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Drop City

Drop City

Titel: Drop City Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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Pamela ging. Zusammen kochten sie Mittagessen, eine dicke Suppe mit Eiernudeln und gut abgelagertem Gemüse aus der Harderschen Speisekammer, und dann machten sie es sich am Ofen zum Lesen gemütlich. Obwohl sie es nicht besprochen hatten, waren sie irgendwann am vergangenen Abend telepathisch zu der Vereinbarung gekommen, daß Star bei Pamela bleiben würde, bis ihre Männer von der Fallenstrecke zurück wären. Star hatte abgewaschen und abgetrocknet – hatte darauf bestanden – und ließ Pamela am Fenster lesen, während sie die Sachen zurück in die Regale räumte. Dabei verspürte sie Stolz – sie kannte das Haus schon so gut wie ihr eigenes. Und die Pfannen blitzten, als sie fertig war.
    Nach einer Weile wechselte sie vom Stuhl auf das Bett und legte sich ein Fell über die Beine. Sie fühlte, wie Nikotin und Koffein an den Innenwänden ihrer Blutgefäße dahinzischten, aber sie litt nicht an Nervosität oder dem Kaffeetatterich, sie war nur abgeklärt, ruhig und wachsam. Zum Lesen hatte sie Been Down So Long It Looks Like Up to Me von Richard Fariña mitgenommen, das irrwitzigste Buch momentan, heiß empfohlen von allen, die Ausgabe hatte überall Eselsohren und sah so mitgenommen aus, daß es ohne Frage das jämmerlichste Exemplar der Bibliothek von Drop City war. Es war nicht übel. Witzig und wild. Aber die Szene, die da beschrieben wurde – College, Drogen, ein Schlag ins Gesicht der Spießerwelt –, kam ihr inzwischen äußerst fremd vor. Oder fern, das war wohl ein besseres Wort. Es dauerte nicht lange, da war sie eingeschlafen.
    Sie erwachte bei Lampenlicht, vom Duft nach Gebackenem. Pamela stand am Ofen, das hochgebundene Haar schimmerte im flackernden Puls des Lampendochts. Hinter den Fenstern war alles schwarz. Ein ferner Ruf ertönte dünn und körperlos aus den Hügeln herab und wurde von da und dort beantwortet. »Wie spät ist es?« fragte Star und stieß sich vom Kissen hoch. Es kam ihr vor, als hätte sie Ewigkeiten geschlafen.
    »Noch recht früh. Viertel nach vier.«
    »Daran gewöhn ich mich nie.«
    Pamela nahm etwas aus dem Ofen – einen Kuchen auf einem runden Blech – und hielt kurz inne, das heiße Blech vor sich, der süße, alles durchdringende Duft erfüllte den Raum bis in die hintersten Ecken, um Star über die Schulter zu mustern. »Du gewöhnst dich dran«, sagte sie. »Glaub mir.«
    Sie aßen Kuchen – es war ein süßer Biskuitkuchen, kaum ausgekühlt, mit Schoko-Karamel-Glasur –, als sie die winzige Veränderung im Tenor der Nacht wahrnahmen, ein kaum hörbares Klirren vom Metall eines Hundegeschirrs, ein Geräusch, als ob die Erde einmal ein- und wieder ausatmete, und dann sprangen sie vom Tisch auf und standen in der offenen Tür des Trampelkorridors, spähten auf den mondbeschienenen Vorplatz hinaus. Die Männer waren zurück – Marco und Sess –, mit ihrem geduldigen Hundegespann, das noch angeschirrt war, aber darauf gierte, losgebunden und angeleint und gefüttert zu werden. Pamela ging kurz noch einmal hinein, um den Kessel aufzusetzen, Star begleitete sie, um ihren Parka zu holen, und im nächsten Augenblick waren die beiden wieder draußen im Mondlicht, wo der Schock der supragekühlten Luft ihnen das Nikotin aus den Lungen ätzte.
    Eine rasche Umarmung, ein Mann, eine Frau, dann war Pamela unten bei den Hunden, band einen nach dem anderen aus dem Geschirr und führte jeden zu seiner Hundehütte und seinem eigenen Anleinpflock. Star stand in der Kälte da und hüpfte von einem Fuß auf den anderen, wollte gern helfen beim Gestalten des Übergangs von der Wildnis zu Heim und Herd, zu Kuchen und Essen und Trinken und Geschichten und irgendwann zu Liebe, aber sie kannte die Hunde nicht, wußte nicht, was mit ihnen anzustellen war, also hielt sie sich zurück und wartete. Eines der Tiere, das immerhin bemerkte sie, war verletzt und hatte die Rückfahrt oben auf dem Schlitten verbracht, der im übrigen stark überladen schien, irgend etwas war dort viel zu hoch aufgestapelt, und wo waren eigentlich die Pelze? Sie hatte sich auf diese Pelze gefreut, so wie vielleicht die Frau eines Goldsuchers schon den Napf mit Nuggets vor sich gesehen hätte, die ihr Mann den verborgenen Säumen der Berge entlocken würde – mit anderen Worten: kein Gedanke an das Sterben der Tiere und den Ablauf ihres Leidens, denn daran wollte sie nicht denken, wollte es nicht wissen oder sich auch nur vorstellen. Die Pelze, nur die Pelze interessierten sie. Ihre Schönheit und Weichheit,

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