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Drucke zu Lebzeiten

Drucke zu Lebzeiten

Titel: Drucke zu Lebzeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Kafka
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Sie.“
    „Sicher haben Sie mit Ihren gefärbten Augen jene gro- 
    ßen Damen gesehn, die schon auf der hohen und lichten
    Terasse stehn, sich in schmaler Taille ironisch umwen-
    dend, während das Ende ihrer auch auf der Treppe aus-
    gebreiteten bemalten Schleppe noch über dem Sand des
    Gartens liegt. – Nicht wahr, auf langen Stangen, überall 
    verteilt, steigen Diener in grauen frechgeschnittenen
    Fräcken und weißen Hosen, die Beine um die Stange
    gelegt, den Oberkörper aber o nach hinten und zur
    Seite gebogen, denn sie müssen an Stricken riesige graue
    Leinwandtücher von der Erde heben und in der Höhe 
    spannen, weil die große Dame einen nebligen Morgen
    wünscht.“ Da er sich rülpste, sagte ich fast erschrocken:
    „Wirklich, ist es wahr, Sie kommen Herr aus unserem
    Paris, aus dem stürmischen Paris, ach, aus diesem
    schwärmerischen Hagelwetter?“ Als er sich wieder rülp- 
    ste, sagte ich verlegen: „Ich weiß, es widerfährt mir eine
    große Ehre.“
    [  ]
    Und ich knöpe mit raschen Fingern meinen Überzie-
    her zu, dann redete ich inbrünstig und schüchtern:
    „Ich weiß, Sie halten mich einer Antwort nicht für
    würdig, aber ich müßte ein verweintes Leben führen,
     wenn ich Sie heute nicht fragte.“
    „Ich bitte Sie, so geschmückter Herr, ist das wahr, was
    man mir erzählt hat. Gibt es in Paris Menschen, die nur
    aus verzierten Kleidern bestehn und gibt es dort Häuser,
    die bloß Portale haben und ist es wahr, daß an Sommer-
     tagen der Himmel über der Stadt fliehend blau ist, nur
    verschönt durch angepreßte weiße Wölkchen, die alle
    die Form von Herzen haben? Und gibt es dort ein Pan-
    optikum mit großem Zulauf, in dem bloß Bäume stehn
    mit den Namen der berühmtesten Helden, Verbrecher
     und Verliebten auf kleinen angehängten Tafeln.“
    „Und dann noch diese Nachricht! Diese offenbar lüg-
    nerische Nachricht!“
    „Nicht wahr, diese Straßen von Paris sind plötzlich
    verzweigt; sie sind unruhig, nicht wahr? Es ist nicht
     immer alles in Ordnung, wie könnte es auch sein! Es
    geschieht einmal ein Unfall, Leute sammeln sich, aus den
    Nebenstraßen kommend mit dem großstädtischen
    Schritt, der das Pflaster nur wenig berührt; alle sind
    zwar in Neugierde, aber auch in Furcht vor Enttäu-
     schung; sie atmen schnell und strecken ihre kleinen
    Köpfe vor. Wenn sie aber einander berühren, so verbeu-
    gen sie sich tief und bitten um Verzeihung: ,Es tut mir
    [  ]
    sehr leid, – es geschah ohne Absicht – das Gedränge ist
    groß, verzeihen Sie, ich bitte – es war sehr ungeschickt
    von mir – ich gebe das zu. Mein Name ist – mein Name
    ist Jerome Faroche, Gewürzkrämer bin ich in der rue du
    Cabotin – gestatten Sie, daß ich Sie für morgen zum 
    Mittagessen einlade – auch meine Frau würde so große
    Freude haben.‘ So reden sie, während doch die Gasse
    betäubt ist und der Rauch der Schornsteine zwischen die
    Häuser fällt. So ist es doch. Und wäre es möglich, daß da
    einmal auf einem belebten Boulevard eines vornehmen 
    Viertels zwei Wagen halten. Diener öffnen ernst die Tü-
    ren. Acht edle sibirische Wolfshunde tänzeln hinunter
    und jagen bellend über die Fahrbahn in Sprüngen. Und
    da sagt man, daß es verkleidete junge Pariser Stutzer
    sind.“
    
    Er hatte die Augen fast geschlossen. Als ich schwieg,
    steckte er beide Hände in den Mund und riß am Unter-
    kiefer. Sein Kleid war ganz beschmutzt. Man hatte ihn
    vielleicht aus einer Weinstube hinausgeworfen und er
    war darüber noch nicht im Klaren.
    
    Es war vielleicht diese kleine, ganz ruhige Pause zwi-
    schen Tag und Nacht, wo uns der Kopf, ohne daß wir es
    erwarten, im Genicke hängt und wo alles, ohne daß wir
    es merken, still steht, da wir es nicht betrachten, und
    dann verschwindet. Während wir mit gebogenem Leib 
    allein bleiben, uns dann umschaun, aber nichts mehr
    sehn, auch keinen Widerstand der Lu mehr fühlen,
    [  ]
    aber innerlich uns an der Erinnerung halten, daß in ge-
    wissem Abstand von uns Häuser stehn mit Dächern und
    glücklicherweise eckigen Schornsteinen, durch die das
    Dunkel in die Häuser fließt, durch die Dachkammern in
     die verschiedenartigen Zimmer. Und es ist ein Glück,
    daß morgen ein Tag sein wird, an dem, so unglaublich es
    ist, man alles wird sehen können.
    Da riß der Betrunkene seine Augenbrauen hoch, so
    daß zwischen ihnen und

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