Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Drucke zu Lebzeiten

Drucke zu Lebzeiten

Titel: Drucke zu Lebzeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Kafka
Vom Netzwerk:
von Weber, München .
    Ob es will, oder nicht, es ist ein Buch um junge Leute
    glücklich zu machen.
    
    Vielleicht muß der Leser, während er diesen Roman in
    Briefform zu lesen beginnt, aus Not ein wenig einfältig
    werden, denn ein Leser kann nicht gedeihen, beugt man
    seinen Kopf sogleich mit dem ersten Ruck über den un-
    veränderlichen Strom eines Gefühls. Und vielleicht ist 
    diese Einfalt des Lesers die Ursache, daß ihm die Schwä-
    chen des Autors hier im Anfang geradezu morgendlich
    klar erscheinen: Eine beschränkte Terminologie von
    Werthers Schatten umkreist, schmerzlich den Ohren mit
    immer „süß“ und immer „hold“. Ein beständig wieder- 
    kehrendes Entzücken, dessen Fülle niemals aufgegeben
    wird, das aber, o nur noch gerade an den Worten hän-
    gend, tot durch die Seiten geht.
    Wird dann aber der Leser vertrauter, bekommt er ei-
    nen geschützten Platz, dessen Boden schon gemeinsam 
    mit dem Boden der Geschichte zittert, dann ist die Ein-
    sicht nicht mehr schwierig, daß die Briefform des Ro-
    mans den Autor fast mehr braucht, als er sie. Die Brief-
    [  ]
    form gestattet, einen raschen Wechsel aus einem dauern-
    den Zustand herauszuschildern, ohne daß der rasche
    Wechsel um seine Raschheit kommt; sie gestattet, einen
    dauernden Zustand durch einen Aufschrei bekannt zu
     machen und die Dauer bleibt daneben bestehn. Sie er-
    laubt ohne Schaden die Entwicklung aufzuhalten, denn
    während der Mann, dessen berechtigte Hitze uns erregt,
    seine Briefe schreibt, schonen ihn alle Mächte, die Vor-
    hänge sind herabgelassen und bei Ruhigsein des ganzen
     Körpers schiebt er gleichmäßig seine Hand über das
    Briefpapier. Es wird des Nachts im Halbschlaf geschrie-
    ben; je größer die Augen hiebei sind, desto früher fallen
    sie zu. Es werden zwei Briefe hinter einander an ver-
    schiedene Adressaten geschrieben und der zweite mit
     einem Kopf, der nur an den ersten denkt. Es werden
    Briefe abends, in der Nacht und am Morgen geschrie-
    ben, und das Gesicht am Morgen schaut über das schon
    unkenntliche Nachtgesicht hinweg, dem Gesicht vom
    Abend noch mit Verständnis in die Augen. Die Worte
     „Liebstes, liebstes Gretchen!“ kommen verdeckt zwi-
    schen zwei großen Sätzen hervor, stoßen durch die
    Überraschung beide zurück und bekommen alle Frei-
    heit.
    Und wir verlassen alles, den Ruhm, die Dichtkunst,
     die Musik und verlieren uns, wie wir sind, in jenes som-
    merliche Land, wo die Felder und Wiesen „ähnlich wie
    im Holländischen, von schmalen, dunklen Wasserarmen
    [  ]
    durchzogen sind“, wo im Kreise erwachsener Mädchen,
    kleiner Kinder und einer klugen Frau Oswald in das
    Gretchen beim Tiktak kleiner gesprochener Sätze sich
    verliebt. Dieses Gretchen lebt in der tiefsten Stelle des
    Romans; von allen Seiten, immer wieder, stürzen wir 
    ihm zu. Selbst Oswald verlieren wir hie und da aus den
    Augen, sie nicht, selbst durch das lauteste Lachen ihrer
    kleinen Gesellscha sehn wir sie wie durch ein Gebüsch.
    Jedoch kaum sehn wir sie, ihre einfache Gestalt, schon
    sind wir ihr so nahe, daß wir sie nicht mehr sehen kön- 
    nen, kaum fühlen wir sie nahe, sind wir ihr schon entris-
    sen und sehn sie klein in der Ferne. „Sie lehnte ihr Köpf-
    chen an das Birkengeländer, so daß der Mond zur Häle
    ihr Gesicht beschien.“
    Die Bewunderung für diesen Sommer im Herzen – 
    wer wagte zu sagen oder besser wer wagte die leichte
    Beweisführung, daß sich von da ab das Buch zugleich
    mit dem Helden, mit der Liebe, der Treue, zugleich mit
    allen guten Dingen geradewegs totschlägt, während bloß
    die Dichtkunst des Helden siegt, eine Angelegenheit, die 
    nur infolge ihrer Gleichgültigkeit nicht fraglich ist? So
    geschieht es, daß der Leser, je mehr es gegen Ende geht,
    desto stärker zu jenem anfänglichen Sommer sich zu-
    rückwünscht und schließlich, statt dem Helden auf den
    Selbstmordfelsen zu folgen, glücklich zu jenem Sommer 
    zurückkehrt und für immer sich dort festhalten möchte.
    [  ]
    Eine entschlafene Zeitschri
    Die Zeitschri „Hyperion“ hat ihre Arbeit halb ge-
    zwungen, halb freiwillig beendet und ihre zwölf wie
    Steinplatten großen, weißen Hee sollen jetzt abge-
     schlossen sein. Unmittelbar erinnern an sie nur noch die
    Hyperionalmanache  und , um die sich das Pu-
    blikum wie um die unterhaltenden

Weitere Kostenlose Bücher