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Dritte Halbzeit: Eine Bilanz (German Edition)

Dritte Halbzeit: Eine Bilanz (German Edition)

Titel: Dritte Halbzeit: Eine Bilanz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Waldemar Hartmann
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trinken dürfen? Das muss falsch übersetzt worden sein.
    Das Problem war: Es stimmte. Die spinnen, die Römer!
    Wir waren also in Rom bei einem Spiel im Olympiastadion. Bereits unterwegs haben wir gemerkt, in den Restaurants gibt es keinen Alkohol, für niemanden. Da ging es deutlich ruhiger zu als sonst. Aber echte Sorgen gemacht haben wir uns immer noch keine. In unserem Hotel kriegen wir schon was zu trinken, die kennen uns, die mögen uns. Unser Freund, Barkeeper Benito aus Venedig, lässt uns bestimmt nicht im Stich.
    Doch da hatten wir uns geschnitten, er ließ uns tatsäch lich im Stich. Ich wie gewohnt zu Benito: »Einen Roten bitte.« Er zu mir, in erstaunlich ordentlichem Deutsch: »Kann nicht geben. Ist Gesetz.« Er erklärte uns, dass es bei Zuwiderhandlung drakonische Strafen für den Wirt und den Gast gibt, fast wie heute beim Rauchverbot. Deshalb: kein Roter. Kein Wein für niemanden und das nach einem anstrengenden Tag. Wasser und Spezi an der Hotelbar. Arrivederci Italia, wo ist deine alte Pracht und Herrlichkeit nur geblieben? Und das weit vor Berlusconi, der damals nur das Fernsehen verschandelte und noch nicht das ganze Land.
    Irgendwann kam dann Werner Schneyder, der Liberale, der Gutmensch, der Schöngeist, der Gütige, der Alle-Menschen-Liebende – aber durstig. Und fing an zu toben mit allen Schimpfwörtern, mit denen du Italiener überziehen kannst, von Katzlmacher bis Spaghettifresser. Mir wurde schlagartig klar: Wenn der Körper Bedürfnisse signalisiert, findet jede Liberalität ihre Grenzen. Ich also noch mal zu Benito: »Benito, das kann nicht sein, wir müssen doch eine Lösung finden.«
    Und wir fanden eine Lösung. Benito holte sein schönstes Kaffeegeschirr aus dem Schrank, stellte uns die Kaffeetassen auf den Tresen und schenkte ein. Rotwein aus der Kaffeekanne in die Kaffeetasse. Er meinte: Wenn die Polizei kommt, werden Sie euch schon nicht die Kaffeetassen wegnehmen und probieren. Das war eine wunderbare italienische Lösung. Wir waren glücklich, sehr glücklich sogar. Und Werner Schneyder war mit sich, der Welt und mit Italien wieder im Reinen.
    Beinahe genauso wunderbar war das Centro Sportivo des italienischen Staatsfernsehens RAI direkt am Tiber. Am Schwar zen Brett hatte ich gelesen, dass alle WM -Journalisten mit einer Akkreditierung dort umsonst reindurften. Das Centro Sportivo umfasste ein luxuriöses Bad, Tennisplätze, eine Café teria vom Feinsten und vieles mehr. Ich behielt dieses Wissen zunächst sorgfältig für mich – man will ja nicht, dass plötzlich Heribert Faßbender den benachbarten Liegestuhl besetzt. Wenn ich nach meiner Mittagssendung nichts mehr zu tun hatte, bin ich in dieses Wohlfühlparadies am Tiber und habe mich dort in die Sonne gelegt.
    Irgendwann war es mir aber zu einsam, und ich habe in Kollegenkreisen durchsickern lassen, dass es da was ganz Tolles gibt unten am Tiber. Der Erste, der es überrissen hat, war Marcello. Also Marcel Reif, damals aufgehender Kommentatorenstern beim ZDF . Mit ihm hatte ich viel Spaß. Ich lag dort auf der Sonnenliege, plötzlich sagte Herr Reif zu mir: »Gehst mit mir auf einen Cappu?« Ich kannte ihn bisher kaum und war ganz verwundert: »Oh, mit dir, Herr Reif?« Er meinte: »Ich finde, wir sollten uns kennenlernen.« Ich zu ihm: »Das habe ich bisher nicht gefunden, weil ich dich für ein gewaltig arrogantes Arschloch gehalten habe.« Er zu mir, sehr entspannt und kein bisschen böse: »Ja, aber da bist du nicht der Einzige.«
    Also sind wir losgezogen und haben drei Stunden gequatscht, der schwarze Hartmann und der intellektuelle Feingeist Reif. Und seitdem haben wir ein wunderbares Verhältnis. Wir freuen uns, wenn wir uns sehen. Ich mag ihn als Menschen, als Kollegen und als Reporter – er ist und bleibt für mich bis heute der mit Abstand beste deutsche Fußballkommentator.
    Später haben sich unsere Wege noch einige Male gekreuzt – unter anderem als ich 1997 doch nicht zu RTL gegangen bin, obwohl ich mir mit RTL -Informationsdirektor Hans Mahr schon einig war, die Nachfolge von Marcel als Sportchef anzutreten. Ich wollte meinem Spezi Marcello nichts wegneh men, aber der Mahr Hansi versicherte mir glaubhaft, die ganze Verwaltungsarbeit sei eh nichts für Reif, der will ohnehin aufhören als Sportchef. Mahr mit seinem typischen Wiener Schmäh: »Waaßt eh, I wü an Marcello ja behalten, oba des wer ma miassn dann irgendwie kombinieren.« Kombinieren war sein Lieblingswort, der Hans musste immer

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