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Drucke zu Lebzeiten

Drucke zu Lebzeiten

Titel: Drucke zu Lebzeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Kafka
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Bahnhofsausgang im Dunkel von fremden Männern in
    ein Automobil gedrängt und weggeführt wird. Samuel
    dagegen ist guter Laune. Da der große Schirm des Autos
    uns die Aussicht nimmt, sehn wir eigentlich von allen
    Gebäuden nur den ersten Stock zur Not. Es ist Nacht.
     Perspektiven einer Kellerwohnung. Samuel dagegen lei-
    tet daraus phantastische Vorstellungen über die Höhe
    der Schlösser und Kirchen ab. Da Dora in ihrem dunk-
    len Rücksitz noch immer schweigt und ich schon fast
    einen Ausbruch fürchte, wird er endlich doch stützig
     und fragt sie, für mein Gefühl etwas zu konventionell:
    „Nun, Sie sind doch nicht bös auf mich, Fräulein? Habe
    ich Ihnen etwas getan u. s. f.?“ Sie erwiedert: „Da ich
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    einmal hier bin, will ich Ihnen das Vergnügen nicht stö-
    ren. Sie hätten mich aber nicht zwingen sollen. Wenn ich
    ,Nein‘ sage, so sage ich es nicht ohne Grund. Ich darf
    eben nicht fahren.“ „Warum?“ fragt er. „Das kann ich
    Ihnen nicht sagen. Sie müssen doch selbst einsehn, daß 
    es sich für ein Mädchen nicht schickt, Nachts mit Her-
    ren herumzufahren. Außerdem ist noch etwas dabei.
    Nehmen Sie nur an, ich wäre schon gebunden …“ Wir
    erraten, jeder für uns, mit stillem Respekt, daß diese
    Sache irgendwie mit dem Wagner-Herren zusammen- 
    hängt. Nun, ich habe mir keine Vorwürfe zu machen,
    versuche sie aber trotzdem aufzuheitern. Auch Samuel,
    der sie bisher ein wenig von oben herab behandelt hat,
    scheint zu bereuen und will nur mehr von der Fahrt
    sprechen. Der Chauffeur, von uns aufgefordert, ru die 
    Namen der unsichtbaren Sehenswürdigkeiten aus. Die
    Pneumatics rauschen auf dem nassen Asphalt wie der
    Apparat im Kinematographen. Wieder diese „weiße
    Sklavin“. Diese leeren langen gewaschenen schwarzen
    Gassen. Das Deutlichste sind die unverhängten großen 
    Fenster des Restaurants „Vier Jahreszeiten“, dessen
    Name uns als des elegantesten irgendwie bekannt war.
    Verbeugung eines livrierten Kellners vor einer Tischge-
    sellscha. Bei einem Denkmal, das wir in einem glück-
    lichen Einfall für das berühmte Wagnerdenkmal erklä- 
    ren, zeigt sie Teilnahme. Nur beim Freiheitsmonument
    mit seinen im Regen klatschenden Fontänen ist längerer
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    Aufenthalt gegönnt. Brücke über die nur geahnte Isar.
    Schöne herrschaliche Villen längs des Englischen Gar-
    tens. Ludwigsstraße, eatinerkirche, Feldherrnhalle,
    Pschorrbräu. Ich weiß nicht, wieso das kommt: ich er-
     kenne nichts wieder, obwohl ich doch schon mehrmals
    in München war. Sendlinger Tor. Bahnhof, den rechtzei-
    tig zu erreichen ich (besonders Doras wegen) Sorge hat-
    te. So sind wir wie eine darauin ausgerechnete Feder in
    genau zwanzig Minuten durch die Stadt geschnurrt,
     nach dem Taxameter.
    Wir bringen unsere Dora, als wären wir ihre Münch-
    ner Verwandten, in einem direkten Koupee nach Inns-
    bruck unter, wo eine schwarzgekleidete Dame, die mehr
    zu fürchten ist als wir, ihr für die Nacht ihren Schutz
     anbietet. Da sehe ich erst, daß man uns zweien mit Beru-
    higung ein Mädchen anvertrauen kann.
    Samuel: Die Sache mit Dora ist gründlich mißlun-
    gen. Je weiter es gieng, desto schlimmer. Ich hatte die
    Absicht, die Reise zu unterbrechen und in München zu
     übernachten. Bis zum Nachtmahl, etwa Station Regens-
    burg, war ich überzeugt, daß es gehn würde. Ich ver-
    suchte mich mit Richard durch ein paar Worte auf einem
    Zettel zu verständigen. Er scheint ihn gar nicht gelesen
    zu haben, nur darauf bedacht, ihn zu verstecken.
     Schließlich liegt ja nichts daran, ich hatte gar keine Lust
    auf das fade Frauenzimmer. Nur Richard machte so ein
    Wesen aus ihr, mit seinen umständlichen Ansprachen und
    [  ]
    Gefälligkeiten. Dadurch wurde sie auch in ihrer dummen
    Ziererei bekräigt, die schließlich im Automobil ganz
    unerträglich wurde. Beim Abschied wurde sie folgerecht
    ein sentimentales deutsches Gretchen, Richard, der ihr
    natürlich den Koffer trug, benahm sich, wie wenn sie ihn 
    unverdient beglückt hätte, ich hatte nur ein peinliches
    Gefühl. Um es kurz zu formulieren: Frauen, die allein
    reisen oder sonst irgendwie als selbständig betrachtet
    sein wollen, dürfen dann nicht wieder in die übliche,
    vielleicht heute schon veraltete Koketterie verfallen, in- 
    dem sie bald anziehn, bald abstoßen und in der dadurch
    erzeugten Verwirrung ihren

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