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Drucke zu Lebzeiten

Drucke zu Lebzeiten

Titel: Drucke zu Lebzeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Kafka
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ja jetzt bloß
    meinen Kopf zu schütteln, um ihm zu zeigen, daß ich es
    nicht wußte, aber ich konnte meinen Kopf in keine Be-
    wegung bringen.
     Der Mensch, welcher mir gegenüber stand, lächelte.
    Dann duckte er sich auf seine Knie nieder und erzählte
    mit schläfriger Grimasse: „Es hat niemals eine Zeit gege-
    ben, in der ich durch mich selbst von meinem Leben
    überzeugt war. Ich erfasse nämlich die Dinge um mich
     nur in so hinfälligen Vorstellungen, daß ich immer glau-
    be, die Dinge hätten einmal gelebt, jetzt aber seien sie
    versinkend. Immer, lieber Herr, habe ich eine Lust, die
    Dinge so zu sehen, wie sie sich geben mögen, ehe sie sich
    mir zeigen. Sie sind da wohl schön und ruhig. Es muß so
     sein, denn ich höre o Leute in dieser Weise von ihnen
    reden.“
    Da ich schwieg und nur durch unwillkürliche Zuk-
    [  ]
    kungen in meinem Gesichte zeigte, wie unbehaglich mir
    war, fragte er: „Sie glauben nicht daran, daß die Leute so
    reden?“
    Ich glaubte, nicken zu müssen, konnte es aber nicht.
    „Wirklich, Sie glauben nicht daran? Ach hören Sie 
    doch; als ich als Kind nach einem kurzen Mittagsschlaf
    die Augen öffnete, hörte ich noch ganz im Schlaf befan-
    gen meine Mutter in natürlichem Ton vom Balkon hin-
    unterfragen: ,Was machen Sie meine Liebe. Es ist so
    heiß.‘ Eine Frau antwortete aus dem Garten: ,Ich jause 
    im Grünen.‘ Sie sagten es ohne Nachdenken und nicht
    allzu deutlich, als müßte es jeder erwartet haben.“
    Ich glaubte, ich sei gefragt, daher griff ich in die hinte-
    re Hosentasche und tat, als suchte ich dort etwas. Aber
    ich suchte nichts, sondern ich wollte nur meinen An- 
    blick verändern, um meine Teilnahme am Gespräch zu
    zeigen. Dabei sagte ich, daß dieser Vorfall so merkwür-
    dig sei und daß ich ihn keineswegs begreife. Ich fügte
    auch hinzu, daß ich an dessen Wahrheit nicht glaube und
    daß er zu einem bestimmten Zweck, den ich gerade nicht 
    einsehe, erfunden sein müsse. Dann schloß ich die Au-
    gen, denn sie schmerzten mich.
    „Oh, das ist doch gut, daß Ihr meiner Meinung seid
    und es war uneigennützig, daß Ihr mich angehalten habt,
    um mir das zu sagen.
    
    Nicht wahr, warum sollte ich mich schämen – oder
    warum sollten wir uns schämen –, daß ich nicht aufrecht
    [  ]
    und schwer gehe, nicht mit dem Stock auf das Pflaster
    schlage und nicht die Kleider der Leute streife, welche
    laut vorübergehen. Sollte ich nicht vielmehr mit Recht
    trotzig klagen dürfen, daß ich als Schatten mit eckigen
     Schultern die Häuser entlang hüpfe, manchmal in den
    Scheiben der Auslagsfenster verschwindend.
    Was sind das für Tage, die ich verbringe! Warum ist
    alles so schlecht gebaut, daß bisweilen hohe Häuser ein-
    stürzen, ohne daß man einen äußeren Grund finden
     könnte. Ich klettere dann über die Schutthaufen und
    frage jeden, dem ich begegne: ,Wie konnte das nur ge-
    schehn! In unserer Stadt – ein neues Haus – das ist heute
    schon das füne – bedenken Sie doch.‘ Da kann mir
    keiner antworten.
     O fallen Menschen auf der Gasse und bleiben tot
    liegen. Da öffnen alle Geschäsleute ihre mit Waren ver-
    hangenen Türen, kommen gelenkig herbei, schaffen den
    Toten in ein Haus, kommen dann, Lächeln um Mund
    und Augen, heraus und reden: ,Guten Tag – der Himmel
     ist blaß – ich verkaufe viele Kopücher – ja, der Krieg.‘
    Ich hüpfe ins Haus und nachdem ich mehrere Male die
    Hand mit dem gebogenen Finger furchtsam gehoben ha-
    be, klopfe ich endlich an dem Fensterchen des Hausmei-
    sters. ,Lieber Mann‘, sage ich freundlich, ,es wurde ein
     toter Mensch zu Ihnen gebracht. Zeigen Sie mir ihn, ich
    bitte Sie.‘ Und als er den Kopf schüttelt, als wäre er
    unentschlossen, sage ich bestimmt: ,Lieber Mann. Ich
    [  ]
    bin Geheimpolizist. Zeigen Sie mir gleich den Toten.‘
    ,Einen Toten‘, fragt er jetzt und ist fast beleidigt. ,Nein,
    wir haben keinen Toten hier. Es ist ein anständiges
    Haus.‘ Ich grüße und gehe.
    Dann aber, wenn ich einen großen Platz zu durchque- 
    ren habe, vergesse ich an alles. Die Schwierigkeit dieses
    Unternehmens verwirrt mich und ich denke o bei mir:
    ,Wenn man so große Plätze nur aus Übermut baut, war-
    um baut man nicht auch ein Steingeländer, das durch
    den Platz führen könnte. Heute bläst ein Südwestwind. 
    Die Lu auf dem Platz ist aufgeregt. Die Spitze

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