. »Sie wohnte damals bei ihrem
Vater«, sagte sie zurückhaltend.
    »Richtig. Das sagten Sie ja schon.
Jetzt fällt’s mir wieder ein. Hatte er vielleicht einen Lieferwagen?«
    Totenstille. Dann: »Hören Sie, Ihre
Andeutungen missfallen mir sehr.«
    »Welche Andeutungen? Ich frage doch
nur.«
    »Ihre Fragen klingen sehr pointiert.
Ich hoffe, Sie wollen nicht unterstellen, dass Tippy irgendetwas mit der Sache
mit Iz zu tun hatte.«
    »Seien Sie nicht albern, Rhe. Ich würde
nie und nimmer so etwas unterstellen. Ich versuche lediglich, eine Aussage zu entkräften.
Das ist alles.«
    »Was für eine Aussage?«
    »Hören Sie, es ist wahrscheinlich
nichts dran, und ich möchte mich lieber nicht weiter dazu äußern. Ich kann ja
später mit Tippy selbst reden. Das hätte ich gleich tun sollen.«
    »Kinsey, wenn irgendjemand irgendwelche
Behauptungen über meine Tochter in die Welt setzt, habe ich ein Recht darauf,
es zu erfahren. Wer sagt, sie sei unterwegs gewesen? Das ist eine unverschämte
Anschuldigung.«
    » Anschuldigung ? Moment mal. Es
ist doch wohl kaum eine Anschuldigung, wenn jemand sagt, er habe sie in einem
Lieferwagen herumfahren sehen.«
    »Wer hat das gesagt?«
    »Rhe, es ist mir wirklich nicht
möglich, meine Quellen offen zu legen. Ich arbeite für Lonnie Kingman, und
diese Information fällt unter das Anwaltsgeheimnis...« Das stimmte zwar nicht,
klang aber gut. Das Anwaltsgeheimnis galt nicht für mich und meinen Umgang mit
irgendwelchen Zeugen. Ich konnte hören, wie sie sich zu zügeln versuchte.
    »Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie
mir sagen würden, was hier gespielt wird. Ich verspreche, Sie nicht nach Ihren
Quellen zu fragen, wenn das wirklich so ein Staatsgeheimnis ist.«
    Ich ging kurz mit mir zu Rate und
befand, dass es keinen Grund gab, ihr die Information selbst vorzuenthalten.
»Jemand behauptet, sie in der betreffenden Nacht draußen gesehen zu haben. Ich
will nicht behaupten, dass das im Zusammenhang mit Isabelles Tod irgendwie
relevant wäre, aber es kam mir merkwürdig vor, dass sie nie etwas davon gesagt
hat. Ich dachte, sie hätte Ihnen vielleicht etwas erzählt.«
    Rhes Stimme war kontrolliert.

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