Dritte Halbzeit: Eine Bilanz (German Edition)
zu melden. Einmal wollte er partout mit Rummenigge und mir essen gehen. Wir mussten über die Feuerleiter aus dem Hotel flüchten, um ihm zu entkommen.
Damals haben wir uns sensationell verstanden, Kalle und ich. Später dann leider nicht mehr so. Das Problem war: Alle in der ARD kannten Kalle und mich. Und die Sportchefrunde wählte immer die feigste und für sie günstigste Lösung, wenn es schlechte Nachrichten für Kalle gab. Also zum Beispiel unerfreuliche Umfragewerte zum Ende seiner ARD -Karriere, als Kalle zunehmend in die Kritik geriet. Und die einfachste Lösung lautete immer: Das muss ihm der Waldi beibringen. So wurde ich zur personifizierten schlechten Nachricht für Kalle, zum Hiob mit Schnauzbart. Der große Rummenigge war in seiner Ehre gekränkt, und wer war schuld? Der Hartmann. Was auf Dauer zu einer erheblichen Abkühlung unseres Verhältnisses führte.
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BERTI KOMMT, DER SPASS GEHT
Von Chicago nach Mottram Hall
Bei der WM 1994 in den USA war ich zum ersten Mal bei der deutschen Mannschaft stationiert. Mein Vorgänger Jörg Won torra war 1992 zu Sat. 1 gegangen, zu Reinhold Beckmanns nagelneuer Sendung ran . Also wurde Waldi der neue Wonti – als Embedded Reporter beim DFB -Team, im deutschen Quartier in der Nähe von Chicago.
So schön wie 1990 war es nicht mehr. Damals in Italien hatten wir ein bayerisches Heimspiel mit Franz, mit Sepp Maier, mit Lothar, mit Auge, mit Kohler, Reuter und Aumann, mit der medizinischen Fraktion, Klaus Eder, Hans Montag und Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt – die ganze WM war vom FC Bayern geprägt. Lothar Matthäus war zwar in Italien bei Inter, aber immer noch gefühlter Bayern-Spieler.
Eine WM später, 1 994 in den USA , war die Rhein-Ruhr-Mafia am Zug. Berti. Und Boni Bonhof, mein Halbzeitinterviewpartner. Es war alles eindeutig zäher als in den herrlichen Wochen von Rom.
Schön war, dass irgendwann die Schneeforscher ankamen, die legendäre Clique um Franz Beckenbauer, Uwe Seeler, Max Lorenz, Luggi Müller, unter der Führung von Rudi Houdek, dem großen bayerischen Wurstfabrikanten und Strippenzieher hinter den Kulissen des FC Bayern. Rudi war damals in den USA schon achtzig, aber voll im Saft. Er war topfit und gab Vollgas ohne Rücksicht auf Verluste. Und noch schöner war: Wir waren im selben Hotel. Die Wege waren also kurz und die Reibungsverluste minimal. Franz war damals im Rah men seiner Expertentournee durch alle Fernsehsender der Republik beim noch ziemlich neuen Premiere gelandet, mit der Sendung Schau ma mal , eine ganz Viertelstunde am Tag. Sprich: Dem Franz war ziemlich fad. Er hat dann für uns im Ersten auch ein bisserl was gemacht, aber danach war ihm immer noch fad.
Wir hatten sensationellen Spaß, besonders mit Houdek, der mich richtig ins Herz geschlossen hatte. »Du Sauhund«, hat er immer zu mir gesagt, »erzähl noch einen Witz …« Eine Woche lang war ich jeden Abend essen mit der Bande – als Aushilfs-Schneeforscher, beim Franzosen, beim Italiener, bis die lustige Sippe zu meinem tiefsten Bedauern wieder heimgeflogen ist. Wenigstens der Franz blieb. Und wenn ihm schon wieder fad war, hat abends bei mir das Telefon geklingelt: »Wir sind beim Franzosen, kommst mit?«
An einem Abend mit den Schneeforschern haben wir Uwe Seeler als HSV -Präsidenten erfunden. Und den Bayern-Präsidenten Beckenbauer gleich noch dazu. Damals hat es mal wieder lichterloh gebrannt beim HSV , und der Franz hat zum Uwe gesagt: »Du musst Präsident machen.« Der Uwe wollte aber nicht: »Wir haben keine Sponsoren, alles so schwie rich, Franz, weißte …« Der Franz: »Wenn du das machst, dann kriegst schon Sponsoren.« Nach mehreren schweren französischen Rotweinen war die Lage wie folgt: Handschlag zwischen Uwe und Franz und die Zusicherung vom Uwe: »Franz, wenn du Bayern-Präsident machst, dann mach ich HSV -Präsident.« Und so geschah es. Beide sind Präsident geworden.
Eigentlich war die WM doch nicht so schlimm, zumindest beim Abendessen. Bloß blöd, dass Fußball gespielt wurde. Und schlecht noch dazu.
Der Fußballaufreger 1994 im deutschen Team war das Trio infernale Angela Häßler, Bianca Illgner und Martina Effenberg. Die Spice Girls unter den Spielerfrauen. Drei Schnepfen auf dem Egotrip, die allen das Leben zur Hölle machten. Die drei führten ein richtiges Theater auf, weil sie nicht im Mannschaftshotel wohnen durften, sondern etwas abseits in einem Resort untergebracht waren. Ich habe damals Thomas Berthold gefragt: »Was ist
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