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Dritte Halbzeit: Eine Bilanz (German Edition)

Dritte Halbzeit: Eine Bilanz (German Edition)

Titel: Dritte Halbzeit: Eine Bilanz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Waldemar Hartmann
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schau’s dir in der Küche an.« Und so bin ich zu meiner eigenen magischen Kelle gekommen.
    Ich habe sie im Auto hinter den Vordersitz gelegt und nie missbraucht. Ehrlich! Eines Tages musste ich aber nach Öster reich. Grenzkontrolle in Kiefersfelden, weil hinten in Slowenien gerade irgendwelche Waffenschmuggler ihr Unwesen getrieben haben. Bittschön aussteigen, Papiere, Handschuhfach auf, Kofferraum auf, die ganze Litanei. Und die Kelle des Bösen hinter meinem Sitz – klarer Fall von Amtsanmaßung! Die findet der Grenzer garantiert. Ich denk mir schon: »Du bist ein schöner Depp, Waldi, das gibt Riesenärger.« Für Bild München reicht das locker: »Wie kam TV -Moderator Hartmann an die Polizeikelle?«
    Und natürlich macht er die hintere Tür auf, schaut auf den Boden, sieht die Kelle – und fragt mich auf Tirolerisch: »Ja, wos is denn des?« Und ich hab Gott sei Dank blitzschnell re agiert: »Herr Kollege, was ist das wohl? Ich bin Personenschüt zer und hab vergessen, das Ding aus meinem Privatauto rauszunehmen. Ich bin auf dem Weg nach Wien, den Strauß abholen.« Da wird mein Kollege gleich viel lockerer und fragt: »Ja, warum sagen’s das denn nicht gleich.« – »Mei, ich wollte es halt nicht an die große Glocke hängen.« Beinahe hätte der Grenzer salutiert. Gute Fahrt, Kollege Hartmann!
    Zurück daheim habe ich die Kelle im Keller entsorgt und nie mehr angefasst.
    Nach drei Jahren in der Zeitlupe habe ich endgültig festgestellt, dass die Arbeit als Wirt nichts mehr für mich war. Sie hat mir ohnehin jahrelang mein ganzes Nachtleben versaut. Denn ich konnte nie ganz normal an einer Bar sitzen, ich musste immer schauen: Wie bescheißen die, wie läuft das hier? Eine absolute Berufskrankheit, eine professionelle Deformierung.
    Weg aus der Gastronomie – das war für mich ein Befreiungsschlag! Das Leben vor der Theke ist einfacher und angenehmer als dahinter. Aber wie der Engländer so schön sagt: »The grass is always greener on the other side« – man will halt immer das, was der andere hat. Viele Journalisten wollen eine Kneipe haben. Ich hatte lange genug eine und wollte nur noch Journalist sein. Blut geleckt hatte ich ja schon! Und durch viele gemeinsame Abende in der Kneipe habe ich heute natürlich einen ganz anderen Kontakt zu einem Uli Hoeneß und zu vielen anderen Leuten aus dem Fußballgeschäft als viele Kollegen. Wenn du das eine oder andere aus dem Backstagebereich erfährst, macht dich das ja nicht dümmer.
    Deshalb hat es mir auch nicht nachhaltig geschadet, als ich die Lederhose von Uli Hoeneß verzockt habe. Dazu muss ich jetzt aber ein bisserl ausholen …
    Uli ist eigentlich ein umgänglicher Mensch, mit dem man auch mal streiten kann – doch das ist dann immer schnell wie der vergessen. Aber seinen Bremer Kollegen Willi Lemke hat er aus tiefstem Herzen gehasst. Uli Hoeneß und Willi Lemke, dagegen waren Hund und Katz und Matthäus und Klinsmann Liebespaare. Die totale Crashsituation. Kapitalismus gegen Kommunismus, aus Ulis Sicht. Oder wenigstens Sozialismus. Tiefste weltanschauliche Differenzen. Eine Glaubensfrage.
    Wobei: Eigentlich war der Draht zwischen dem FC Bayern und Werder Bremen immer recht gut, das ist bis heute so. Besonders das Verhältnis mit dem langjährigen Präsidenten Franz Böhmert war prima – aber auch mit Otto Rehhagel gab es nie große Probleme, zumindest solange er in Bremen blieb. Ich habe ihn immer mit »Mein Trainer aus der sozialistischen Volksrepublik Bremen« begrüßt. Irgendwann kam Otto, der Essener Junge aus dem roten Pott, bei einem Hallenturnier auf mich zu, schaute recht verschwörerisch und raunte mir ins Ohr: »Hör mal, Waldi, ich komm dir immer näher. In der Mitte bin ich schon …« Als ich das Franz Böhmert erzählte, meinte er mit staubtrockenem Hanseatenhumor: »Waldi, wenn sich Otto der CSU nähert, dann kommt er von rechts.«
    So ist wohl auch die Geschichte zu erklären, die mir Otto über Jürgen Rollmann erzählte. Der war ab 2000 für einige Jahre Pressesprecher der bayerischen SPD und 201 2 für einige wenige Wochen Manager des FC Augsburg. Beim Europapokalsieg von Werder Bremen 1992 stand er im Endspiel gegen den AS Monaco im Tor von Werder, weil Stammtorwart Oliver Reck gesperrt war. Als sich die Europokalsiegermannschaft zehn Jahre später zum Jubiläum in Bremen wiedertraf, ging Rehhagel auf den verdutzten Rollmann zu und pflaumte ihn an: »Wenn ich damals gewusst hätte, dass Sie mal SPD -Funktionär werden,

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