Dritte Halbzeit: Eine Bilanz (German Edition)
als GI in Rammstein stationiert war. Dem habe ich einen ARD -Ball geschenkt, und wir durften dann auch mal Stretchlimo fahren. Wir, ein paar Zeitungsleute und ich, sind mit dem siebzehn Meter langen Gefährt in einen Klub gerauscht. Disco, Saturday Night Fever in Chicago! Als wir an der Disco ankamen, war davor eine schier unüberschaubare Schlange, locker fünfzig Meter lang. Wir fragen den Fahrer: »Sir, gibt es nicht die Möglichkeit, uns direkt zur Tür zu fahren?« – »Okay«, sagt der Sir, für zwanzig Dollar kein Problem. Und vor der Tür steigt der Fahrer aus und erklärt dem Gorilla an der Pforte: Das ist das German Soccer Team! Die Fußballsuper stars aus Germany! Die musst du unbedingt reinlassen!
Also ließ er uns rein. Das war ein Riesenladen. Und den Frauen da drin machten wir klar: Einer von uns war Riedle, ein anderer war Basler, einer Möller. Und ich war Assistant Coach – denn den Fußballstar hätte mir nicht einmal ein Amerikaner abgenommen, der überhaupt keine Ahnung vom Kicken hatte. Wir hatten Spaß ohne Ende, wir Nationalspieler, das haben wir drei Abende lang so gemacht. Wir waren als spendables und trinkfestes German Soccer Team mittlerweile dort bekannt und sehr begehrt, vor allem bei den Damen.
Beim dritten Mal gab es dann allerdings das Problem, dass auch das echte German Soccer Team in den Laden kam. Kommt also Basler zu mir, der echte Basler, und fragt: »Hömma, was läuft hier eigentlich?« Da erklärt ihm mein Berliner Kollege Frommi: »Hör mal, Mario – ich bin Basler!« Aber die Jungs haben mitgespielt und uns nicht auffliegen lassen, weil niemand diese Weltmeisterschaft ernst genommen hat – außer Jürgen Klinsmann und Berti Vogts.
Wir hatten Spaß, doch dann kamen Stoitschkow, Letschkow und mit ihnen das Aus gegen Bulgarien im Viertelfinale. Gegen Bulgarien! Mit dieser Truppe! Es war eine Schande! Ein verschenkter WM -Titel!
Herr und Frau Effe waren da schon zu Hause – was ich weltexklusiv vermelden durfte. Und das kam so: Morgens um halb sieben läutete das Telefon. Nicht meine Zeit. Am Tele fon: Kalle Rummenigge. Ich war aber am Abend davor brav ins Bett gegangen, weil ich morgens um neun mit Berti einen Termin ausgemacht hatte, Aufzeichnung, Interview. Am Abend davor hatten sie in Dallas gegen Südkorea gespielt, zum Abschluss der Vorrunde. Auf der Agenda: die Vorrundenbilanz mit Berti.
Vom mühsamen 3 : 2 gegen die Koreaner redete am nächsten Morgen aber niemand mehr. Denn: Südkorea – das war der Stinkefinger von Stefan Effenberg. Ich hatte das Spiel im Fernsehen verfolgt, da war nichts von einem ausgestreckten Mittelfinger zu sehen, ich ging völlig ahnungslos ins Bett. Das kam erst danach raus, als deutsche Zuschauer in Dallas die Geschichte DFB -Präsident Egidius Braun und seiner Delegation steckten. Damals standen noch nicht fünfzig Fernsehkameras in jedem Winkel des Stadions, nicht einmal bei einer Weltmeisterschaft.
Also: Kalle am Telefon. Morgens um halb sieben war die Welt nicht mehr in Ordnung. Kalle hatte die Exklusivmeldung für mich: »Bist du wach? Gut, hör zu: Die schmeißen den Effenberg raus. Der fliegt heim.«
Hammer! Ich war nicht wach, ich war hellwach.
Egidius Braun hatte bei Rummenigge angerufen, wollte seine Meinung hören. Braun durfte sich nicht beschweren – wenn er beim offiziellen ARD -Experten den Effe-Rauswurf ausplau dert, musste er damit rechnen, dass Kalle seinen Expertenpflichten nachkommt und die Geschichte die Runde macht.
Jetzt wusste ich es auch. Und um Viertel vor neun kamen Berti und Pressechef Wolfgang Niersbach ins Internationale Fernsehzentrum zum Interview.
Allerdings hatte ich ein taktisches Problem:
Effe wusste noch gar nicht, dass er den Urlaub mit seiner Holden früher als geplant antreten konnte. Und dass er es aus dem Fernsehen erfuhr, war auch keine gute Idee. Berti war im Übrigen dagegen gewesen. Er wollte Effenberg nicht heim schicken. Stefan war ihm zu wichtig. Er wusste, dann würde er nur noch mehr Theater haben – womit er nicht ganz verkehrt lag.
Ich überlege mir also eine Taktik und erkundige mich im Vorgespräch, noch ohne Kamera, bei Berti: »Und, fangen wir das Interview damit an, dass ihr Effe heimschickt?«
Berti wird totenbleich: »Woher weißt du das?«
»Mei, weiß ich halt. Muss ich nicht sagen.«
Berti patzig: »Dann sagen wir auch nichts. Dann gehen wir gleich wieder.«
Er und Niersbach beratschlagen ein paar Meter entfernt. Und dann haben wir ausgemacht: Wir zeichnen
Weitere Kostenlose Bücher