Drucke zu Lebzeiten
Sie.“
„Sicher haben Sie mit Ihren gefärbten Augen jene gro-
ßen Damen gesehn, die schon auf der hohen und lichten
Terasse stehn, sich in schmaler Taille ironisch umwen-
dend, während das Ende ihrer auch auf der Treppe aus-
gebreiteten bemalten Schleppe noch über dem Sand des
Gartens liegt. – Nicht wahr, auf langen Stangen, überall
verteilt, steigen Diener in grauen frechgeschnittenen
Fräcken und weißen Hosen, die Beine um die Stange
gelegt, den Oberkörper aber o nach hinten und zur
Seite gebogen, denn sie müssen an Stricken riesige graue
Leinwandtücher von der Erde heben und in der Höhe
spannen, weil die große Dame einen nebligen Morgen
wünscht.“ Da er sich rülpste, sagte ich fast erschrocken:
„Wirklich, ist es wahr, Sie kommen Herr aus unserem
Paris, aus dem stürmischen Paris, ach, aus diesem
schwärmerischen Hagelwetter?“ Als er sich wieder rülp-
ste, sagte ich verlegen: „Ich weiß, es widerfährt mir eine
große Ehre.“
[ ]
Und ich knöpe mit raschen Fingern meinen Überzie-
her zu, dann redete ich inbrünstig und schüchtern:
„Ich weiß, Sie halten mich einer Antwort nicht für
würdig, aber ich müßte ein verweintes Leben führen,
wenn ich Sie heute nicht fragte.“
„Ich bitte Sie, so geschmückter Herr, ist das wahr, was
man mir erzählt hat. Gibt es in Paris Menschen, die nur
aus verzierten Kleidern bestehn und gibt es dort Häuser,
die bloß Portale haben und ist es wahr, daß an Sommer-
tagen der Himmel über der Stadt fliehend blau ist, nur
verschönt durch angepreßte weiße Wölkchen, die alle
die Form von Herzen haben? Und gibt es dort ein Pan-
optikum mit großem Zulauf, in dem bloß Bäume stehn
mit den Namen der berühmtesten Helden, Verbrecher
und Verliebten auf kleinen angehängten Tafeln.“
„Und dann noch diese Nachricht! Diese offenbar lüg-
nerische Nachricht!“
„Nicht wahr, diese Straßen von Paris sind plötzlich
verzweigt; sie sind unruhig, nicht wahr? Es ist nicht
immer alles in Ordnung, wie könnte es auch sein! Es
geschieht einmal ein Unfall, Leute sammeln sich, aus den
Nebenstraßen kommend mit dem großstädtischen
Schritt, der das Pflaster nur wenig berührt; alle sind
zwar in Neugierde, aber auch in Furcht vor Enttäu-
schung; sie atmen schnell und strecken ihre kleinen
Köpfe vor. Wenn sie aber einander berühren, so verbeu-
gen sie sich tief und bitten um Verzeihung: ,Es tut mir
[ ]
sehr leid, – es geschah ohne Absicht – das Gedränge ist
groß, verzeihen Sie, ich bitte – es war sehr ungeschickt
von mir – ich gebe das zu. Mein Name ist – mein Name
ist Jerome Faroche, Gewürzkrämer bin ich in der rue du
Cabotin – gestatten Sie, daß ich Sie für morgen zum
Mittagessen einlade – auch meine Frau würde so große
Freude haben.‘ So reden sie, während doch die Gasse
betäubt ist und der Rauch der Schornsteine zwischen die
Häuser fällt. So ist es doch. Und wäre es möglich, daß da
einmal auf einem belebten Boulevard eines vornehmen
Viertels zwei Wagen halten. Diener öffnen ernst die Tü-
ren. Acht edle sibirische Wolfshunde tänzeln hinunter
und jagen bellend über die Fahrbahn in Sprüngen. Und
da sagt man, daß es verkleidete junge Pariser Stutzer
sind.“
Er hatte die Augen fast geschlossen. Als ich schwieg,
steckte er beide Hände in den Mund und riß am Unter-
kiefer. Sein Kleid war ganz beschmutzt. Man hatte ihn
vielleicht aus einer Weinstube hinausgeworfen und er
war darüber noch nicht im Klaren.
Es war vielleicht diese kleine, ganz ruhige Pause zwi-
schen Tag und Nacht, wo uns der Kopf, ohne daß wir es
erwarten, im Genicke hängt und wo alles, ohne daß wir
es merken, still steht, da wir es nicht betrachten, und
dann verschwindet. Während wir mit gebogenem Leib
allein bleiben, uns dann umschaun, aber nichts mehr
sehn, auch keinen Widerstand der Lu mehr fühlen,
[ ]
aber innerlich uns an der Erinnerung halten, daß in ge-
wissem Abstand von uns Häuser stehn mit Dächern und
glücklicherweise eckigen Schornsteinen, durch die das
Dunkel in die Häuser fließt, durch die Dachkammern in
die verschiedenartigen Zimmer. Und es ist ein Glück,
daß morgen ein Tag sein wird, an dem, so unglaublich es
ist, man alles wird sehen können.
Da riß der Betrunkene seine Augenbrauen hoch, so
daß zwischen ihnen und
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