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Drowning - Tödliches Element (German Edition)

Drowning - Tödliches Element (German Edition)

Titel: Drowning - Tödliches Element (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rachel Ward
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sprechen. Noch nicht.
    »Setz dich einen Augenblick hin«, sagt sie und ich gehorche. Sie geht neben mir in die Hocke.
    Dann fasst sie in ihre Tasche und zieht eine Schachtel Zigaretten und ein Feuerzeug raus. Ihre Hände zittern, als sie die Zigarette anzündet und den Rauch einzieht. »Das tut gut«, sagt sie. »Alles wieder in Ordnung, ja? Willst du mal ziehen?«
    Ich verneine. Sie legt den Kopf zurück und bläst den Rauch wieder aus.
    »Du hast dich ein bisschen verrückt gemacht, nicht?«, sagt sie. »Aber ich verstehe das ja. Ich wusste nicht, dass es in deinem Zimmer so schlimm ist. Das ist nicht in Ordnung, wirklich nicht. Ich werde die Hausverwaltung anrufen. Das schaffen wir schon. Und ich bringe deine Sachen schnell in den Waschsalon? So kannst du ja nicht leben. Niemand kann so leben.«
    Sie nimmt noch einen Zug.
    »Ich hab alles ein bisschen schleifenlassen, Carl. Tut mir leid.«
    »Nein, Mum. Du verstehst nicht. Es liegt nicht am Haus. Ich glaube, ich werde verrückt.«
    Sie sinkt zu Boden. Ich habe noch immer meine Hand auf ihrem Arm liegen und jetzt legt sie ihre beiden Hände auf meine, so dass wir uns gegenseitig halten … auf Armlänge.
    »Bestimmt nicht. Du hattest nur einen schlechten Tag, das ist alles.«
    »Ich will irgendwo hin, Mum. Ich brauche Hilfe.«
    Bring mich zurück ins Krankenhaus, will ich sagen, dorthin, wo sie mich nach dem See eingeliefert haben – wo es warm und sauber und hell war.
    »Ich bin hier, Carl. Ich bin immer für dich da. Ich werde dir helfen.«
    »Aber ich höre ihn, Mum. Er spricht zu mir. Und ich sehe ihn auch.«
    »Das tun wir beide, Carl. Ich sehe ihn überall.«
    »Nein, du verstehst nicht …«
    Sie seufzt. »Ich sehe ihn im Bad als kleiner Knirps. Er wollte nie ins Wasser und wenn er dann drin war, hab ich ihn kaum wieder rausgekriegt. Scheißangst. Ich sehe ihn in der Küche, wie er direkt aus der Dose isst. Ich sehe ihn neben mir auf dem Sofa sitzen, diese Filme gucken, und wie er so tut, als ob er sich nicht gruselt. Er ist noch da, Carl, nicht wahr? Er wird immer da sein.«
    Mein Mut sinkt. Es ist nicht dasselbe.
    »Du erinnerst dich nur an ihn, das ist alles«, sage ich langsam.
    »Ja«, antwortet sie. »Genau wie du. Das ist ganz normal. Es ist völlig in Ordnung. Und du bist auch in Ordnung. Völlig in Ordnung. Komm her.«
    Sie zieht mich an sich und legt ihren Arm um mich. Ich lasse mich in den Arm nehmen, ohne sie auch zu umarmen, aber auch ohne Widerstand zu leisten.
    »Alles wird gut«, sagt sie. »Alles wird wieder gut.«
    Ich schließe die Augen und sehe sein Gesicht, seine Augen weit aufgerissen, und der Reißverschluss geht hoch, über sein Gesicht hinweg, schließt ihn ein. Ich versuche mich aufzusetzen, aber Mum hält mich fest.
    »Ich muss weg, Mum. Ich kann hier nicht bleiben.«
    Ich kann mich nicht von ihr losreißen und plötzlich spüre ich, wie ihr Körper zittert.
    »Verlass mich nicht«, sagt sie. »Bitte, Carl, verlass mich nicht! Alles wird gut. Ich verspreche es dir.«
    Sie weint, schluchzt mir in den Nacken.
    Es klopft.
    Unter uns öffnet Debbie die Haustür und spricht mit jemandem. Merkwürdige Worte und Wendungen dringen die Treppe herauf.
    »Sie geschlagen … splitternackt … völlig durchgedreht … Bruder am See … Schutz …« Debbie muss offensichtlich die Polizei gerufen haben.
    Mum wiegt uns jetzt beide hin und her, Schulter an Schulter.
    »Du bist doch das Einzige, was ich noch habe. Verlass mich nicht. Verlass mich nicht, Carl!«
    »Miss Adams?«
    Jemand ruft herauf. Mum hört auf, uns hin und her zu wiegen.
    Sie holt tief Luft. »Einen Moment«, ruft sie hinunter.
    Und sie drückt mich noch einmal, dann lässt sie mich los. Sie wischt sich das Gesicht am Ärmel trocken und atmet ein paarmal tief durch.
    »Du willst doch nicht wirklich gehen, oder?«
    Doch, doch, tausend Mal doch.
    »Ich weiß nicht. Ich kann da nicht schlafen, Mum. Ich kann’s nicht.«
    »Wie wär’s mit dem Sofa?«
    Ich zucke mit den Schultern.
    »Warte einfach bis nach der Beerdigung. Wir schaffen das zusammen. Bestimmt, Carl. Ich versprech’s dir. Ja?«
    Sie geht nach unten. Ich ziehe meine Knie unter dem rosa Mantel hoch, stütze den Kopf ab und höre zu, wie sie versucht den Eindruck einer normalen Frau zu machen. Sie bittet die Bullen herein, sagt: »Ist dieser Regen nicht schlimm?«, und: »Kann ich Ihnen Tee anbieten?«
    Die Haustür geht wieder zu und die Stimmen werden leiser, gedämpfter, als sich alle ins Wohnzimmer

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