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Drucke zu Lebzeiten

Drucke zu Lebzeiten

Titel: Drucke zu Lebzeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Kafka
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scheinbarem Glanz, von der Welt geehrt, bei
    alledem aber meist in trüber Laune, die immer noch
    trüber wurde dadurch, daß niemand sie ernst zu nehmen
    verstand. Womit sollte man ihn auch trösten? Was blieb 
    ihm zu wünschen übrig? Und wenn sich einmal ein Gut-
    mütiger fand, der ihn bedauerte und ihm erklären wollte,
    daß seine Traurigkeit wahrscheinlich von dem Hungern
    käme, konnte es, besonders bei vorgeschrittener Hun-
    gerzeit, geschehn, daß der Hungerkünstler mit einem 
    Wutausbruch antwortete und zum Schrecken aller wie
    ein Tier an dem Gitter zu rütteln begann. Doch hatte für
    solche Zustände der Impresario ein Strafmittel, das er
    gern anwandte. Er entschuldigte den Hungerkünstler
    vor versammeltem Publikum, gab zu, daß nur die durch 
    das Hungern hervorgerufene, für satte Menschen nicht
    ohne weiteres begreifliche Reizbarkeit das Benehmen
    des Hungerkünstlers verzeihlich machen könne; kam
    dann im Zusammenhang damit auch auf die ebenso zu
    erklärende Behauptung des Hungerkünstlers zu spre- 
    chen, er könnte noch viel länger hungern, als er hungere;
    lobte das hohe Streben, den guten Willen, die große
    [  ]
    Selbstverleugnung, die gewiß auch in dieser Behauptung
    enthalten seien; suchte dann aber die Behauptung ein-
    fach genug durch Vorzeigen von Photographien, die
    gleichzeitig verkau wurden, zu widerlegen, denn auf
     den Bildern sah man den Hungerkünstler an einem vier-
    zigsten Hungertag, im Bett, fast verlöscht vor Entkräf-
    tung. Diese dem Hungerkünstler zwar wohlbekannte,
    immer aber von neuem ihn entnervende Verdrehung der
    Wahrheit war ihm zu viel. Was die Folge der vorzeitigen
     Beendigung des Hungerns war, stellte man hier als die
    Ursache dar! Gegen diesen Unverstand, gegen diese Welt
    des Unverstandes zu kämpfen, war unmöglich. Noch
    hatte er immer wieder in gutem Glauben begierig am
    Gitter dem Impresario zugehört, beim Erscheinen der
     Photographien aber ließ er das Gitter jedesmal los, sank
    mit Seufzen ins Stroh zurück, und das beruhigte Publi-
    kum konnte wieder herankommen und ihn besichtigen.
    Wenn die Zeugen solcher Szenen ein paar Jahre später
    daran zurückdachten, wurden sie sich o selbst unver-
     ständlich. Denn inzwischen war jener erwähnte Um-
    schwung eingetreten; fast plötzlich war das geschehen;
    es mochte tiefere Gründe haben, aber wem lag daran, sie
    aufzufinden; jedenfalls sah sich eines Tages der ver-
    wöhnte Hungerkünstler von der vergnügungssüchtigen
     Menge verlassen, die lieber zu anderen Schaustellungen
    strömte. Noch einmal jagte der Impresario mit ihm
    durch halb Europa, um zu sehn, ob sich nicht noch hie
    [  ]
    und da das alte Interesse wiederfände; alles vergeblich;
    wie in einem geheimen Einverständnis hatte sich überall
    geradezu eine Abneigung gegen das Schauhungern aus-
    gebildet. Natürlich hatte das in Wirklichkeit nicht plötz-
    lich so kommen können, und man erinnerte sich jetzt 
    nachträglich an manche zu ihrer Zeit im Rausch der Er-
    folge nicht genügend beachtete, nicht genügend unter-
    drückte Vorboten, aber jetzt etwas dagegen zu unterneh-
    men, war zu spät. Zwar war es sicher, daß einmal auch
    für das Hungern wieder die Zeit kommen werde, aber 
    für die Lebenden war das kein Trost. Was sollte nun der
    Hungerkünstler tun? Der, welchen Tausende umjubelt
    hatten, konnte sich nicht in Schaubuden auf kleinen
    Jahrmärkten zeigen, und um einen andern Beruf zu er-
    greifen, war der Hungerkünstler nicht nur zu alt, son- 
    dern vor allem dem Hungern allzu fanatisch ergeben. So
    verabschiedete er denn den Impresario, den Genossen
    einer Lauahn ohnegleichen, und ließ sich von einem
    großen Zirkus engagieren; um seine Empfindlichkeit zu
    schonen, sah er die Vertragsbedingungen gar nicht an.
    
    Ein großer Zirkus mit seiner Unzahl von einander im-
    mer wieder ausgleichenden und ergänzenden Menschen
    und Tieren und Apparaten kann jeden und zu jeder Zeit
    gebrauchen, auch einen Hungerkünstler, bei entspre-
    chend bescheidenen Ansprüchen natürlich, und außer- 
    dem war es ja in diesem besonderen Fall nicht nur der
    Hungerkünstler selbst, der engagiert wurde, sondern
    [  ]
    auch sein alter berühmter Name, ja man konnte bei der
    Eigenart dieser im zunehmenden Alter nicht abnehmen-
    den Kunst nicht einmal sagen, daß ein ausgedienter,
    nicht mehr auf der Höhe seines Könnens stehender
    

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