Dritte Halbzeit: Eine Bilanz (German Edition)
Beruf hat, kann sich die Politik gar nicht leisten, Ausnahmen bestätigen natürlich die Regel. Und das war’s dann auch ein für alle Mal mit meiner politischen Karriere.
Wahrscheinlich war die Politik wirklich nichts für mich. Mein Sozifreund Roland und ich haben damals ganze Stammtische leer gepredigt mit unserem dauernden Politisieren. Irgendwann hat einer nach dem anderen die Flucht ergriffen, und wir sind allein dagesessen. War nicht so schön.
Wie gesagt, CSU -Mitglied war ich nie, aber Strauß-Fan bin ich immer geblieben. Und später beim Radio habe ich dann tatsächlich IHN kennengelernt: FJS himself, den Muhammad Ali der bayerischen Politik. Genauso schwarz, genauso groß, genauso gefürchtet. Übrigens: Bevor Strauß 1978 aus Bonn zurück nach Bayern kam, als Ministerpräsident und Goppel-Nachfolger, gab es tatsächlich eine Standleitung zwischen der Staatskanzlei in der Prinzregentenstraße und dem BR -Funkhaus am Hauptbahnhof. Was die Opposition immer nur vermutet hatte, war tatsächlich Realität.
Immer wenn am Dienstag Kabinettssitzung war, wurde danach die Standleitung aktiviert, und es folgte die Berichterstattung im Radio. Die lief nach einem wenig originellen und kaum variierten Schema ab: Um siebzehn Uhr legte der Moderator des Bayern-Magazins , Franz Josef Kugler, los: »In der Bayerischen Staatskanzlei begrüße ich jetzt den Regierungssprecher Dr. Schwabe. Grüß Gott, Herr Dr. Schwabe.«
»Grüß Gott, Herr Kugler.«
»Herr Dr. Schwabe, was hat der Ministerrat denn heute beschlossen?«
»Liebe Hörer, der Ministerrat hat heute beschlossen, dass …«
Dann wurde referiert, beinahe wie in der Aktuellen Kamera der roten Genossen von drüben – von der Umgehungsstraße zwischen Dingskirchen und Bummsbach bis zur Novellierung der Schiffsdieselverordnung.
Das Neue Deutschland im Radio.
Das Ende lautete immer: »Herr Dr. Schwabe, herzlichen Dank in die Staatskanzlei.«
»Danke, Herr Kugler.«
Unterwürfigst, Ihr Bayerischer Rundfunk.
Keine Fragen, nur Verlautbarungen. Damals war der BR tat sächlich noch so, wie man sich Bayern aus dem Königlich Baye rischen Amtsgericht vorstellt, mit dem Bayerischen Defilier marsch als Soundtrack. Alles war holzvertäfelt, auch so manche Köpfe – aber zugleich gemütlich, viel gemütlicher als heute.
Doch sogar Franz Josef Strauß war das Verlautbaren zu viel. Bei seinem Amtsantritt wollte er ganz neue, unerhörte Sitten einführen. Keine Standleitung mehr am Dienstag um fünf, sondern, Innovation!, eine leibhaftige Pressekonferenz.
Diese kühnen Pläne führten zu großer Aufregung in der Bayernabteilung des Bayernrundfunks. Es gab eine große Sitzung, bei der ein großes Problem zu diskutieren war: Wer geht ab sofort immer zum Strauß, wer übernimmt die Berichterstattung vom Herrn Ministerpräsidenten? In der Hierarchie lagen mindestens 90 Prozent des BR vor mir. Aber die wollten alle nicht zum Strauß. Sie haben sich nicht getraut. Es gab jede Menge faule Ausreden. Keiner wollte – und der Grund war ganz einfach, dass Strauß gefürchtet war, weil er alle gnadenlos abgebürstelt hat. Mit anderen Worten: Die hatten ganz einfach keinen Arsch in der Hose.
Und ich Jungspund mit meinen dreißig Jahren bin in dieser Sitzung gesessen und habe mir gedacht: Das gibt es doch nicht! Jetzt kommt der Strauß aus Bonn nach München, der Heiland steigt hinab zu den Irdischen – und keiner will mit dem lieben Gott sprechen. Die Kollegen haben die Möglichkeit, jeden Dienstag mit Franz Josef Strauß zu reden, und das macht keiner.
Gemeldet habe ich mich in der Sitzung aber auch nicht, das wäre zu unverschämt gewesen, ein zu eklatanter Verstoß gegen die Hierarchie. Als ob beim FC Bayern ein A-Jugendlicher sagt, er würde eigentlich ganz gern Libero spielen – statt dem Franz.
Es dauerte eh nur eine halbe Stunde, bis ich einen Anruf bekam: Ich soll dringend zum Kugler kommen, dem Mann mit der stillgelegten Standleitung.
Kugler zu mir: »Und, was sagst? Von dene Leffe (Löffel, im Bayerischen eine leicht abwertende, aber minderschwere Schmä hung) traut si koana zum Strauß. Traust du di?« Damals ist noch Bairisch geredet worden beim Bayerischen Rundfunk.
Hartmann traute sich. »Klar. Mach i.«
Und von da an bin ich jeden Dienstag, ausgestattet mit meinem Uher-Tonbandgerät, zur Audienz beim König von Bayern angetreten. Von meiner Zeit beim Schwabenspiegel kannte ich schon den einflussreichen Kultusminister Hans Maier, Professor Maier,
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