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Drucke zu Lebzeiten

Drucke zu Lebzeiten

Titel: Drucke zu Lebzeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Kafka
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vier-
     zigsten Tage wurde die Tür des mit Blumen umkränzten
    Käfigs geöffnet, eine begeisterte Zuschauerscha erfüllte
    das Amphitheater, eine Militärkapelle spielte, zwei Ärz-
    te betraten den Käfig, um die nötigen Messungen am
    Hungerkünstler vorzunehmen, durch ein Megaphon
     wurden die Resultate dem Saale verkündet, und schließ-
    lich kamen zwei junge Damen, glücklich darüber, daß
    gerade sie ausgelost worden waren, und wollten den
    Hungerkünstler aus dem Käfig ein paar Stufen hinab-
    führen, wo auf einem kleinen Tischchen eine sorgfältig
     ausgewählte Krankenmahlzeit serviert war. Und in die-
    sem Augenblick wehrte sich der Hungerkünstler immer.
    Zwar legte er noch freiwillig seine Knochenarme in die
    hilfsbereit ausgestreckten Hände der zu ihm hinabge-
    beugten Damen, aber aufstehen wollte er nicht. Warum
     gerade jetzt nach vierzig Tagen auören? Er hätte es
    noch lange, unbeschränkt lange ausgehalten; warum ge-
    rade jetzt auören, wo er im besten, ja noch nicht ein-
    [  ]
    mal im besten Hungern war? Warum wollte man ihn des
    Ruhmes berauben, weiter zu hungern, nicht nur der
    größte Hungerkünstler aller Zeiten zu werden, der er ja
    wahrscheinlich schon war, aber auch noch sich selbst zu
    übertreffen bis ins Unbegreifliche, denn für seine Fähig- 
    keit zu hungern fühlte er keine Grenzen. Warum hatte
    diese Menge, die ihn so sehr zu bewundern vorgab, so
    wenig Geduld mit ihm; wenn er es aushielt, noch weiter
    zu hungern, warum wollte sie es nicht aushalten? Auch
    war er müde, saß gut im Stroh und sollte sich nun hoch 
    und lang aufrichten und zu dem Essen gehn, das ihm
    schon allein in der Vorstellung Übelkeiten verursachte,
    deren Äußerung er nur mit Rücksicht auf die Damen
    mühselig unterdrückte. Und er blickte empor in die Au-
    gen der scheinbar so freundlichen, in Wirklichkeit so 
    grausamen Damen und schüttelte den auf dem schwa-
    chen Halse überschweren Kopf. Aber dann geschah, was
    immer geschah. Der Impresario kam, hob stumm – die
    Musik machte das Reden unmöglich – die Arme über
    dem Hungerkünstler, so, als lade er den Himmel ein, 
    sich sein Werk hier auf dem Stroh einmal anzusehn,
    diesen bedauernswerten Märtyrer, welcher der Hun-
    gerkünstler allerdings war, nur in ganz anderem Sinn;
    faßte den Hungerkünstler um die dünne Taille, wobei
    er durch übertriebene Vorsicht glaubha machen woll- 
    te, mit einem wie gebrechlichen Ding er es hier zu tun
    habe; und übergab ihn – nicht ohne ihn im geheimen
    [  ]
    ein wenig zu schütteln, so daß der Hungerkünstler mit
    den Beinen und dem Oberkörper unbeherrscht hin und
    her schwankte – den inzwischen totenbleich geworde-
    nen Damen. Nun duldete der Hungerkünstler alles; der
     Kopf lag auf der Brust, es war, als sei er hingerollt und
    halte sich dort unerklärlich; der Leib war ausgehöhlt;
    die Beine drückten sich im Selbsterhaltungstrieb fest in
    den Knien aneinander, scharrten aber doch den Boden,
    so, als sei es nicht der wirkliche, den wirklichen suchten
     sie erst; und die ganze, allerdings sehr kleine Last des
    Körpers lag auf einer der Damen, welche hilfesuchend,
    mit fliegendem Atem – so hatte sie sich dieses Ehrenamt
    nicht vorgestellt – zuerst den Hals möglichst streckte,
    um wenigstens das Gesicht vor der Berührung mit dem
     Hungerkünstler zu bewahren, dann aber, da ihr dies
    nicht gelang und ihre glücklichere Gefährtin ihr nicht zu
    Hilfe kam, sondern sich damit begnügte, zitternd die
    Hand des Hungerkünstlers, dieses kleine Knochenbün-
    del, vor sich herzutragen, unter dem entzückten Geläch-
     ter des Saales in Weinen ausbrach und von einem längst
    bereitgestellten Diener abgelöst werden mußte. Dann
    kam das Essen, von dem der Impresario dem Hunger-
    künstler während eines ohnmachtähnlichen Halbschla-
    fes ein wenig einflößte, unter lustigem Plaudern, das die
     Aufmerksamkeit vom Zustand des Hungerkünstlers ab-
    lenken sollte; dann wurde noch ein Trinkspruch auf das
    Publikum ausgebracht, welcher dem Impresario angeb-
    [  ]
    lich vom Hungerkünstler zugeflüstert worden war; das
    Orchester bekräigte alles durch einen großen Tusch,
    man ging auseinander, und niemand hatte das Recht, mit
    dem Gesehenen unzufrieden zu sein, niemand, nur der
    Hungerkünstler, immer nur er.
    
    So lebte er mit regelmäßigen kleinen Ruhepausen viele
    Jahre, in

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