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Dritte Halbzeit: Eine Bilanz (German Edition)

Dritte Halbzeit: Eine Bilanz (German Edition)

Titel: Dritte Halbzeit: Eine Bilanz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Waldemar Hartmann
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los bei euch?« Was eigentlich als Frage zum Sport gedacht war. Und Berthold antwortete: »Wir haben jetzt abgestimmt. Zweidrittelmehrheit, dass die Frauen zu uns ins Hotel sollen. Aber nicht die eigenen …«
    Das Tragische war: Das war die beste deutsche Fußballmannschaft seit 1972 , eine Megatruppe, viel besser als 1990 . Zumindest theoretisch. Da waren die 90 er-Weltmeister, in der Blüte ihrer Jahre, und dazu zum ersten Mal bei einer WM auch noch die Ostler. Der Franz hat schon nicht verkehrt gelegen mit seiner Prognose nach der WM ’ 90 , dass wir auf Jahre unschlagbar sein würden.
    Diese Mannschaft hatte alles: Künstler wie Basler und Häßler, Marschierer wie Matthäus und Brehme, Stürmer wie Völler und Klinsmann, Antreiber wie Effenberg und Sammer. Das war eine Megatruppe! Nur eines hatten sie nicht: Lust aufs Arbeiten. Die waren satt, disziplinlos, es gab Eitelkeiten ohne Ende. Eigentlich war die WM für uns schon vor dem Abflug nach Amerika gelaufen. Der Einzige, der richtig Gas gegeben hat, war Jürgen Klinsmann. Der hat in dieser brutalen Hitze, da waren teilweise über 60 Grad im Stadion, gerackert ohne Ende. Man kann über Klinsmann denken, was man will, aber das war sensationell.
    Nie mehr, weder vorher noch nachher, habe ich eine Fußballmannschaft erlebt, die so wenig aus ihren Möglichkeiten gemacht hat. Und der Franz hatte in seiner kühnen Prognose nicht mit Berti gerechnet. Mit dem Franz wären die Weltmeis ter geworden und hätten eine überragende WM gespielt. Das Finale zwischen Brasilien und Italien mit dem Elfmeterschießen war grauenvoll, das hätte unsere Truppe gewinnen können. Oder müssen.
    Man muss das so hart sagen: Wenn Berti kam, dann ging der Spaß. Mit einem freudlosen Trainer spielst du halt auch freudlosen Fußball. Berti ist so, er kann nicht raus aus seiner Haut. Der damalige Pressesprecher und heutige DFB -Präsident Wolfgang Niersbach hat jahrelang versucht, Berti zu bekehren und ihn zugänglicher zu machen, offener, weniger misstrauisch – erfolglos. 1996 hat es auch Niersbach aufgegeben.
    In England ist Berti dann Europameister geworden – die Truppe war einfach gut, doch im Endeffekt hat dieser Erfolg dem deutschen Fußball nur geschadet, weil die notwendigen Reformen wieder auf die lange Bank geschoben wurden. Erst nach dem Scheitern von Erich Ribbeck bei der EM 2000 hat Gerhard Mayer-Vorfelder die Umkehr eingeleitet, von der heute Löw und die ganze Bundesliga profitieren. Es entstanden beispielsweise die Internate der Bundesligisten, die Voraussetzung der Bundesligalizenzierung waren. Was da mals gesät wurde, ernten, meiner Meinung nach, heute die Liga und Löw. Götze, Reus, Schürrle und so weiter.
    Mit Berti konnte man 1 994 in den USA also wenig Spaß haben – mit Reiner Calmund dafür umso mehr. Ich weiß noch, irgendwann sollte mich ein gemietetes US -Kamerateam vom Hotel abholen, um zu einem Interviewtermin mit Berti zu fah ren. Die wussten aber nur meinen Namen: »Hardmaaaan«, with a moustache, mit einem Schnurrbart, und nicht ganz dünn …
    Ich fahre also mit dem Aufzug runter in die Lobby, doch da ist kein Kamerateam. Irgendwann gehe ich an die Rezeption, frage nach meinem Team, und die gute Frau meint: »Ja, da war vorhin ein Kamerateam da. Die sind in einem Van weggefahren.« Es war eine Riesenhektik, damit ich noch recht zeitig zum Termin mit dem Bundestrainer komme.
    Abends sitze ich mit Udo Lattek an der Bar zum gemeinsamen OJ -Simpson-Schauen. Damals lief der Prozess gegen den Footballsuperstar, der als angeblicher Mörder seiner Frau angeklagt war. Das war während der WM das einzige große Thema in den USA . Für Soccer hat sich nicht wirklich jemand interessiert. Da höre ich hinter mir jemanden fragen, mit schwerem rheinländischem Zungenschlag: »Hör ma, haste heute nisch ’n Kamerateam jesucht?«
    Reiner Calmund. Ich zu ihm: »Woher weißt jetzt du das?«
    Er zu mir, meine Ohren immer größer: »Isch will dir nur sagen, die haben misch zum Flughafen jefahren. Isch sag dir, dat is so schwierig hier mit dem Taxi, und als isch aus dem Aufzug komm und die misch fragen, are you Mr. Hardmaaaan, sag isch erstma vorsischthalber Yes, und dann nehmen die misch einfach mit … Und am Airport haben sie misch jefragt, wen wir interviewen sollen, da sach isch, niemand …«
    Calli hatte mir mein Kamerateam geklaut, der alte Halunke.
    Und dann war da noch der Typ vom Hotel, der die Stretchlimousinen verteilte. Er konnte ganz gut Deutsch, weil er

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