Dritte Halbzeit: Eine Bilanz (German Edition)
Vertrag unterschreiben, der nicht wirklich in seine Vorstellungswelt passte.
»Hättest du gedacht, dass ich für dich mal einen Vertrag über eine halbe Million Mark unterschreibe«, fragte er mehr sich selbst als mich. Das war entschieden mehr, als er für seinen Job bekam. Sein ehemaliger Kneipenwirt kassierte also mehr als doppelt so viel wie er, der Vollakademiker in Führungsposition – wahrscheinlich unvorstellbar für Prof. Dr. Gerhard Fuchs.
Das dürfte er mir nie vergessen haben – genauso wenig wie die gute Tat des Vatikan. Als 2006 Papst Benedikt XVI . Bayern besuchte, sendete das Bayerische Fernsehen quasi rund um die Uhr. »Wir haben halb Bayern ausgeleuchtet«, erzählte mir ein Regisseur. Hinter fast jedem Übertragungs wagen habe ein zweiter als Back-up gestanden, damit ja nichts schiefgehen konnte. Als Bilanz gezogen wurde, war Fuchs zwar dem Himmel ein Stück näher gekommen – die Kriegskasse des BR aber leer. Es rollte eine große Sparwelle durchs Haus.
Der geistige Beistand des Vatikans hatte ihm bereits vier Jahre davor bei der Wahl zum Intendanten nicht geholfen. Eigentlich stand er 2002 als Nachfolger von Scharf schon fest. Edmund Stoiber hatte sich klar positioniert. Und der Rundfunkrat war und ist fest in der Hand der CSU . Doch dort herrschte nicht Stoiber, sondern Alois Glück, Chef der CSU -Landtagsfraktion. Und der wollte Fuchs nicht. Sondern den Hörfunkdirektor Thomas Gruber.
Gewählt wird der Intendant vom Rundfunkrat. Die nume rische Mehrheit haben dort die sogenannten »Grauen«, die Ver treter gesellschaftlich relevanter Gruppen, wie es im Technokratendeutsch heißt. In Bayern waren diese »Grauen« zu dieser Zeit allerdings überwiegend schwarz eingefärbt. Und einer dieser Grauschwarzen war mein Spezi Josef »Dick« Deimer, fünfunddreißig Jahre lang CSU -Oberbürgermeister von Landshut, und damit der dienstälteste Rathauschef der Bundesrepublik. Als Vorsitzender des Bayerischen Städtetags war er Mitglied des Rundfunkrats. Ich kannte ihn seit vielen Jahren über Alois Schloder, deutsches Eishockeydenkmal und s päterer Sportamts leiter in Landshut, quasi der Franz Beckenbauer auf Kufen. Eines Tages ruft mich Dick an, wie ihn alle Welt nannte. »Ich soll mir im Auftrag der Grauen über die beiden Kandidaten ein Meinungsbild verschaffen. Du kennt die am längsten und besten, lass uns mal zum Essen gehen.« Gesagt, getan. Wir saßen ein paar Stunden zusammen, und ich erstellte nach bestem Wissen und Gewissen eine Pro-und-Contra-Liste von Gruber und Fuchs.
Wenige Tage später, ich liege mit meiner Frau am Strand auf Sardinien, klingelt mein Handy. Gruber ist dran: »Ich wollte dir danken.«
»Wofür?«
»Ich war mit Deimer beim Essen. Und als ich ihm gesagt habe, dass ich für den Intendantenposten kandidiere, obwohl der Stoiber nicht hinter mir steht und ich auch beim Fernsehen keine Freunde habe, hat er mich korrigiert. Er hat mir gesagt, dass du durchaus lobende Worte über mich geäußert hast. Dafür will ich Danke sagen.« Gern geschehen, lieber Thomas. Aber ich hatte auch nicht nur Negatives über Fuchs auf meine Liste gepackt.
Dann die Wahl. Als das Ergebnis verkündet wird, zuerst Totenstille, weil es niemand glauben will: Gruber gewinnt mit 26 : 21 Stimmen. Sensationell! Der Stoiber-Kandidat vergeigt! Viele sagen, dass sich hier schon die ersten Vorzeichen des folgenden Niedergangs des ehemals so mächtigen Vorsitzenden und Ministerpräsidenten abzeichneten.
Danach war beim BR vieles nicht mehr so wie vorher.
Für mich war mit dem Auslaufen meines Vertrages 2008 Schluss. Weder Intendant Gruber noch Fernsehdirektor Fuchs kümmerten sich um eine Verlängerung und sahen auch kei nen Gesprächsbedarf. Wenn wir in unserem Beruf nicht mehr miteinander reden, dann läuft was falsch.
Als Höhepunkt beziehungsweise Tiefpunkt nach zweiund dreißig Jahren beim BR ließ mich Fuchs aus der Sendung Sonntags stammtisch am 1 . Februar 2009 ausladen. Als Begründung gab der Sender an, dass Fuchs die Absage veranlasst habe – »aus dramaturgischen Gründen, um mehr Pep in die Sendung zu bringen. Waldemar Hartmann steht Monika Hohl meier politisch zu nahe, ihr Zusammentreffen beinhaltet zu wenig Spannung für die Sendung.« Monika Hohlmeier ist CSU -Europaabgeordnete und Tochter von Franz Josef Strauß. Sie ist also in der Partei, die Fuchs nicht als Intendanten haben wollte. Gut gebrüllt, Füchslein! Im Übrigen war ich als Gast für das Thema »Die Bundesliga vor der
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