Dritte Halbzeit: Eine Bilanz (German Edition)
wurde die Kneipe Zeitlupe. Es war eine freund liche Übernahme – aus meiner Sicht. Meine Frau hing zwar noch an ihrer Idee, stimmte aber dem Wechsel zu. Blütenbäumchen, Tischdeckchen und allerlei Plunder flogen raus, ein einwöchiges Lifting folgte, und ein neuer Treff für Sport, Journaille und Politik wartete auf Gäste. Die rannten mir zwar erst mal nicht gerade die Tür ein, doch ich war mit großem Spaß dabei. Es entwickelte sich sogar ein überparteiliches Zuhause für Rote ( FC Bayern), Blaue ( TSV 1860 München) und die damalige dritte Kraft in München, den SV Türk Gücü. Dort hatte Peter Grosser als Trainer und Berater das Sagen – der einzige Spieler übrigens, der als Kapitän der 66 er Meistermannschaft der »Löwen« später auch Kapitän der Bayern wurde. Peter war jeden Tag da, und andere schauten ebenfalls vorbei.
Eines Tages schleppt Uli Hoeneß den neuen Bayern-Trainer Jupp Heynckes an. Der stellt erstaunt fest, dass ich Altbier vom Fass ausschenke. Er bleibt mit Uli zwei Stunden und trinkt in dieser Zeit ganze zwei Alt. In den Originalgläsern! Die gerade mal 0 , 2 Liter fassen! In zwei Stunden! Ich lege eine Trauerminute ein und sehne mich nach Udo Lattek zurück. Wenn Udo da war, freute sich der Wirt in mir, und der Journalist auch. Udo nahm reichlich Flüssigkeit auf, und nebenbei war ich über die Verhältnisse beim » FC Ruhmreich« immer auf dem Laufenden. Das kapierten natürlich auch andere Kollegen von Print, Funk und Fernsehen, und so entwickelte sich mein kleines Reich langsam zu einer vorzüglich funktionierenden Informationsquelle. »Win-win-Situation« würde man heute sagen. Und so wussten natürlich auch die schreibenden Kollegen der Münchner Boulevardblätter im April 1989 , wo sich nach der Sendung Blickpunkt Sport im Bayerischen Fernsehen der Studiogast Christoph Daum und der Moderator der Sendung treffen würden.
Doch der Reihe nach. Daum stichelte damals als Trainerneuling beim 1 . FC Köln wochenlang gegen Jupp Heynckes in München. Psychokrieg auf rheinisch. In der BR -Sportredaktion kam irgendjemand auf die Idee, Daum ins Studio einzuladen. »Und wovon träumst du nachts?«, bekam er als Antwort, weil niemand glaubte, dass Daum sich in die Höhle des Löwen wagen würde. Doch ich hatte Blut geleckt. Kunststück, ich war als Moderator an der Reihe und habe ihn einfach angerufen. »Ja, klar komme ich«, sagte Daum ohne langes Getue zu. Super! Jetzt der Anruf bei Bayerns Pressesprecher Hörwick: »Hallo Markus, ich hab den Daum am Montag im Studio. Kümmerst du dich bitte darum, dass der Heynckes auch kommt?« Stille. »Das ist doch nicht dein Ernst«, höre ich dann vom anderen Ende der Leitung an der Säbener Straße.
»Doch, und es wäre schade, wenn nur Daum da sitzen würde«, gebe ich Hörwick eine pikante Hausaufgabe mit. Denn, das muss auch mal gesagt werden, Pressesprecher von Fußballvereinen sind in erster Linie Presseverhinderungssprecher. Sie haben zuallererst die Aufgabe, den Verein vor öffentlicher Kritik zu schützen und ihn möglichst in schönem Licht erstrahlen zu lassen. Nach zwei Tagen die Antwort von der Säbener: Heynckes kommt nicht, Uli kommt. Auch gut. Heynckes will nicht oder traut sich nicht, also der Troubleshooter Hoeneß.
Showdown am Montag. Im Studio punktet Daum Runde um Runde, Uli ist sowohl defensiv wie offensiv in schlechter Tagesform. Sieger nach Punkten: eindeutig Daum. In der Maske fragt mich Uli, ob wir noch zu mir in die Kneipe gehen würden. Aber sicher! Das hatte er seit Jahren nicht mehr gemacht. Aber in diesem Moment war ihm klar: Wenn jetzt der Daum auch noch alleine den Boulevardkollegen seine Geschichten erzählen kann, werden die nächsten Tage eher unerfreulich.
Und so saßen wir vereint in der Zeitlupe mit den Kollegen von Bild , Abendzeitung und tz bis morgens früh um fünf. Als der letzte Zeitungsmann sich entkräftet verabschiedet hatte, ging auch Uli. Da wusste er noch nicht, dass schon am kommenden Nachmittag die Einladung ins Sportstudio des ZDF auf seinem Tisch landen würde. Diese Runde fand eine Woche später statt. Daum wurde von seinem Sekundanten Lattek begleitet, der angesichts seiner FCB -Vergangenheit Beißhemmungen hatte. Heynckes konnte sich diesmal voll auf Hoeneß verlassen und ging als klarer Gewinner aus dem Clash hervor.
Am Montag vorher hatten sich Christoph und ich übrigens gedacht, dass sich das Zubettgehen vor seinem Abflug morgens um neun Uhr auch nicht mehr lohnen würde. Wir mach
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