Dritte Halbzeit: Eine Bilanz (German Edition)
Czablusa, der jahrzehntelang durchs BR -Programm geisterte.
Mein Chef Eberhard Stanjek hat diesen Ausnahmesportler erfunden, bei einer Diskussion mit einem notorischen Wichtigmacher in unserer Stammkneipe, der Zwicke in der Nordendstraße. Dieser Mann wusste immer alles besser als wir, der war ein wandelndes Fußballarchiv. Irgendwann ist er uns so auf die Nerven gegangen, dass Eberhard beschlossen hat: Wir schlagen zurück. Also hat er dem Mann gesagt: »Hansi, du weißt ja wirklich alles. Aber die Truppe von Rot-Weiß Essen, die 1955 Deutscher Meister wurde, die bringst du nicht mehr zusammen.«
Hansi war tatsächlich ratlos, ein schönes Bild, wenn auch leider selten.
Wir, triumphierend: »Aha, du kennst also nicht Csaba Czablusa, den Ungarn, der damals mitgespielt hat.«
»Au weh«, hat der Hansi gejammert, »jetzt habt’s mich auf dem falschen Fuß erwischt.« Und damit war Csaba Czab lusa geboren, der fortan durch den BR -Sport schwirrte, beinahe wie der legendäre Phantomabgeordnete Jakob Mierscheid durch den Bundestag. Eberhard Stanjek hat den famosen Czablusa als dritten Mann im Viererbob übertragen: »Und da sieht man den erfahrenen Csaba Czablusa, siebenunddreißig Jahre alt, schon seit zwölf Jahren im Bob, wie er mit Müh und Not einen Sturz verhindert.« Ich habe ihn einmal beim Skispringen nicht mitspringen lassen als verletztes ungarisches Skisprungtalent Csaba Czablusa, sozusagen die Marika-Rökk-Version von Jens Weißflog. Das war unser Run ning Gag. Jeder in der Redaktion daheim in München wusste: Wenn Csaba Czablusa auftauchte, dann ging es der BR -Truppe draußen an der Sportfront gut.
Irgendwann hat es dieser Csaba Czablusa sogar in die Rund schau geschafft – dank Sepp Maier. Die Katze von Anzing war als Nikolaus auf der Weihnachtsfeier der Sportredaktion und hat uns sauber die Leviten gelesen. Und danach haben wir ihm das Geheimnis unseres Phantomsportlers Csaba Czab lusa verraten. Der Sepp war begeistert: »Ja, ihr seid’s ja saubere Hund, des gibt’s ja ned!« Und ich habe dem Sepp gesagt: »Pass auf, heute kommt er wieder vor, und du auch. Schau dir die Rundschau ganz genau an.« Dann habe ich als letzte Sportmeldung, direkt nach einem Skiweltcupsieg von Vreni Schneider vor Tamara McKinney und Marile Epple-Beck, Folgendes vorgelesen: »Noch eine Meldung vom Tennis: Beim Grand-Prix-Turnier in Ensing gewann der bisher nur als Bobfahrer bekannte Csaba Czablusa im Endspiel gegen Joe Maier 6 : 2 , 6 : 4 . Zum Wetter von morgen.«
Ensing war natürlich Anzing – dort, wo die Katze maust. Und Joe Maier war der Joseph, also der Sepp. Großer Spaß, der Sepp hat das gesehen und nicht glauben wollen, dass wir das tatsächlich live gesendet haben: »Geh, das habt’s doch vorher aufgezeichnet …«
Bis zuletzt ließ ich den sagenumwobenen Ungarn durch meine Sendungen geistern – unter anderem bei der Fußball- WM 2 010 als Kotrainer der Elfenbeinküste und in meinem allerletzten Kampf im Dezember 2012 in Nürnberg, mit Csaba Czablusa als möglichem nächsten Gegner von Arthur Abraham. Und dann sind wir gemeinsam in ARD -Rente gegangen, mein alter ungarischer Freund und ich. Egészségedre, Csaba – Prost, Herr Czablusa!
Abschiedssendungen haben mich ohnehin immer beflügelt. In meiner allerletzten Rundschau habe ich mich mit einer Strauß-Parodie verabschiedet, den Hals eingezogen, sauber mit dem Kopf gewackelt und gesagt: »If you want to be everybody’s darling, you are everybody’s Depp. Zum Wetter von morgen.«
Da war’s dann eh schon wurscht, und eine Reaktion vom BR -Sprachsheriff Dr. Schmidt ist nicht überliefert.
9
NIX GEGEN WEIHRAUCH UND KNOBLAUCH
BR-Spezis und BR-Spezialitäten
Bis zu meinem Abschied von der Rundschau , vom Bayerischen Rundfunk, überhaupt von der ARD war’s noch weit. Erst einmal wurde ich Ende 1979 zum Anchormännchen der Rundschau -Nachtausgabe um null Uhr siegst-mi-ned. Wahrscheinlich hatte ich beim einen oder anderen meiner Diskothekenauftritte mehr Zuschauer als bei diesen Sendungen, aber egal. Fernsehen war neu, Fernsehen war spannend. Und ich war von den Spätschichtmoderatoren der Einzige, der zwei Monate später in die Rundschau -Hauptausgabe aufrücken durfte. Anscheinend hatte man beim BR jetzt das Gefühl: Diesen Hartmann kann man auch dem richtigen Fernsehpublikum zumuten.
Ich fand: Fernsehen war genau das Richtige für mich. Fernsehen war viel besser als die Nordstern-Versicherung. Ich liebte Fernsehen! Die Rundschau hat Spaß
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