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Drucke zu Lebzeiten

Drucke zu Lebzeiten

Titel: Drucke zu Lebzeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Kafka
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be- 
    glückwünsche mich.“
    Da sagte er: „Ach Gott, Sie haben ein lebhaes Herz
    und einen Kopf aus einem Block. Sie nennen mich einen
    Glücksfang, wie glücklich müssen Sie sein! Denn mein
    Unglück ist ein schwankendes Unglück, ein auf einer 
    dünnen Spitze schwankendes Unglück und berührt man
    es, so fällt es auf den Frager. Gute Nacht, mein Herr.“
    „Gut“, sagte ich und hielt seine rechte Hand fest,
    „wenn Sie mir nicht antworten werden, werde ich hier
    auf der Gasse zu rufen anfangen. Und alle Ladenmäd- 
    chen, die jetzt aus den Geschäen kommen und alle ihre
    Liebhaber, die sich auf sie freuen, werden zusammenlau-
    fen, denn sie werden glauben, ein Droschkenpferd sei
    gestürzt oder etwas dergleichen sei geschehen. Dann
    werde ich Sie den Leuten zeigen.“
    
    Da küßte er weinend abwechselnd meine beiden Hän-
    de. „Ich werde Ihnen sagen, was Sie wissen wollen, aber
    [  ]
    bitte, gehen wir lieber in die Seitengasse drüben.“ Ich
    nickte und wir gingen hin.
    Aber er begnügte sich nicht mit dem Dunkel der Gas-
    se, in der nur weit voneinander gelbe Laternen waren,
     sondern er führte mich in den niedrigen Flurgang eines
    alten Hauses unter ein Lämpchen, das vor der Holztrep-
    pe tropfend hing.
    Dort nahm er wichtig sein Taschentuch und sagte, es
    auf eine Stufe breitend: „Setzt Euch doch lieber Herr, da
     könnt Ihr besser fragen, ich bleibe stehen, da kann ich
    besser antworten. Quält mich aber nicht.“
    Da setzte ich mich und sagte, indem ich mit schmalen
    Augen zu ihm aulickte: „Ihr seid ein gelungener Toll-
    häusler, das seid Ihr! Wie benehmt Ihr Euch doch in der
     Kirche! Wie ärgerlich ist das und wie unangenehm den
    Zuschauern! Wie kann man andächtig sein, wenn man
    Euch anschauen muß.“
    Er hatte seinen Körper an die Mauer gepreßt, nur den
    Kopf bewegte er frei in der Lu. „Ärgert Euch nicht –
     warum sollt Ihr Euch ärgern über Sachen, die Euch nicht
    angehören. Ich ärgere mich, wenn ich mich ungeschickt
    benehme; benimmt sich aber nur ein anderer schlecht,
    dann freue ich mich. Also ärgert Euch nicht, wenn ich
    sage, daß es der Zweck meines Lebens ist, von den Leu-
     ten angeschaut zu werden.“
    „Was sagt Ihr da“, rief ich viel zu laut für den niedri-
    gen Gang, aber ich fürchtete mich dann, die Stimme zu
    [  ]
    schwächen, „wirklich was sagtet Ihr da. Ja ich ahne
    schon, ja ich ahnte es schon, seit ich Euch zum erstenmal
    sah, in welchem Zustande Ihr seid. Ich habe Erfahrung
    und es ist nicht scherzend gemeint, wenn ich sage, daß es
    eine Seekrankheit auf festem Lande ist. Deren Wesen ist 
    so, daß Ihr den wahrhaigen Namen der Dinge verges-
    sen habt und über sie jetzt in einer Eile zufällige Namen
    schüttet. Nur schnell, nur schnell! Aber kaum seid Ihr
    von ihnen weggelaufen, habt Ihr wieder ihre Namen
    vergessen. Die Pappel in den Feldern, die Ihr den ,Turm 
    von Babel‘ genannt habt, denn Ihr wußtet nicht oder
    wolltet nicht wissen, daß es eine Pappel war, schaukelt
    wieder namenlos und Ihr müßt sie nennen ,Noah, wie er
    betrunken war‘.“
    Ich war ein wenig bestürzt, als er sagte: „Ich bin froh, 
    daß ich das, was Ihr sagtet, nicht verstanden habe.“
    Aufgeregt sagte ich rasch: „Dadurch, daß Ihr froh seid
    darüber, zeigt Ihr, daß Ihr es verstanden habt.“
    „Freilich habe ich es gezeigt, gnädiger Herr, aber auch
    Ihr habt merkwürdig gesprochen.“
    
    Ich legte meine Hände auf eine obere Stufe, lehnte
    mich zurück und fragte in dieser fast unangreiaren
    Haltung, welche die letzte Rettung der Ringkämpfer ist:
    „Ihr habt eine lustige Art, Euch zu retten, indem Ihr
    Eueren Zustand bei den anderen voraussetzt.“
    
    Darauin wurde er mutig. Er legte die Hände inein-
    ander, um seinem Körper eine Einheit zu geben, und
    [  ]
    sagte unter leichtem Widerstreben: „Nein, ich tue das
    nicht gegen alle, zum Beispiel auch gegen Euch nicht,
    weil ich es nicht kann. Aber ich wäre froh, wenn ich es
    könnte, denn dann hätte ich die Aufmerksamkeit der
     Leute in der Kirche nicht mehr nötig. Wisset Ihr, warum
    ich sie nötig habe?“
    Diese Frage machte mich unbeholfen. Sicherlich, ich
    wußte es nicht und ich glaube, ich wollte es auch nicht
    wissen. Ich hatte ja auch nicht hierher kommen wollen,
     sagte ich mir damals, aber der Mensch hatte mich ge-
    zwungen, ihm zuzuhören. So brauchte ich

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