Drop City
fettigen Haaren, der vielleicht auch noch schielte und sonst, nach anderen Regeln, einfach nie jemanden zum Vögeln finden würde, und das war nicht ihr Ding, nicht heute nacht, nicht mit Ronnie und Wie-hieß-sie-noch-gleich?
»Nein, Ronnie«, sagte sie, nahm seinen Arm von ihren Schultern und ließ ihn fallen wie die tonnenschwere Last, die er war, » nein! « Sie war jetzt auf den Beinen, sah auf ihn hinab, auf den kleinen hellen Fleck seines Gesichts und auf die Frau, die zu ihr emporstarrte und deren Lächeln erstarb wie bei einem Stromausfall. »Die Kerista-Gesellschaft interessiert mich einen Dreck. Ich geh jetzt ins Bett. Und nenn mich nicht so.«
Er war gekränkt, vernichtet und klammerte sich an die neue Frau – Merry, so hieß sie, Merry –, als wäre sie ein Koffer auf hoher See und sein Schiff soeben gesunken. »Wie?«
Brüste klatschten, der kleine Schwanz schlenkerte, die Leute schlugen sich Tamburine gegen die Handflächen, und der Qualm von Gras und Räucherstäbchen waberte über den Boden. »Nenn mich nicht Paulette«, sagte sie, und dann war sie weg, ihre bloßen Füße suchten sich einen Weg durch die wogenden Hüften und nackten Gliedmaßen ihrer Brüder und Schwestern.
Es war ein anderer Morgen. Dieser kam mit einem Glühen über die Baumwipfel, das ganz natürlich war, weil sie seit drei Tagen nicht mehr high gewesen war, denn Ronnie war schwer beschäftigt mit Merry und der Frau mit den großen Brüsten, die siebenundzwanzig war und als Sekretärin bei irgendeiner Spedition arbeitete. Sie hieß Lydia, und sie fand auf Drop City eine oder auch mehrere gastliche Matratzen, woraufhin sie gleich beschloß, zu bleiben und auf ihren Job, die Plastikwelt, ihre riesigen, ins Fleisch schneidenden BHs, die Haarnadeln, das Make-up und den Rest zu scheißen. Star war das gleichgültig. Es war ja nicht so, daß sie in Ronnie verliebt war oder so. Er kam nur eben aus demselben Ort wie sie, und sie waren so lange gemeinsam unterwegs gewesen, durch das weite flache Becken von Iowa, das gelbe Nebraska, durch New Mexico in seinem Mantel aus bröckligem Braun und das ziegelrote Arizona, und dabei hatten sie zu den Stones mitgesungen: Under My Thumb, Goin’ Home, home, home, home . Das war schon was. Sicher doch. Aber während sie den Melkeimer unter die erste Ziege bugsierte, wurde ihr bewußt, daß sie zum erstenmal, seit sie sich überhaupt erinnern konnte, ein richtig gutes Feeling hatte, sauber und rein und gut, kein Streß, kein Nerv.
Der Augenblick war elektrisierend, und sie spürte ihn durch die nackten Fußsohlen hindurch, durch jede Pore ihres Körpers: so hatte sie sich das Leben vorgestellt, als sie von zu Hause wegging, ein Leben in Frieden und Gelassenheit, ein Leben in Liebe und Meditation und Vertrauen auf das Einfache, keine Verstellung, keine Spielchen, keine Plastikbegierde auf der Jagd nach dem Dollar. Ihre erste Ahnung, wie so etwas sein könnte, hatte sie schon zu Hause bekommen, wo Ronnie ein paar Leute kannte, die eine Reihe von Steinhäuschen mitten im Wald gemietet hatten, etwa anderthalb Kilometer von der Schnellstraße entfernt. Ronnie und sie gingen damals fast jeden Abend rüber, sogar wenn sie am nächsten Morgen aufstehen und arbeiten mußte, weil sie noch bei ihren Eltern wohnte, aber bei diesen Leuten konnte man so wunderbar die Seele baumeln lassen. Die Bewohner der übrigen Häuschen versammelten sich meist im letzten der Reihe – es gehörte zwei Schwestern aus Florida, JoJo und Suzie –, weil es das größte war und einen gemauerten Kamin besaß, den Suzies Freund ständig befeuerte.
JoJo war schon älter, vierundzwanzig oder fünfundzwanzig, und hatte eine Zeitlang bei einer Kommune in Vermont gelebt, die sich Further nannte, und an guten Abenden, wenn nicht alle so stoned waren, daß sie wortlos in die Kissen auf dem Boden sanken und sich völlig dem Puls der Stereoanlage überließen, schwelgte JoJo in Erinnerungen. Sie war mit sechzehn Jahren dorthin gekommen, von zu Hause davongelaufen, hatte sich mit einem der Freaks zusammengetan und war drei Jahre geblieben. Beim Erzählen drehten sich ihre Augen nach innen, und die Asche ihrer Zigarette wurde weiß. Sie saß oft am Küchentisch und erzählte Star davon, wie es war, mit Menschen zusammenzuleben, die einen Tag und Nacht echt anturnten, mit mystischen Brüdern und Schwestern, die wirklich für einen bestimmt waren, extra ausgesucht auf der weiten Welt, und von den einfachen Freuden beim Brotbacken, beim
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