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Drop City

Drop City

Titel: Drop City Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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seit über einem Jahr, Drop City zuzusperren, und die Inspektoren des Amts für Brandschutz und Bauaufsicht waren ihnen dicht auf den Fersen. Norm hatte seit dem vergangenen Herbst und den ganzen Winter hindurch andauernd vor Gericht erscheinen müssen; seit kurzem verwendete er die Vorladungen zum Anzünden des großen Heizofens hinter dem Haus, weil er den Mist langsam satt hatte, es reichte ihm einfach und stand ihm bis hier, und er war so mies drauf, daß er am liebsten aufgegeben und die Ranch diesen bürokratischen Beamtenbastarden überlassen würde, um sie zuzubetonieren, wenn ihnen der Sinn danach stand. Und es kam noch schlimmer: das County hatte ihn als Grundstücksbesitzer aufgefordert, unverzüglich sämtliche Substandard-Wohngebäude samt der darin wohnenden Personen zu entfernen, unter Androhung einer Beugestrafe von fünfhundert Dollar pro Tag. »Als würde ich mit den Bruchbuden noch Kohle machen wie so ein Vermieterhai«, sagte er und starrte aus dem VW-Bus auf eine Reihe von ineinandergeschobenen Einkaufswagen und die grellbunten Reklameplakate für Waschmittel, Fleisch und Alkohol, mit denen die Fenster des Supermarkts zugekleistert waren.
    »Was ist denn so kaputt, daß wir es nicht reparieren könnten?« fragte Marco. »Immerhin sind die Abwasserrohre in der Erde. Das müßte sie doch happy machen, oder?« Aber er redete nur, um sich selbst zu hören, nur um etwas zu sagen. Er wußte genau, wie es lief. Niemand hier wollte eine Anarcho-Kommune in der Nachbarschaft, denn das bedeutete Gesetzlosigkeit, es bedeutete einen Riesenberg von Müll und Menschenscheiße in den Wäldern, es bedeutete Sky Dog und Lester und Gitarren, die wie Eierschalen zerschmettert wurden – selbst wenn Drop City auf einem Gebirgsrücken in Tibet läge, würden die Verantwortlichen garantiert ihre frisierten Yaks den Berg hinaufpeitschen, um die Kommune rauszuschmeißen. Und vielleicht war das ja auch gar nicht so falsch, vielleicht mußte irgend jemand irgendwann mal die Bremse ziehen.
    »Die haben mein Konto bei der Bank of America gepfändet.« Norm beobachtete eine Blondine im Minirock, die eine Parkreihe weiter ihre Einkaufstüten aus dem Einkaufswagen mit sanfter Präzision in den Kofferraum eines Cutlass-Coupés lud. Sie hatte zwei Kinder dabei – ein Baby, das seine fetten Beinchen aus dem Sitz im Einkaufswagen baumeln ließ, und einen älteren Jungen von fünf oder sechs Jahren, der lange ausdruckslos zu ihnen hinüberstarrte und ihnen dann das Peace-Zeichen zeigte. »Meine Herren, sieh dir mal dieses Kind an, das Baby meine ich«, sagte Norm. »Sieht doch aus wie Alfred Hitchcock, oder? Aber wahrscheinlich sehen alle Babys aus wie Alfred Hitchcock. Oder wie Mao. Vielleicht eher Mao. Genau, dem sieht er noch viel ähnlicher.«
    Marco hatte darauf nichts zu sagen. Er stellte eine private Rechnung an: pro und contra. Er hatte es sich zu gemütlich gemacht, dabei hätte er es besser wissen müssen. Er hatte sich niedergelassen, ein Baumhaus gebaut, die Gräben für Abwasserrohre gebuddelt, eine Frau gefunden – hier stieg das Bild von Star, lächelnd wie auf einem verblichenen Klassenfoto, vor ihm auf und packte ihn –, aber das war alles vergänglich, egal, ob man dagegen ankämpfte oder nicht. Sky Dog war weg, immerhin etwas, und es würde nicht mehr lange dauern, bis Lester ihm folgte. Alfredo konnte er verschmerzen, und Pan ging ihm gelegentlich auf die Nüsse, ließ sich aber kontrollieren. Nur hatte das keinerlei Bedeutung. Nicht wenn die Behörden sich einmischten. Es war vorbei, und wenn er halbwegs bei Sinnen war, sollte er alles, was ihm in den letzten fünf Wochen ans Herz gewachsen war, auf der Strecke lassen und schleunigst verduften.
    Norm drehte sich auf dem Fahrersitz zu ihm um. »Die Leute fragen mich dauernd: ›Alter, du kannst einfach nicht jeden reinlassen, weil das uns alle ruinieren wird‹, aber was soll ich denn machen? Jeder will raus aus dieser beschissenen Gesellschaft von Konsumidioten, und ich kann doch keinem im Weg stehen. Ich meine, niemand hat mich zum Gott erwählt.« Norm schob sich die Brille zurück auf die Nase, aber sie rutschte wieder zur Nasenspitze hinunter. Es wurde langsam heiß im Wagen. »Außerdem, und das werde ich dir ja nicht erzählen müssen, Mann: sobald wir den Zugang für die Kommune beschränken, wird das eine statische Angelegenheit, verknöchert wie die Shaker oder die Amish People oder so. Da stirbt man aus. Ganz einfach so. Wir brauchen eine offene

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