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Drop City

Drop City

Titel: Drop City Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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Radarfallen, es waren überhaupt nirgends Bullen zu sehen. Nur die Landschaft zeigte ihre Krallen. Inzwischen wollten alle nur noch ankommen, nichts weiter.
    Vanderhoof, Smithers, Cranberry Junction, Johnson’s Crossing, Whitehorse, Marsh Lake, Destruction Bay, Burwash Landing, alles nur kleine Flecken auf der Karte, hallo und schon vorbei. Bei Wonowon sahen sie einen riesigen Sattelschlepper, dem der Auflieger seitlich weggerutscht war, im Schotter daneben lag ein hingestreckter toter Elch, und ein Kalb von der Größe eines Zugpferds sprang wahnsinnig vor Kummer um den Leichnam herum. An beiden Ufern des Donjek River brannte es, die Flammen rasierten die Baumwipfel ab, loderten hoch in den Nachthimmel, und kein menschliches Wesen war in der Nähe. In Haines Junction legten sie einen Boxenstopp ein und ließen aus Versehen Jiminy dort zurück, weshalb sie rund hundertfünfzig Kilometer zurückfahren mußten. Er stand immer noch an der Tankstelle, im Regen und mit ausgestrecktem Daumen, in den Augen einen Blick von geradezu kosmischem Unvermögen. Vor den Fenstern flitzten die Flüsse als graue Streifen vorbei: der Takini, der Goodpaster, der Tetsa, der Sikanni Chief, der Prophet, der Rabbit und der Blue River.
    Als sie Alaska gesund und munter erreichten, so unwahrscheinlich das beim Aufbruch gewesen sein mochte, der Bus immer noch auf seinen zehn Rädern dahinrollte und der Studebaker und Harmonys Käfer brav hinterherzockelten, während sie alle sangen, Sandwiches kauten und voller Hoffnung waren, da hielten sie am Straßenrand, bildeten einen Kreis, setzten sich hin, gaben einander die Hände, und Reba und Tom Krishna stimmten einen Gesang an. Das Ganze spielte sich an einem Ort namens Northway Junction ab, rund siebzig Kilometer hinter der Grenze und den Zöllnern, die in Flanellhemden herumgesessen hatten, Kaffee aus Styroporbechern schlürfend, und jedermann einfach durchgewinkt hatten: willkommen in den USA. Rebas Kinder hängten Gottesaugen auf, die sie aus Wollfäden und Zweiglein gebastelt hatten, und Alfredo zeichnete mit einem krummen Ast ein gewaltiges Mandala in die Erde, wobei er über dem Muster hin und her ging wie ein Wünschelrutengänger auf der Suche nach Wasser, bis es sich im hellbraunen Waldboden dunkel abzeichnete. Man entzündete Kerzen und Räucherstäbchen und ließ eine von Harmonys großen getöpferten Bongs herumgehen.
    In der Luft lag der schwere Duft von regensatter Vegetation, von Waldbeeren im Überfluß und einer Sonne, die all diese Feuchtigkeit aufsog und sie dann wieder zurückgab, jeden Tag von neuem. Es war ein Duft, der Marco in seine Kindheit an der Ostküste zurückversetzte, und erst jetzt wurde ihm klar, daß dies nicht mehr der Westen war, das war nicht Kalifornien oder Oregon – das hier ähnelte sehr stark der Gegend, in der er aufgewachsen war, es waren die endlosen Mischwälder des Nordostens, die sich bis hier hinauf erstreckten, wo der Erdball sich gegen den Pol hin allmählich verjüngte. Er erinnerte sich daran, wie er im College In den Wäldern von Maine von Thoreau gelesen und sich gewundert hatte, daß es in Maine offenbar noch vor hundert Jahren Karibus gab, die dort zwischen den Fichten und Laubbäumen umherwanderten – und nun befand er sich auf einmal an einem Ort, an dem es immer noch Karibus gab, an dem die Kette noch nicht unterbrochen war. Er war von dem Gedanken wie benommen und schlenderte ein paar hundert Meter die Straße hinauf, wobei er fast damit rechnete, unterhalb der Böschung gleich eine Herde von ihnen zu entdecken. Dann ging er zurück und nahm seinen Platz im Kreis wieder ein.
    Er saß noch keine zwei Minuten dort, nahm gerade die Bong von Maya entgegen, tat pflichtschuldig einen Zug und reichte sie weiter, als Star hinter ihnen auf die Lichtung trat, ein Büschel Wildblumen im Arm, lächelnd und mit gerötetem Gesicht; er sah ihr zu, wie sie um die Gruppe herumtanzte und ihre Blumen verteilte, und dann ließ sie sich neben ihm nieder, ein Zweiglein lavendelfarbenes Kreuzkraut hinter jedem Ohr, und wie hieß der Song noch gleich, bei dem er jedesmal die Zähne zusammenbiß, wenn er ihn hörte? – irgendwas über going to San Francisco with flowers in your hair ? Wer diesen jämmerlichen Mist auch getextet hatte, er sollte Star in diesem Augenblick mal sehen, dann hätte er vielleicht etwas über Blumen und Haare dazugelernt.
    Sie trug ein blauweißes Großmutterkleid, das ihre Augenfarbe betonte, und der Stoff spannte sich an ihren

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