Drop City
genau, wohin er wollte, und es hatte sich für ihn nichts – gar nichts – verändert, seit er zum letztenmal hiergewesen war, im September des Vorjahrs.
Sie erwartete ihn an einem Tisch auf der Terrasse eines Restaurants am Flußufer, dem nettesten Laden der ganzen Stadt, und es war angenehm, draußen sitzen zu können und die Sonne und die Aussicht zu genießen. Er sah sie, bevor sie ihn sah, und hielt einen Moment lang inne, um sich zu sammeln. Im Profil, gegen den Fluß und die Wucht des Sonnenlichts auf dem Wasser, wirkte sie wie eine Traumgestalt. Ihre nackten Beine und Arme schimmerten, das Haar glänzte. Sie trug Khakishorts, Wanderschuhe und dicke graue Socken, die sie heruntergerollt hatte, und ein rosa T-Shirt, das drei Größen zu klein war und sich eng an ihre Brust schmiegte. Sie hieß Pamela, und er hatte sich schon zweimal mit ihr getroffen, was ihn aber kein bißchen weniger nervös werden ließ. Er steckte sich das Hemd in die Hose und strich sich das Haar mit zwei spuckefeuchten Fingern glatt, dann trat er auf die Terrasse hinaus.
In diesem Augenblick, genau als seine Stiefel das Holzdeck berührten, wandte sie den Kopf, um eine Mücke auf ihrem Oberarm totzuschlagen, und entdeckte ihn. Eine blitzschnelle Verwunderung flackerte in ihrer Miene auf, als hätte sie ihn nicht erwartet oder schon wieder vergessen, sogar sein Aussehen, doch dann war sie auf den Beinen, und er war bei ihr, und sie brachten die etwas verlegene Begrüßungszeremonie zwischen Mann und Frau hinter sich, mit gebremster Umarmung und einer Berührung Wange an Wange, wozu sie sich auf die Zehenspitzen stellte und ihn zu sich herunterzog. »Setz dich doch«, sagte sie und ließ ihre perfekten weißen Zähne aufblitzen, die Zähne einer Mundhygienikerin oder einer Stripperin, Zähne, die zugleich Hallo! und Nimm dich in acht! besagten, »setz dich zu mir, Sess, und sei nicht so verlegen. Meine Güte«, sagte sie und stieß ein Lachen aus, »du bist ja wie ein kleiner Junge, der sich auf dem Spielplatz verirrt hat.«
Er zwängte sich in den Stuhl ihr gegenüber und murmelte etwas wie »Schön, dich zu sehen, Pam«, doch noch bevor die Worte heraus waren, verbesserte sie ihn schon: »Pamela«, sagte sie und lächelte immer noch, lächelte so unentwegt, so beharrlich, so strahlend, daß er sich ein wenig vor ihr zu fürchten begann. Stimmte irgend etwas an dieser Szene nicht? Oder war sie ebenso nervös wie er? So oder so – sie war schön. Verdammt, sie war wunderschön. Und welches Blockhaus im Busch draußen konnte eine Verzierung wie sie nicht gebrauchen, die makellosen Zähne und all das?
Die Kellnerin rettete ihn. Sie trat heran, kurzes Röckchen, zwei Brüste und ein Gesicht, so schwebte sie über ihm. Ob sie ihm etwas zu trinken bringen könne, wollte sie wissen. Und hätte er gern auch etwas zu essen?
Pamela trank einen Eistee. Die Speisekarte lag umgedreht neben ihrem Teller.
»Ich werde wohl ein Bier nehmen«, sagte er, »ein Oly«, und aus irgendeinem Grund sah er dabei Pamela an, als bäte er um Erlaubnis oder versuchte, ihre Reaktion einzuschätzen. »Und ... ach, tut mir leid, hast du schon bestellt?«
»Nein«, sagte sie, »aber mach nur. Weißt du, was du nehmen willst?«
Er bestellte einen Cheeseburger, mitteldurch, mit allen Zutaten, dazu Pommes frites und einen Salat mit Ranch-Dressing. Sie sah zu der Kellnerin auf, ohne auch nur die Speisekarte zur Hand zu nehmen. »Ich nehme das gleiche«, sagte sie grinsend. »Und ein Bier dazu klingt gut.«
»Oly?« fragte die Kellnerin.
»Ja«, sagte Pamela mit rauher Stimme, und jetzt sah sie ihn an, Sess, sah ihm geradewegs in die Augen. »Oly.« Sobald die Kellnerin außer Hörweite war, sagte sie: »Also, bist du darauf eingestellt, gleich heute nachmittag wieder zurückzufahren? Denn ich hab fertig gepackt und bin bereit, und es hat ja keinen Sinn, hier unsere Zeit zu vertrödeln – verstehst du, noch eine Nacht in der Stadt zu bleiben, wenn wir schon im Busch sein könnten, in deinem Blockhaus, meine ich. Du wohnst am Thirtymile, stimmt’s?«
Er starrte sie nur an. Die Dinge entwickelten sich viel zu schnell – aber hatte er sich das in seinen Phantasien nicht genauso ausgemalt: sie nackt auf dem Bett unter dem Fenster, die Haut so weiß wie duftende Seife auf dem Polster seiner Pelze, die Gliedmaßen einladend gespreizt? »Ich müßte noch ein paar Sachen in der Eisenwarenhandlung und im Supermarkt einkaufen, und dann sollte ich noch ...« Er
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