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Drop City

Drop City

Titel: Drop City Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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ihm einfach einen Joint an die Lippen und sank dann zurück in die Kissen, als wäre nichts geschehen.
    Und so war es ja auch. Niemand schien es zu bemerken oder sich drum zu kümmern. Zu Sky Dog hatte sich jetzt ein zweiter Gitarrenspieler gesellt, und sie arbeiteten sich durch die stetigen, stockenden Modulationen eines Blues. Eine Frau mit nacktem Oberkörper, die bisher noch keiner gesehen hatte, stand auf und fing an, mit den Hüften zu wackeln und ihre gewaltigen Brüste im Rhythmus der Musik zu schwenken; es dauerte nicht lange, da erhoben sich auch ein paar der ständigen Mitglieder der Kommune und taten es ihr gleich, wiegten sich im Takt und schlängelten die Arme in die Höhe wie Hindu-Mystiker.
    »Touristin«, sagte Ronnie, und die Silben perlten ihm hart und trocken über die Zunge. »So ein Wochenendhippie.« Er trug ein T-Shirt aus Baumwolle, das Star an ihrem ersten Tag hier für ihn gebatikt hatte, mit orangefarbenen Supernovä, die in Galaxien von tiefem Rosa und Lila explodierten, und als er sich zu der neuen Frau umwandte, ließ das Licht seinen Bart zur schimmernden Aura werden. »Aber du bist keine Touristin«, sagte er. »Stimmt’s, Merry?«
    Merry lehnte sich gemütlich in seine Ellenbeuge. »Ich geh nie wieder zurück«, sagte sie, »das kann ich euch versprechen.«
    »Genau«, sagte Ronnie, »genau, denk nicht mal dran.« Dann legte er den freien Arm um Stars Schultern und drückte sie kurz, er sagte: »Hey«, ganz mitgerissen von der bedächtigen Motorik des Moments, »wollen wir nicht runter zum Fluß, uns eine Decke unter den Sternen ausbreiten und eine Nummer schieben – wir drei hier, meine ich? Hast du das drauf?« Sein Blick lag auf der tanzenden Frau, folgte ihren Kurven hinauf und hinunter. »Das wär doch echt riesig, oder?«
    Und nun die Wahrheit: Star hatte es nicht drauf. Und entgegen allem, was sie sich vormachte, hatte sie es auch in jener Nacht im Tipi nicht draufgehabt. Das war Ronnie gewesen. Ronnie hatte auf sie eingeredet, bis sie sich vor dem anderen Typ ausgezogen hatte – oder nein: Ronnie hatte sie so lange beschämt, bis sie es tat. »Du willst doch keine verklemmte bürgerliche Fotze sein wie deine Mutter, oder etwa doch?« hatte er gefragt, ein grimmiges Raunen in ihrem Ohr. »Oder wie meine Mutter, Scheiße noch mal. Komm schon, das geht in Ordnung, der menschliche Körper ist schließlich was völlig Natürliches – ich meine, was soll denn das?«
    Der andere Typ – seinen Namen hatte sie nie erfahren – glotzte sie an wie einen Film, den er zum erstenmal sah. Er hockte im Yogasitz da, die reinste Verkörperung von Frieden und Liebe, aber es war klar zu sehen, daß er innerlich total verbiestert war. Er hatte etwas Angestrengtes, geradezu Irres an sich. Sie spürte es, irgendeine schlechte Aura, aber dann sagte sie sich, sie sei vielleicht nur etwas paranoid vom Peyote. Also legte sie sich zurück, kreuzte die Knöchel und starrte ins Feuer. Einen ewigen Moment lang sprach niemand. Und als sie endlich wieder aufsah, waren die Augen des Tipi-Typs so hell, daß gar keine Iris mehr zu sehen war, oder fast keine. Ronnie drehte einen Joint und half ihr, die blaue Jeansjacke abzustreifen, auf deren Ärmeln und Schultern sie alle zwölf Sternzeichen aufgestickt hatte, er selbst stand schon in der Unterhose da, der Tipi-Typ – nein, der Freak , der Tipi- Freak , denn Ronnie verbesserte sie dauernd und meinte, man sagt nicht Typ zu Männern, man nennt sie Freaks – trug eine Art Lendenschurz, und sie war bis zur Hüfte nackt. Das Feuer flackerte auf den Wänden, und der Rauch ringelte sich durch das Loch in der Spitze.
    »Genau wie die Sioux an den Hängen des Little Big Horn, was, Alter?« sagte Ronnie und gab den Joint weiter. Und dann schien die Zeit zu wabern, alles funkelte rot, blaugrün und golden, Ronnie lag auf ihr, und der Tipi-Typ sah ihnen zu, aber es war ihr egal, oder doch nicht, aber es ging schon. Sie machten es auf einer Indianerdecke, und dieser Freak sah zu, aber es war Ronnie, und sie paßte perfekt in die Konturen seines Körpers, kannte seine Schultern und seine Zunge und seine Art, sich zu bewegen. Ronnie. Pan. Von zu Hause. Dann aber rollte er von ihr runter, saß eine Minute lang da und murmelte: »Wow, echt stark, Mann«, schwer atmend, mit Schweiß auf der Stirn und einem winzigen Tröpfchen davon an der Nasenspitze wie ein kleines Juwel, machte eine Handbewegung in Richtung des Tipi-Typs und sagte: »Nur zu, Alter, es ist

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