Drucke zu Lebzeiten
che Angelegenheit wie ein Klaviertransport (Fortepia-
no!), die selbst ganzen Familien Schwierigkeiten macht
und das schwache Mädchen! Wie viel Selbständigkeit
und Entschiedenheit gehört dazu!
Ich frage sie nach ihrem Haushalt. Sie wohnt mit zwei
Freundinnen, abends kau eine von ihnen das Nacht-
mahl in einem Delikatessengeschä, sie unterhalten sich
sehr gut und lachen viel. Daß das alles bei Petroleumbe-
leuchtung geschieht, kommt mir, als ich es höre, merk-
würdig vor, aber ich will es ihr nicht sagen. Offenbar
liegt ihr auch an dieser schlechten Beleuchtung nichts,
denn bei ihrer Energie könnte sie von ihrer Wirtin gewiß
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auch eine bessere erzwingen, wenn es ihr einmal ein-
fiele.
Da sie im Laufe des Gespräches alles vorzeigen muß,
was sie in ihrem Täschchen hat, sehn wir auch eine Me-
dizinflasche mit irgend etwas Abscheulichem Gelbem
drin. Jetzt erst erfahren wir, daß sie nicht ganz gesund
ist, sogar lange krank gelegen ist. Und nachher war sie
noch sehr schwach. Damals hat ihr der Chef selbst gera-
ten (so anständig ist man gegen sie), nur halbe Tage ins
Bureau zu kommen. Jetzt geht es ihr besser, sie muß
aber dieses Eisenpräparat nehmen. Ich rate ihr, es lieber
zum Fenster hinauszuschütten. Sie stimmt zwar leicht
zu (denn das Zeug schmeckt elend), ist aber nicht zum
Ernst zu bringen, trotzdem ich, näher zu ihr vorgebeugt
als jemals, meine gerade darin so klaren Ansichten über
eine naturgemäße Behandlung des menschlichen Orga-
nismus darlegen will, und zwar in der aufrichtigen
Absicht, ihr zu helfen oder zumindest dieses unberatene
Mädchen vor Schaden zu bewahren, und mich so wenig-
stens für einen Augenblick lang als glücklichen Zufall
dieses Mädchens fühle. – Als sie nicht auört zu lachen,
breche ich ab. Geschadet hat mir auch, daß Samuel wäh-
rend meiner ganzen Rede mit dem Kopf gewackelt hat.
Ich kenne ihn ja. Er glaubt an die Ärzte und hält die
Naturheilmethode für lächerlich. Ich verstehe das sehr
gut: er hat nie einen Arzt gebraucht und daher nie ernst-
liche selbständige Gedanken über diese Sache gehabt,
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kann beispielsweise dieses ekelhae Präparat gar nicht
auf sich beziehn. – Wäre ich mit dem Fräulein allein
gewesen, so hätte ich sie schon überzeugt. Denn: wenn
ich in dieser Sache nicht Recht habe, habe ich es in
keiner!
Die Ursache ihrer Blutarmut ist mir ja von allem An-
fang an klar gewesen. Das Bureau. Man kann ja wie alles
auch das Bureauleben als etwas Scherzhaes empfinden
(und dieses Mädchen empfindet es ehrlich so, ist ja voll-
ständig getäuscht), aber im Wesen, in den unglücklichen
Folgen!? – Ich weiß ja, woran ich z. B. bin. Und jetzt soll
gar ein Mädchen im Bureau sitzen, der Frauenrock ist
gar nicht dazu gemacht, wie muß er sich überall span-
nen, um dauernd, stundenlang auf einem harten Holz-
sessel sich hin- und herzuschieben. Und so werden diese
runden Popos gedrückt, und zugleich die Brust an der
Schreibtischkante. – Übertrieben? – Ein Mädchen im
Bureau ist mir doch jedesmal ein trauriger Anblick.
Samuel ist schon ziemlich intim mit ihr geworden. Er
hat sie sogar, was ich eigentlich nie gedacht hätte dazu
gebracht, mit uns in den Speisewagen zu gehn. In diesen
Waggon zwischen fremde Passagiere treten wir schon
mit einer geradezu unglaublichen Zusammengehörigkeit
ein, alle drei. Das muß man sich merken, daß man
zur Verstärkung der Freundscha eine neue Umgebung
aufsuchen soll. Ich sitze jetzt sogar neben ihr, wir trin-
ken Wein, unsere Arme berühren einander, unsere ge-
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meinsame Ferienfreude macht wirklich eine Familie aus
uns.
Dieser Samuel hat sie trotz ihres lebhaen und durch
den Regenguß unterstützten Sträubens überredet, den
halbstündigen Aufenthalt in München zu einer Auto-
fahrt zu benützen. Während er ein Auto holt, sagt sie zu
mir in der Bahnhofsarkade, und sie nimmt mich dabei
beim Arm: „Bitte, verhindern Sie diese Fahrt. Ich darf
nicht mit. Es ist ganz ausgeschlossen. Ich sage es Ihnen,
weil ich zu Ihnen Vertrauen habe. Mit Ihrem Freund
kann man ja nicht reden. Er ist so verrückt!“ – Wir
steigen ein, mir ist das Ganze peinlich, es erinnert mich
auch genau an das Kinematographenstück „Die weiße
Sklavin“, in dem die unschuldige Heldin gleich am
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