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Dritte Halbzeit: Eine Bilanz (German Edition)

Dritte Halbzeit: Eine Bilanz (German Edition)

Titel: Dritte Halbzeit: Eine Bilanz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Waldemar Hartmann
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Grundeis. Hatte mich der Doktor gelinkt? Hatte ich jetzt den größten Mist meiner TV -Karriere gebaut? Dann war endlich Pressekonferenz – und Rudi Völler, mein Freund Rudi, sprach die erlösenden Worte: »Ich trete zurück.«
    So leid es mir für ihn tat – aber wenn Rudi Völler doch noch auf die Idee gekommen wäre weiterzumachen, tja, dann wäre nicht seine Bundestrainerkarriere vorbei gewesen, sondern meine Laufbahn als Fernsehmoderator. Es konnte nur einer von uns beiden überleben an diesem Donnerstagmorgen in Portugal: Rudi oder ich.
    Für den Rest des Tages war ich der ARD -Held. Sogar Fassi hat telefonisch gratuliert. Wir haben den ganzen Tag durchgesen det bis hin zum ARD -Brennpunkt , live, gleich nach der Tages schau . Wobei ich vier Wochen später bei meiner Suspendierung feststellen durfte: Heldentum ist im Ersten Deutschen Fernsehen immer nur ein sehr kurzfristiges Vergnü gen. From Hero to Zero in Nullkommanix. Achterbahnfahren ist eine entspannte Angelegenheit im Vergleich. Trotzdem stan den meine beiden ganz persönlichen Olympiasiege noch vor der Tür – 2006 in Turin und 2008 in Peking mit Waldi und Harry . Aber diese Geschichten erzähle ich noch, nur etwas Geduld.

22
    ITALIA NOVANTA
    Rom, Reif, Rummenigge – meine WM ’ 90
    Die WM 1990 in Italien, als die deutsche Mannschaft unter Franz Beckenbauer kaiserlich spielte und den Titel holte, war die erste Fußballweltmeisterschaft, bei der ich fürs Fernsehen vor Ort dabei war – und für mich bis heute die schönste Sportveranstaltung meines Lebens. Italia Novanta war ein Traum.
    In Italien stimmte alles: sportlich, das Ambiente in diesem herrlichen, fußballverrückten Land sowieso und für mich beruflich. Mein Vorteil war: Der Bayerische Rundfunk war der federführende Sender für die Weltmeisterschaft. Vor so einem Turnier ist bei den Sendern ja immer das Gedränge groß, wer in die Mannschaft kommt. Aber ich war beim Federführer, und das war gut so. Damals gab es ja noch das sogenannte Sportcheffernsehen: Alle Sportchefs der ARD -Sen der durften die Sportschau moderieren – egal ob sie es konnten oder nicht.
    Die Plätze waren rar. Aber Eberhard Stanjek hat das geotaktisch perfekt gemacht. Als Programmchef hat er Michael Lion vom SFB genommen – damit waren die Berliner ruhiggestellt. Im deutschen Quartier war Jörg Wontorra. Und die Storymacher hießen Reinhold Beckmann, vor seinem Wechsel zu Premiere, und UIi Köhler. Moderiert haben Wontorra und Werner Zimmer. Und ich hatte die Mittagssendung – mit Wiederholungen, aber auch mit Schalten ins deutsche Quartier, mit Studiogästen, Rückblick, Vorschau und allen Schikanen. Unser neuer Experte war Karl-Heinz Rummenigge. Kalle war damals gerade mal vierunddreißig, frisch vom Fuß ballweltruhm zurückgetreten, ein Weltstar auf dem Weg zum Weltmann, und alle fanden ihn großartig, sogar die Kritiker. Er hat uns jeden Studiogast der Welt angeschleppt, er hat uns jede Tür geöffnet, er war Gold wert für unser Team. Im Vergleich zu ihm hat Otto plötzlich damals schon so alt ausgeschaut, wie er heute ist.
    Wir Fernsehmenschen wohnten alle im Hotel Leonardo da Vinci in Rom. Als kabarettistisches Element war Dieter Hildebrandt bei uns – als Konkurrenz zu Werner Schneyder beim ZDF . Auch eine sehr interessante Konstellation, vor allem abends in der Hotelbar. Schon damals gab es den fast zwanghaft neurotisch zu nennenden Versuch, Kabarett und Unterhaltung bei einem solchen Großereignis mit ins Programm zu nehmen. Gut gegangen ist es selten. Denn immer stand ein Warnschild daneben: Vorsicht, Satire!
    Die beiden waren natürlich gut. Und an der Bar ein Gewinn – weil vor allem Werner gerne mal einen Rotwein getrunken hat und ziemlich ärgerlich werden konnte, wenn er keinen anständigen Rosso bekam. Und das passierte tatsächlich. Denn eines Tages kam eine Zeitung mit einer fast unglaublichen Meldung raus: Die italienische Regierung hat beschlossen, dass an den Tagen, an denen Italien spielt, landesweit kein Alkohol ausgeschenkt werden darf.
    Skandal! Kein Dopingfall, kein Bundestrainerrücktritt hätte uns so nachhaltig erschüttern können wie diese Schreckens meldung vom landesweiten Alkoholverbot. Die Rückkehr der Prohibition! Vor allem Werner Schneyder war entsetzt. Wir hielten das für eine Ente. Denn das kann ja gar nicht sein. Kein Rotwein in Italien, das ist noch schlimmer als kein Bier in Bayern. Und wenn die Italiener in Neapel spielen – warum sollen dann wir in Rom nichts

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