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Dringernder Verdacht

Dringernder Verdacht

Titel: Dringernder Verdacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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können Sie anrufen. Im Augenblick denke
ich nicht, dass einer Autopsie etwas im Wege steht.«
    »Ich würde gern mit der Gerichtsmedizin
sprechen, um die Leute schon mal vorzuwarnen, aber ich möchte nichts ohne Ihre
Einwilligung tun.«
    »Ich habe nichts dagegen.«
    »Wogegen?«, fragte Louise, die gerade
mit einem voll beladenen Teetablett durch die Tür kam. Sie setzte das Tablett
auf dem Couchtisch ab. Dorothy informierte sie, indem sie die
Entscheidungsfrage so knapp und präzise resümierte wie vorhin den anstehenden
Prozess.
    »Ach, gib ihr doch grünes Licht«, sagte
Louise. Sie goss eine Tasse voll und reichte sie mir. »Wenn du es erst mit
Frank besprichst, kommt ihr nie zu einem Entschluss.«
    Dorothy lächelte. »Das habe ich auch
gedacht, aber ich wollte es nicht sagen.« Und zu mir sagte sie: »Tun Sie, was
Sie für das Beste halten.«
    »Danke.«
     
    Detektiv Burt Walker von der
Gerichtsmedizin war ein Mann von Anfang vierzig mit schütterem, hellbraunen
Haar und einem kurz getrimmten, rotblonden Schnauz- und Backenbart. Sein
Gesicht war rund und rötlich, und seine ganze Erscheinung ließ ein
skandinavisches Erbteil vermuten. Er trug eine dünne Drahtbrille mit kleinen
runden Gläsern. Er war nicht schwer gebaut, wirkte aber wie ein Mann, der mit
den Jahren Gewicht ansetzt. Die Pfunde standen ihm gut. Er trug ein braunes
Tweed-Jackett, beige Hosen, ein blaues Hemd und einen roten Schlips mit weißen
Punkten. Während ich ihm die Umstände erläuterte, saß er vornübergebeugt da,
den einen Ellbogen aufgestützt. Seine einzige Reaktion war ein gelegentliches
Nicken oder Stirnreiben. Ich legte ihm meine Zweifel dar, konnte aber nicht
einschätzen, ob er mich wirklich ernst nahm oder mir nur aus Höflichkeit
zuhörte.
    Als ich fertig war, sah er mich an.
»Was wollen Sie damit sagen?«
    Ich zuckte die Achseln. Ich hatte doch
Hemmungen, meinen vagen Verdacht unverblümt auszusprechen. »Dass er in
Wirklichkeit an irgendeiner Art von Gift gestorben ist.«
    »Oder dass es vielleicht ein Gift war,
das den tödlichen Herzanfall ausgelöst hat«, sagte Burt.
    »Richtig.«
    »Hm. Das ist nicht undenkbar«, sagte er
langsam. »Klingt, als könnte ihm jemand etwas verabreicht haben. Es besteht
wohl nicht die Möglichkeit, dass er es selbst getan hat, weil er verzweifelt
oder deprimiert war?«
    »Wohl nicht. Seine Frau hat zwar Krebs,
aber sie waren vierzig Jahre verheiratet, und er wusste, dass sie ihn brauchte.
Er hätte sie nie im Stich gelassen. Soweit ich weiß, hingen Sie sehr
aneinander. Wenn er vergiftet wurde, muss es wohl etwas gewesen sein, was er
unwissentlich zu sich genommen hat.«
    »Haben Sie irgendeine Theorie, um
welche Substanz es sich gehandelt haben könnte?«
    Ich schüttelte den Kopf. »Ich verstehe
nichts von diesen Dingen. Ich habe mit seiner Frau über seine letzten
Lebenstage gesprochen, und die erinnert sich an nichts Besonderes. Nichts
Auffälliges oder Verdächtiges. Sie sagt, seine Gesichtsfarbe sei erschreckend
gewesen, aber ich habe nicht näher nachgefragt, was sie damit meint.«
    »Könnte also schon mal nichts Ätzendes
gewesen sein, weil man das sofort merkt«, sagte er. Er seufzte, schüttelte den
Kopf. »Ich weiß nicht, was ich Ihnen sagen soll. Ich werde keinen Toxikologen
daransetzen, nach einer nebulösen >unbekannten Substanz< zu fahnden. Das
geht ins Uferlose. Nehmen Sie nur mal die vielen verschiedenen Arzneimittel,
Pestizide, Industrieprodukte... Mannomann... oder auch nur die Chemikalien, mit
denen man im Haushalt hantiert. Nach dem, was Sie sagen — mal angenommen, Sie
hätten Recht, nur mal theoretisch — , wird das Problem noch dadurch
verkompliziert, dass er in so miserabler körperlicher Verfassung war.«
    »Haben Sie Morley gekannt?«
    Er lachte. »Ja, ich habe Morley
gekannt. Prima Kerl, aber er lebte noch immer in den fünfziger Jahren, als man
noch dachte, ein halber Liter Alkohol am Tag und drei Päckchen Zigaretten
gehörten einfach zum Vergnügen. Bei Leuten wie Morley, deren Leber- und
Nierenfunktionen sowieso schon durch Krankheit beeinträchtigt sind, wirken
toxische Substanzen jeder Art doppelt stark, weil sie nicht wirksam
ausgeschieden werden können, und solche Menschen vertragen daher in der Regel
nicht so viel wie ein gesunder Mensch. Ein paar Dinge können wir schon mal
ausschließen«, sagte er. »Säuren, Laugen. Wenn ich Sie recht verstehe, hat
seine Frau nichts davon gesagt, dass sein Atem auffällig gerochen hätte.«
    »Nein, und das

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