Dritte Halbzeit: Eine Bilanz (German Edition)
Redaktionsleiter netto rauskommt, ist so wenig – ich weiß am Ende nicht einmal mehr, was ich im Alten Simpl trinken soll. Für die Flasche Wodka reicht es jedenfalls nicht mehr. Und da habe ich noch nicht einmal eine neue Freundin eingerechnet, die ich vielleicht mal einladen muss.« Feller nickte verständnisvoll.
Was er auch verstanden hatte: Rolf Schmidt-Holtz, just in diesem Moment im Anmarsch auf Lillehammer, war im Begriff, das Fernsehgeschäft von Bertelsmann mit dem Bezahlsender Premiere zu übernehmen. Und Schmidt-Holtz wollte mich zu Premiere holen. Das war kein Bluff von mir, das war Tatsache. »Du bleibst hier!«, brüllte Feller. »Ja, Herr Feller, ich würde ja gern bleiben, deswegen sitzen wir ja jetzt hier.«
Als fest angestellter Redaktionsleiter gab es an meinem Gehalt nicht viel zu schrauben, da war selbst der Fernsehdirektor machtlos. Gott sei Dank hatte ich die Idee für eine neue Sendung namens Augenblicke , einen Dreißig-Minuten-Talk mit einem Prominenten – heute ein alter Hut, aber damals noch recht originell. Und wenn ich an der Produktion der Augenblicke beteiligt würde, könnte ich mir auf diesem Weg das Geld verdienen, um meine nächste Freundin ab und zu einladen zu können.
Nach einigem Hin und Her war Feller einverstanden: »Okay, ich erfinde was.« Also hat er damals die Postproduction erfunden, von der sich heute eine Reihe Fernsehmoderatoren mehr als redlich ernähren. Aber so weit waren wir noch nicht, damals am späten Nachmittag im Kufenstüberl von Hunderfossen. Trotzdem haben wir schon mal angestoßen, mit Wodka, und mehr als einmal. Am frühen Abend waren wir dann schon per Du. Aber Feller wusste auch, dass ich mich abends um halb zehn mit Schmidt-Holtz im Deutschen Haus in Lillehammer verabredet hatte. Und diesen Termin wollte er partout verhindern. Man weiß ja nie, was Waldi noch alles einfällt.
Also hat er sich gedacht: Den Hartmann saufe ich mit Wodka unter den Tisch. Das haben schon einige probiert, und gelungen ist es keinem. Auch Wolf Feller nicht. Die Frage nach dem Gewinner der Silbermedaille war schnell entschieden. Um neun Uhr brach der Fernsehdirektor zusammen. Ich habe den Fahrdienst geholt, ihn ins Auto gesetzt und ins Hotel fahren lassen. Nur seine Tasche hatte er vergessen, die blieb bei mir im Kufenstüberl. Ich schwöre: Ich habe sie nicht geöffnet, das macht man nicht. Aber da wären sicher ein paar schlaue Sachen dringestanden.
Nachdem ich den Fernsehdirektor ins Bett habe bringen lassen, bin ich halbwegs aufrecht ins Deutsche Haus zu meinem Spezi Schmidt-Holtz, der mich nach der WM im Sommer in Amerika zu Premiere holen wollte, dem heutigen Sky. Jetzt hatte ich zwei Alternativen in der Hand, Fellers Augenblicke -Deal und Premiere, was will man mehr?
Als der wiederbelebte Feller am nächsten Tag bei uns auftauchte, stellte er mir nur eine Frage: »Hast du in meine Tasche geschaut?« »Nein, ich schwöre.« An seine Idee mit der Postproduction konnte er sich noch erinnern. Und zu mir sagte er noch mal: »Mach keinen Fehler, geh nicht weg.« Also bin ich beim BR geblieben und habe es nicht bereut. Zumindest meistens.
Auch später hat Feller mit viel Engagement und maximalem persönlichen Einsatz für mich gekämpft. Als mir erneut recht interessante Angebote gemacht wurden, den Bayerischen Rundfunk zu verlassen, überzeugte er mich bei einem langen Gespräch mit viel Wodka und guten Worten, dem herrlichen weiß-blauen Sender treu zu bleiben. Weil sich das Gespräch dann doch ein bisserl in die Länge zog, hatte er seinem Chauffeur freigegeben. Ich wollte ihm noch den Schlüssel wegnehmen, aber der Herr Chefredakteur fuhr selbst heim nach Grünwald, dachte wohl, das ginge noch. Er überschätzte sich aber doch ein wenig, die Folgen waren 27500 Mark Geldstrafe, zehn Monate Fahrverbot und der obli gatorische Depperltest.
Wahrlich höchster Einsatz für meine Weiterverpflichtung, lieber Wolf, dafür noch mal vielen Dank! Du warst ein Mann! Dein Nachfolger Gerhard Fuchs war leider nur noch ein Männ chen.
Ich habe mich übrigens von meiner Frau heimfahren lassen. Und zwar live, und nicht aufgezeichnet.
Aber zurück in die frühen Jahre. Als ich Ende der Siebziger beim BR vom Radio zum Fernsehen wechselte, sollte sich mein »Wellnessbereich« nach Aussagen gewöhnlich gut informierter Kreise nicht wesentlich verändern. Der Umzug von der »Wohlfühloase« Funkhaus des Bayerischen Rundfunks in unmittelbarer Nähe des Münchner Hauptbahnhofs zum
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