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Drop City

Drop City

Titel: Drop City Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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Gemeinschaft, und genau wie Gurdjieff das gesehen hat, lassen wir Gott die Entscheidung treffen, verstehst du?«
    »Und was ist mit Sky Dog? Oder Lester?«
    »Was ist mit ihnen?«
    »Ach, komm schon, Norm, willst du mich verscheißern? Diese Typen bringen doch unsere Sache total in Verruf, und von denen kommen immer mehr, bis die Behörden dir einen Pfahl durchs Herz treiben, oder es geht eben die ganze Szene baden. Sogar Jiminy. Und Star und ich, jeder von uns. Es funktioniert einfach nicht, wenn wir nicht irgendwelche Regeln haben ...«
    »Wenn du auf Regeln stehst, dann such dir Arbeit in einer Bank. Was mich wieder zum Thema bringt – die Arschlöcher hier wollen von mir inzwischen an die dreitausend Dollar, lauter lächerliche – soll ich sie verachtenswert nennen? ja, verachtenswerte absurde – Geldstrafen, und das zehrt langsam die Lebensversicherung meiner Eltern auf. Bald ist nichts mehr davon übrig, verstehst du, Alter? Es ist vorbei. Ende der Durchsage. Gute Nacht und Wiedersehn.«
    Der Augenblick verstrich. Im Radio lief nichts als netter seichter Popdreck, »I Got You Babe« tröpfelte durch ein statisches Gewitter aus den Lautsprechern, die jetzt schon schepperten, obwohl der VW-Bus keine sechs Monate alt sein konnte.
    »Deshalb hab ich mir ja diesen Wagen gekauft«, sagte Norm, als hätte Marco laut gedacht. »Da hab ich mal ein bißchen von meinem Geld für etwas ausgegeben, das ich wollte – oder wir , immerhin können wir alle das Ding gebrauchen –, anstatt es einfach den Wichsern in den Arsch zu pumpen mit ihren Rechenschiebern und ihrer beschissenen Bauordnung, die sie anscheinend auswendig gelernt haben. Aber scheiß drauf. Heute ist doch ein besonderer Tag, oder? Wollten wir hier nicht ernsthaft eine Ladung Vanille-Cola abgreifen, oder was?«
    Sicher doch. Und Marco war auch nicht nur einfach so mitgefahren, sondern er wollte eigentlich einen Pferch für das Pferd bauen, für das blödsinnige, nervöse Monster von Pferdevieh, dem Gefahren von zweispurigen Schnellstraßen und Betontransportern mit schlechten Bremsen ziemlich schnurz zu sein schienen, deshalb hatte er beim Baumarkt eine Rolle Stacheldraht kaufen wollen – von Norms Kohle –, aber das kam ihm jetzt alles etwas sinnlos vor. Deprimiert zog er den Kopf ein und kratzte seinen Bart, dabei überlegte er geistesabwesend, ob er sich von der fetten orangefarbenen Katze, die immer oben auf dem Kühlschrank hockte, eventuell einen Ringwurm eingefangen hatte. Er hatte etwas aufbauen wollen – immerhin war er vierundzwanzig und über das Alter hinaus, in dem man mit dem Kopf gegen die Wand des Establishments anrannte –, aber auf Drop City würde das wohl nicht geschehen. Er fühlte sich auf einmal so schwer, als würde er mit seinem Gewicht jeden Moment das Auto unter sich zermalmen und im Asphalt der Straße versinken, hinein in die uralten Flüsse, die unter der Erde verliefen. Am liebsten hätte er gegen irgend etwas getreten, wäre ausgestiegen und hätte seine Lungen oder vielleicht auch die Tränengänge freigemacht, und seine Finger lagen auch schon am Türgriff, als Norm ihn am Handgelenk packte.
    Heiß war es im VW-Bus. Und Norm: die häßliche schwarze Brille mit dem Plastikrahmen, die Goldzähne, die in seinem Grinsen aufblitzten wie im Traum eines Goldsuchers. Er hielt die Thermosflasche hoch, als wäre sie die Lösung aller Probleme, der Schlüssel, der Preis, der Gral, der hier auf einem silbernen Tablett heimgetragen wurde. Marco entspannte sich und nahm den leicht verschmutzten weißen Becher mit dem Plastikgewinde entgegen. »Einer für dich«, sagte Norm und schenkte ihm ein. »Und einer«, er kippte die Thermosflasche so, daß die weiße Kunststofföffnung von dem dunklen Gewirr seines Barts verschlungen wurde, »für mich.«
    Auf der Rückfahrt fühlte sich Marco überhaupt nicht auf Trip, und dann plötzlich doch. Er hatte kein Kribbeln in den Gliedmaßen, kein Gefühl der Körperlosigkeit, keine Lichtblitze, keinen Persönlichkeitsverlust – es überkam ihn eher so, als wäre er in eine Decke gehüllt, festgeschnallt und in eine Krippe gelegt worden, als wäre es Nacht und er träumte für jemand anderen dessen Traum. Norm war ausnahmsweise still. Und Marco selbst hätte gar nicht sprechen können. Er saß nicht vorn in einem VW-Bus, der eine Landstraße entlangbrauste, hinter sich den schlängelnden Fluß wie ein helles, flatterndes Banner, sondern in einem Zimmer, in einem Bauernhaus oder vielleicht

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