Dritte Halbzeit: Eine Bilanz (German Edition)
Fernsehstandort »Sanatorium Freimann« im Norden der Stadt sollte also nur eine lokale Veränderung sein. Kenner allerdings warnten mich, dass diese BR -internen Begriffe aus der Gesundheits-und Rehasprache nur geschaffen wurden, weil beide Standorte den Mitarbeitern der Anstalt unterschiedliche Ruhezonen anboten.
In der Nähe des Funkhauses existierte damals noch die Pfälzische Weinstube, die in fünf gemütlichen Fußminuten zu erreichen war. Und um die Ecke bietet bis heute einer der gemütlichsten Biergärten der Stadt Platz, Speis und vor allem Trank für recherchemüde Funkhausmitarbeiter. Warum man Freimann ein Sanatorium nannte, verstand ich gleich beim ersten Besuch: Viel Wiese, Baumbestand und vor der einladenden Kantine mit großer Terrasse ein kleiner See. Es fehlten nur noch die Liegestühle.
Freilich, der See hatte nur symbolische Bedeutung für das reale Haifischbecken, in das ich da geraten war. Hereinspaziert auf den Jahrmarkt der Eitelkeiten und in die Arena der Wichtigtuer! Orientierung war zu Beginn oberstes Gebot. Wie so oft hatte ich Glück, denn der liebe Gott schickte mir einen seiner besten Diener. Im wahrsten Sinne des Wortes, denn Sigi Rappl, angesiedelt bei der Fernsehdirektion mit nicht genau definierten Sonderaufgaben, fand den Weg zur Anstalt aus dem österreichischen Kloster Stams, wo er die Priesterweihe schon hinter sich hatte und auf dem Weg zu einem Verkünder des Wortes Gottes war – bis er mehr und mehr den Drang ins sinnliche, weltliche Leben verspürte. Sigi verkündete mir die wichtigste Botschaft gleich nachdem wir uns kennen- und schätzen gelernt hatten: »Sag beim BR nix gegen Weihrauch und nix gegen Knoblauch, sonst hast gleich ausg’raucht.« Verstanden, Monsignore! Und dann ist es auch noch hilfreich beim Fortkommen, wenn du nicht mit der Staatspartei CSU im Krieg liegst. Welche Bedeutung die katholische Kirche und die christliche Partei für die Anstalt und ihre Insassen im Bereich Fernsehen hatten, kapierte ich schnell. Die erste Ehe des späteren Fernsehdirektors Prof. Dr. Gerhard Fuchs mit einer Tochter von Karlheinz Böhm sollte nicht lange halten. Die beiden ließen sich scheiden. Doch Fuchs, der Karriere machen wollte, befürchtete wohl, dass eine Scheidung auf dem Weg nach oben hinderlich sein könnte. So dachten damals im Freistaat Bayern noch viele Leute, die sonst aber bei klarem Verstand waren.
Da kam mein Spezi Sigi ins Spiel. Er ließ seine Drähte in den Vatikan glühen. Und, o Wunder, die Heilige Mutter Kirche annullierte die Ehe. Mit dem amtlich wieder unverheirateten Junggesellen Fuchs war ich mal befreundet. Zu der Zeit, als ich meine Kneipe Waldys Club in der Augsburger Stettenstraße betrieb, diente Gerhard an der jungen Universität der Fuggerstadt der Wissenschaft als Assistent. Ab und zu tauchte er auch in der Kneipe auf. Irgendwann verloren wir uns aus den Augen und trafen uns 1 979 beim Fernsehen wieder. Er wurde 1995 Fernsehdirektor beim BR , nachdem er zwei Jahre vorher in Hamburg als Chefredakteur von ARD -aktuell verantwortlich für Tagesschau und Tagesthemen gewesen war. Aus dem Hamburger Exil hat er sich ab und zu mal gemeldet und mir ans Herz gelegt, Augen und Ohren offenzuhalten und die Stimmung in der Partei aufzunehmen, wie die Chancen seiner Rückkehr zum BR stünden.
Ich leistete meinen Freundschaftsdienst, Sigi den seinen bei der Kirche – und eines Tages war die Rückkehr perfekt. Nach Fuchsens Wahl zum Fernsehdirektor 1995 saßen Sigi und ich in der Kantine. Und mein klerikaler Spezi stellte reichlich unromantisch fest: »Und jetzt, so meine Vermutung, wäre es ihm am liebsten, wenn wir zwei uns in Luft auflösen würden.« Den Eindruck konnte man gewinnen.
Selbst in meiner Zeit als Redaktionsleiter Sport des BR suchte Fuchs kaum noch Kontakt. 1997 reifte in mir der Entschluss, diese Position aufzugeben und einen freien Vertrag mit dem Bayerischen Rundfunk auszuhandeln. Der Schreibtisch war nicht meine Welt. Nach sechs Jahren hatte ich genug von Sitzungen, Konferenzen, Budgets und Reiseabrechnungen. Ich war ein Mann des Programms. Das erzählte ich genauso dem damaligen Intendanten Prof. Dr. Albert Scharf.
Der lächelte gütig und fragte: »Und Sie haben sicher einen Lösungsvorschlag?« Hatte ich. Logisch. Ich bekam den gleichen Vertrag wie Gerd Rubenbauer sechs Jahre vorher, den ich zu Beginn meiner Sportchefzeit für Rubi mit dem BR ausgehandelt hatte. Fuchs wurde vor vollendete Tatsachen gestellt und musste einen
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