Drop City
Geselligkeit. Hier gab es Menschen. Brüder und Schwestern. »Ach, der kommt schon«, wiederholte sie. »Da bin ich mir sicher.«
Nach dem Essen tauchten Verbie und Iron Steve auf und dehnten damit die Party auf Boynton aus, und sie tanzten, alle tanzten, ganz Drop City, sogar Che und Sunshine, und niemand nörgelte herum und log und betrog und prahlte und stahl und nannte alles lahm, niemand. Um Mitternacht stieg Bill aus dem Loft herunter, verkleidet als Weihnachtsmann mit Wattebauschbart, und noch das letzte Stück roter Stoff, das auf Drop City aufzutreiben war, schmückte seine massige Gestalt, und er verkündete, er habe ein Geschenk für sie alle, gleich draußen vor der Tür. Die Leute ächzten und wechselten fragende Blicke. Draußen? Man murrte und äußerte laut seinen Unwillen. »Ist der noch zu retten?« meinte Merry.
»Glaubt mir«, lockte Bill, »ihr werdet voll drauf stehen.«
Star fühlte sich schweben, sie saß gemütlich zwischen Marco und Pamela auf dem Bett gleich neben dem Ofen, satt und warm, und ließ sich von der Musik durchdringen. Seit einer Stunde hatte sie kein Wort gesagt. Ihr tat Pamela leid, weil Sess immer noch nicht aufgetaucht war, und das war der einzige Wermutstropfen des Abends – das einzige, was uncool war, was abturnte, das einzige, was nicht so funktionierte wie geplant. Pamela machte sich Sorgen, das sah Star, und während die Stunden verrannen, hatte sie irgendwann alle üblichen Sachen schon gesagt, so daß es nichts mehr zu sagen gab, und dann ging ein Joint herum, dann eine Flasche Wein, und sie lehnte sich gegen Marco und ließ sich schweben. Jetzt aber, jetzt stand Bill mitten im Zimmer – es war Weihnachten, es gab eine Überraschung, ein Geschenk. Für alle, hatte er gesagt.
Es dauerte eine Weile, die Leute schlüpften in ihre Jacken und Stiefel, suchten in dem Gewirr aus Mänteln auf dem Loft nach Handschuhen und Schals, dann aber traten sie einer nach dem anderen durch die Tür in die Kälte hinaus. Bill ging voran. Er stand auf dem Platz vor dem Versammlungsgebäude, der Weihnachtsmann mit seiner verfreakten Matte auf dem Kopf und dem Wattebart, die Arme hoch erhoben. Es war ein klarer Himmel und so kalt, daß sogar die Sterne an den Zähnen frieren mußten. »Da ist es!« rief er, und sie sahen empor zu dem Licht, das dort oben pulsierte, kosmisches Licht, gelbgrün und blau, mit Spuren von Rot darin, ein unermüdliches Glühen, ein Licht, das aus der schwarzen Hülle des Horizonts hervorstob und explodierte und zerstob und sich ständig erneuerte.
34
Er war so schnell unterwegs, wie er nur konnte, der Sturm hatte sich gelegt, der Viertelmond schob sich durch die Wolkenfetzen und erhellte seinen Weg. Er hatte den Wind im Gesicht, die Kälte fuhr auf seinen Schultern mit wie ein Anhalter. Man hörte das Wispern der Kufen im frischen Pulverschnee und das leise, vom Wind verblasene Klirren der eiskalten Stahlbeschläge in den Geschirren der Hunde. Er war spät dran, sehr spät, und er hatte noch knapp zwanzig Kilometer vor sich, dabei dachte er an Pamela, die im Camp der Hippies auf ihn wartete, an Weihnachten und an das Geschenk, das er schon in der hinteren Hundehütte versteckt hatte, als sie noch nicht seine Frau, sondern nur eine vage funkelnde Hoffnung am Horizont gewesen war. Jetzt lag es im Schlitten, eingewickelt in buntglitzerndes Papier mit Kerzen und Glöckchen und Stechpalmenzweigen und solchen Sachen drauf, er hatte es vor drei Tagen hineingemogelt, als Pamela am Morgen noch in Pantoffeln herumging und es noch gar nicht hell am Himmel war. Er hatte die Hunde angeschirrt, ihr an der Tür noch einen Kuß gegeben, dann war er über den Hof und in den Wald hineingefahren, ein Versprechen zurücklassend: in drei Tagen, zu Weihnachten, beim Hippiecamp.
Die Hunde wußten, daß es nach Hause ging, sie waren nur noch zu sechst, weil Sky nie wieder würde rennen können. Sie liefen als Team, so flüssig und gut aufeinander abgestimmt wie das Räderwerk einer Lokomotive, und sie schienen sich kaum bewußt, daß er bei ihnen war. Sie legten gut fünfzehn Kilometer pro Stunde hin, schätzte er, also dürfte er bald dort sein – zu Mitternacht ungefähr, nach den Sternen zu urteilen. Sein Geschenk hatte er weder selbst hergestellt noch gekauft, denn so etwas konnte man nicht per Post bestellen oder in einem Laden finden. Es war ein Geschenk der Natur, so wie die Pelze, die Lachse, die Elche, so wie das Gold. Er hatte es eines Tages nach der Eisschmelze aus
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