Drop City
okay ...«
Draußen, am Eingangstor der Drop City Ranch, war ein Sperrholzschild windschief an den Querpfosten genagelt: Keine Männer, keine Frauen – nur Kinder . Genau darum ging’s, dachte sie, sie waren nichts als Kinder in einer Welt zum Anfassen und Immer-wieder-Anfassen. Ronnies Arm lag wie etwas Lebloses auf ihr, wie ein Zwei-Tonnen-Gewicht, ein gefällter Baumstamm, der sie vom Hals abwärts niederdrückte. Die große Frau tanzte immer noch oben ohne. Got to keep movin’ , sang Junior Sky Dog, movin’ on down the line .
»Also, was sagt ihr dazu?« wollte Ronnie wissen. Sein Gesicht war nur Zentimeter von ihrem entfernt, der helle Pelz seines Barts, die baumelnden Haarsträhnen. In seinen Augen verliefen feine Bruchlinien, als wären es Keramikplättchen, die in den weißen Schimmer hineingehämmert und dann in tausend Stücke zerschlagen worden waren. Sie sagte gar nichts, also wandte er sich an Merry, und Star beobachtete das Gesicht der neuen Frau.
Merry hatte ihre eigene Version des Ein-Millionen-Kilowatt-Lächelns, breit und hübsch, und sie zeigte jede Menge Bein in ihrem hellgelben Minikleid, das den Eindruck machte, als wäre es monatelang nicht in der Wäsche gewesen. Sie sah erst zu Ronnie und dann kurz direkt in Stars Augen, ehe sie den Blick durch den Raum schweifen ließ, als wäre sie viel zu bekifft, um es wichtig zu nehmen, aber sie nahm es wichtig, sehr wohl – das sah Star an der unsicheren Art, wie sie leicht den Kopf senkte und am Saum ihres Kleids zupfte, an dem dunklen Dreckrand dort, weil sie an der Stelle schon tausendmal gezupft hatte. »Ich weiß nicht«, sagte sie, ihre Stimme ein Lufthauch. Dann zuckte sie die Achseln. »Wieso nicht?«
Die beiden blonden Kinder tanzten jetzt auch, der vier- oder fünfjährige Junge mit dem leeren Blick und seine kleine Schwester, sie sahen auf ihre Füße, keinerlei Rhythmusgefühl, nicht die Bohne, und der kleine Pummelpenis des Jungen flog wie ein Metronom zu einem völlig eigenen Takt hin und her. »Cool«, sagte Ronnie. Dann wandte er sich wieder zu ihr um, zu Star, und fragte: »Was ist jetzt, Star, was meinst du?«
Sie antwortete: »Ich glaube nicht. Nicht heute abend. Ich fühl mich irgendwie – ich weiß nicht, komisch .«
»Komisch? Was zum Teufel meinst du damit?« Ronnies Augenbrauen ringelten sich, und sein Mund war zu einem kleinen Loch geschrumpft – diesen Blick kannte sie. Obwohl er sich kaum bewegt hatte, obwohl er für alle Welt der hipste, coolste, am wenigsten verklemmte Blumenkinder- Freak im ganzen Universum blieb, plusterte er sich innerlich auf, wurde voll von Zorn und Ronnie-Genervtheit. Er würde seinen Willen bekommen. Er bekam immer seinen Willen, ob es nun darum ging, wen er vögelte oder wann und welche Schnellstraße sie nehmen oder wo sie die Nacht verbringen oder sogar was sie zusammen essen sollten. Es war ihm schnurz, daß sie gerade durch ein Kaff wie Buttwash, Texas, fuhren und von einem Dexamil-Trip runterkamen und daß sie von nichts anderem als Rührei träumte, bis es ihr zur Obsession, ja zur Halluzination wurde, er wollte Tacos und Salsa und Chilis und ein Tecate-Bier dazu, und genau das bekamen sie dann.
»Jetzt mach schon, sei kein Spielverderber, Paulette. Du weißt doch, was die Kerista-Gesellschaft sagt, hast es doch schwarz auf weiß im Speeler gelesen, na? Oder etwa nicht?«
Natürlich wußte sie es. Weil er die Stelle jedesmal zitierte, wenn er geil war. Wer immer diese Typen waren, die Keristaner oder Keristanten oder wie die sich auch nannten, sie predigten freie Liebe ohne Einschränkung – das heißt, es mit jedem zu treiben, der einen fragte, egal, welche Rasse, Religion oder Hautfarbe er hatte oder ob er nun fett und alt oder zurückgeblieben war oder so roch wie das Futter eines alten Schuhs. Es galt als feindseliger Akt, zu jemandem nein zu sagen, ganz egal, ob man sich danach fühlte oder nicht – es ist sieben Uhr früh, du hast einen Kater und deine Haare sehen aus, als wären sie auf die Schädeldecke geklebt, und irgendein Typ kommt rein und will bumsen? Dann bumst du ihn eben. Entweder das, oder du kommst total uncool rüber, weil du von kleinbürgerlichen Komplexen befallen bist, genau wie deine verklemmten Eltern und der Rest der Spießerwelt. Soviel hatte die Kerista-Gesellschaft dazu zu sagen, aber für Star, so wurde ihr allmählich und auf höchst rudimentäre Weise klar, war freieLiebe nichts als die Erfindung von irgendeinem Freak mit Pickeln und widerlich
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