Drucke zu Lebzeiten
Reliquien eines unbe-
quemen Toten reißt. Der wesentliche Herausgeber war
Franz Blei, dieser bewundernswerte Mann, den die
Mannigfaltigkeit seiner Talente in die dichteste Literatur
hineintreibt, wo er sich aber nicht befreien und halten
kann, sondern mit verwandelter Energie zu Zeitschrif-
tengründungen entläu. Der Verleger war Hans von
Weber, dessen Verlag zuerst vom „Hyperion“ ganz
überdeckt war, heute aber, ohne sich in einer Seitengasse
der Literatur zu verstecken, ohne aber auch mit allge-
meinen Programmen zu strahlen, einer der zielbewußte-
sten großen deutschen Verlage geworden ist.
Die Absicht der Gründer des „Hyperion“ war, mit
ihm in jene Lücke des literarischen Zeitschrienwesens
zu treten, die zuerst der „Pan“ erkannt, nach ihm die
„Insel“ auszufüllen versucht hatte, und die seitdem
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scheinbar offenstand. Hier fängt schon der Irrtum des
„Hyperion“ an. Freilich hat kaum je eine literarische
Zeitschri edler geirrt. Der „Pan“ brachte zu seiner Zeit
über Deutschland die Wohltat eines Schreckens, indem
er die wesentlichen zeitgemäßen, aber noch unerkannten
Kräe einigte und durch einander stärkte. Die „Insel“
erschmeichelte sich dort, wo ihr jene äußerste Notwen-
digkeit fehlte, eine andere, wenn auch niedrigere. Der
„Hyperion“ hatte keine. Er sollte denen, die an den
Grenzen der Literatur wohnen, eine große lebendige
Repräsentation geben; aber sie gebührte jenen nicht, und
sie wollten sie im Grunde auch nicht haben. Diejenigen,
die ihre Natur von der Gemeinscha fernhält, können
nicht ohne Verlust regelmäßig in einer Zeitschri aure-
ten, wo sie sich zwischen den andern Arbeiten in eine
Art bühnenmäßigen Lichts gestellt fühlen müssen und
fremder aussehn, als sie sind; sie brauchen auch keine
Verteidigung, denn das Unverständnis kann sie nicht
treffen, und die Liebe findet sie überall. Sie brauchen
auch keine Kräigung, denn, wenn sie wahrhaig blei-
ben wollen, können sie nur von sich selbst zehren, so
daß man ihnen nicht helfen kann, ohne ihnen vorher zu
schaden. Wenn also die Möglichkeiten anderer Zeit-
schrien, zu repräsentieren, zu zeigen, zu verteidigen,
zu kräigen, sich dem „Hyperion“ versagten, konnten
überdies peinliche Nachteile nicht vermieden werden:
Eine solche Literaturversammlung, wie sie im „Hype-
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rion“ beisammen war, zieht mit Macht und ohne die
Fähigkeit sich zu wehren, Lügenhaes an; dagegen gab
es dort, wo die beste allgemeine Literatur und Kunst in
den „Hyperion“ eintrat, keineswegs immer einen voll-
kommenen Zusammenklang und jedenfalls keinen be-
sondern anderswo nicht zu erreichenden Gewinn. Alle
diese Bedenken aber konnten in den zwei Jahren den
Genuß des „Hyperion“ nicht stören, denn schon der
Reiz des Versuches machte alles vergessen; dem „Hype-
rion“ selbst allerdings gingen diese Bedenken wohl an
den Leib. Sein Andenken aber wird schon deshalb nicht
verschwinden können, weil in den nächsten Generatio-
nen sich sicher keiner finden wird, der den Willen, die
Kra, den Opfermut und die begeisterte Verblendung
hätte, ein ähnliches Unternehmen wieder anzufangen;
und deshalb beginnt der unvergessene „Hyperion“ jeder
Feindscha schon zu entrücken und wird in zehn oder
zwanzig Jahren einfach ein bibliographischer Schatz sein.
[ ]
Erstes Kapitel des Buches „Richard und Samuel“
von Max Brod und Franz Kaa
Unter dem Titel „Richard und Samuel – Eine kleine
Reise durch mitteleuropäische Gegenden“, wird ein
Bändchen die parallelen Reisetagebücher zweier Freunde ver-
schiedenartigen Charakters enthalten.
Samuel ist ein weltläufiger junger Mann, der mit vielem Ernst
sich Kenntnisse im großen Stil und ein richtiges Urteil über alle
Gegenstände des Lebens und der Kunst zu bilden bestrebt ist,
ohne doch jemals nüchtern oder gar pedantisch zu werden.
Richard hat keinen bestimmten Interessekreis, läßt sich von rät-
selhaen Gefühlen, noch mehr von seiner Schwäche treiben,
zeigt aber in seinem engen und zufälligen Kreise so viel Intensität
und naive Selbstständigkeit, daß er nie zu schrullenhaer Komik
ausartet. Dem Berufe nach ist Samuel Sekretär eines Kunstverei-
nes, Richard Bankbeamter. Richard hat Vermögen, arbeitet nur,
weil
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