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Drop City

Drop City

Titel: Drop City Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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waren immer dreckig, verdreckt geboren –, und sie blickte beiseite, versuchte sich zu sammeln. Sie fuhr mit dem Finger den Rand der Tasse entlang und schaltete ihr Ein-Millionen-Kilowatt-Lächeln ein, und obwohl sie eigentlich Nein, o nein! sagen wollte, so wie sie auf die Neuigkeit von Krebs, gebrochenem Herzen und auf sonstige Fälle von Kummer und Leid reagiert hätte, gelang es ihr schließlich, etwas Angemessenes zu murmeln, oder wenigstens etwas Gutwilliges. Und dann, noch ehe sie nachdenken konnte: »Hast du ... ich meine, wolltet ihr ...?«
    Pamela sah ihr kurz in die Augen und brach dann in Gelächter aus – sogar ihre Tasse stellte sie ab, weil sie so lachen mußte, ihre Augen waren zu Schlitzen zusammengepreßt, und mit den Händen fuhr sie sich an die Schläfen, wie um mit Mühe den Kopf zwischen den Schultern zu halten. »Man könnte meinen, ich hätte gerade verkündet, daß uns das Dach über dem Kopf abbrennt, so wie du mich anschaust – wirklich, Star, du solltest dich mal sehen.« Sie lachte noch einmal laut auf und schlug klatschend mit der Hand auf das Resonanzbrett des Tischs. »Meine Güte, bist du witzig.«
    Star lachte ebenfalls, ließ sich darauf ein – na schön, in Ordnung, dann machte sie eben mit –, aber noch während sie lachte, während sie gemeinsam lachten, dachte sie an sich und daran, was sie tun würde, wenn sie an Pamelas Stelle wäre. Sie hatte sich mit Antibabypillen eingedeckt – alle hatten das getan, es war Rebas Idee gewesen, vielmehr ihre fixe Idee –, trotzdem hatte sie vor einigen Wochen die letzte aufgebraucht. Wenn sie und Marco sich jetzt liebten, dann war es immer ein sehr behutsamer, beklommener Akt, über dem ständig die Bedrohung der Konsequenzen schwebte, und er zog sich im kritischen Moment regelmäßig aus ihr zurück – Coitus interruptus –, als ließe sich das Unvermeidliche damit umgehen, aber wie viele ihrer Klassenkameradinnen damals auf der katholischen Mädchenschule hatten davon schon ihr zweites oder drittes Kind? Sie würde sich umbringen. Es abtreiben lassen. Aber wo? Wie? Jemand hatte erzählt, die Indianerinnen wüßten eine Methode, irgendeine Wurzel, aus der sie einen Tee kochten, oder vielleicht machten sie auch einen Wickel daraus, der einem den Fötus herauszog wie den Eiter aus einer Infektion ...
    »Weißt du, eigentlich gratuliert man bei so einer Neuigkeit. Eigentlich solltest du quietschen und herumhüpfen – wir sollten beide miteinander quietschen und herumhüpfen. Ich kriege ein Baby! Du bist die erste, der ich das erzählt habe, und du siehst aus, als hättest du mich gerade in einem Sack eingenäht im Fluß gefunden.«
    Star wollte eine Zigarette. Die erste dieses Tages hatte sie schon hinter sich, aber sie versuchte, weniger zu rauchen, nicht nur weil es Geld kostete und weil die Brüder und Schwestern einen pausenlos anschnorrten, sondern weil es eine Sucht war, und sie wollte nach nichts süchtig sein, höchstens nach Liebe und Güte. Pamelas Schachtel Marlboro lag auf dem Tisch. Star zog eine Zigarette heraus, zündete sie an und stieß den Rauch aus. »Tut mir leid«, sagte sie. »Es ist nur so, daß ich mir das nicht vorstellen kann – also für mich, ja? Ich meine, ich hab noch so viel vor ...« Aber das klang falsch – es war auch falsch. Sie versuchte sich wieder einzukriegen, weil Pamela – ihre Freundin, ihre Schwester – jetzt nicht mehr lachte. »Willst du einen Jungen oder ein Mädchen?« fragte sie endlich.
    Pamela sprang sofort darauf an, alles war wieder paletti, sie freute sich, strahlte vor Glück. Sie wollte ein Mädchen, konnte sich gar nichts anderes vorstellen, aber als sie und Sess mal darüber gesprochen hatten – damals noch rein theoretisch –, da war ihm ein Junge lieber gewesen, was ja nur logisch schien. Er kehrte es nicht so hervor, aber er hätte gern eine neue Generation in Alaska gesehen, natürlich war ihm das wichtig, und einem Jungen würde er alles beibringen können, was er über das Land und den Respekt davor gelernt hatte. »Sess hätte gern einen Jungen«, sagte sie und nahm jetzt auch eine Zigarette aus der Packung. »Aber das hat mein Vater auch immer gesagt.«
    »Und der hat zwei Mädchen gekriegt.«
    »Genau.«
    Und dann lachten sie doch wieder miteinander.
    Sie rauchten ihre Zigaretten und hingen ein paar privaten Gedanken nach, tranken noch einen Kaffee, spielten eine zweite Partie Schach – die Star gewann – und dann das Entscheidungsmatch, das wieder an

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