Dritte Halbzeit: Eine Bilanz (German Edition)
Rückrunde« eingeladen. Geschenkt.
Stattdessen machte ich rüber und fand eine neue Heimat beim MDR in Leipzig, der, nebenbei bemerkt, nicht wie der BR die technische Entwicklung des letzten Jahrzehnts verschlafen hat.
Und mein Spezi Sigi Rappl? Der ist schon lange pensioniert. Vom Papst bekam er für seine missionarische Tätigkeit beim Bayerischen Rundfunk den höchsten Orden verliehen. Damit dürfte er sogar auf einem Pferd direkt in den Petersdom reiten.
So was hat die CSU von heute nicht zu bieten.
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ALPENREPUBLIK? GUTE IDEE!
Meine Begegnungen mit Franz Josef Strauß
Wie gesagt, so was hat die heutige CSU nicht mehr zu bieten – und erst recht nicht so einen wie Franz Josef Strauß. Ich war von Anfang an totaler Strauß-Fan, schon von Haus aus, denn mein Vater war zwar Arbeiter, aber großer Strauß-Verehrer. Obwohl in Nürnberg dreißig Jahre lang der legendäre SPD -Oberbürgermeister Andreas Urschlechter regierte, mit satten 60 -Prozent-Mehrheiten, und obwohl mein Vater als braver Arbeiter eigentlich zur klassischen SPD -Klientel gehörte, hat er CSU gewählt, weil er Strauß gut fand. Und ich war mit zwölf, dreizehn Strauß-Fan, weil ich meinen Vater gut fand.
Jahre später, in meiner Augsburger Kneipe, verkehrten alle nur denkbaren politischen Fraktionen. Mein bester Freund Hans-Roland war Jungsozialistenvorsitzender, und ein anderer Stammgast, Bernd Kränzle, war Bezirksvorsitzender der Jungen Union und später Staatssekretär im bayerischen Justizministerium. 90 Prozent meiner Gäste waren rot, ich galt als der schwarze Wirt, und ich habe das auch nicht versteckt, was allen gastronomischen Regeln widerspricht. Denn als Wirt solltest du so geschlechtslos und neutral sein wie nur möglich und nach allen Seiten offen.
Wir führten stürmische und turbulente Diskussionen da mals. Ich kann mich erinnern, bei der Brandt-Wahl Ende 1972 habe ich für Sonntagabend Freibier versprochen, weil ich si cher war, dass die Schwarzen mit Rainer Barzel gewinnen. Dann kamen die ersten Hochrechnungen, was damals ja noch gedauert hat bis sieben, halb acht Uhr. Und dann war schon absehbar: klarer Sieg für Willy Brandt. Jessas, das wird teuer!
Um acht Uhr abends haben die roten Spezln schon draußen gegen die Tür gebumpert: »Mach auf, schwarzer Hund!« Ich habe sie reingelassen, Freibier, und um neun bin ich einfach gegangen, aus meiner eigenen Kneipe, weil ich das Siegesgeheul nicht mehr ertragen konnte.
Und dann kam eines Tages der JU -Chef zu mir und sagte: »Waldi, du musst jetzt Mitglied werden, und du musst noch ein paar von deinen Gästen einsammeln, denn wir wollen unseren Kreisvorsitzenden loswerden.« Und so bin ich in die Junge Union eingetreten. In der blieb ich Mitglied, bis ich mit fünfunddreißig aus biologischen Gründen ausgeschieden bin, nämlich wegen Überschreiten der Altersgrenze. In die CSU bin ich aber nie eingetreten, auch wenn manche Leute das gerne annehmen. Bei der Wahlversammlung in einer gerammelt vollen Wirtschaft hat man mir gesagt: »Schau, das ist der, den wir loswerden wollen. Und das ist der, den wir wählen.« Dann haben beide geredet, erst der, der weg sollte, und dann der andere. Nach dem ersten Redner habe ich mich zu Wort gemeldet. Als Wirt und bunter Hund haben mich die meisten schon gekannt, und habe gesagt: »Wenn du in meiner Kneipe Geschäftsführer wärst und würdest so einen Rechenschaftsbericht ablegen, wäre dein Mantel jetzt schon auf der Straße, und du würdest hinterherfliegen.« Und alle so: »Jawoll! Bravo!«
Danach hat der Zweite geredet – aber nicht der, den sie mir zuvor als Kandidaten vorgestellt hatten, sondern komischerweise ein anderer. Das wurde in der Pause kurzfristig noch einmal geändert. Auf dem Klo. Man sieht: Ich habe die Politik ganz von unten kennengelernt. Der vom Klo ist dann auch gewählt worden, und ich bin sofort in den Vorstand gekommen – ein bisserl wie die Jungfrau zum Kind. Jedenfalls bin ich danach dreimal zu den Versammlungen gegangen. Und nach dem dritten Mal habe ich mir gedacht: Es geht im Endeffekt immer nur darum, wer wird was und wer darf nix werden. Es ging nicht ein einziges Mal um irgendeinen politischen Inhalt, nicht einmal um einen Gehsteig oder um ein neues Trambahnhäusl. Und dafür war mir meine Zeit zu schade, und mein Geld auch. Denn ich musste für diese Abende immer einen Geschäftsführer in meine Kneipe stellen, und der wollte natürlich bezahlt werden. Damals habe ich gemerkt: Wer einen anständigen
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