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Drucke zu Lebzeiten

Drucke zu Lebzeiten

Titel: Drucke zu Lebzeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Kafka
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passieren
    erwartet habe, wie diesmal Lindau, Konstanz, ich glaube
    auch Romanshorn und habe von ihnen weniger Gewinn, 
    als wenn ich von ihnen nur geträumt hätte, im Gegenteil
    nur Störung. Erwache ich während der Fahrt, dann ist
    das Erwachen stärker, weil es wie gegen die Natur des
    Eisenbahnschlafes ist. Ich öffne die Augen und wende
    mich einen Augenblick zum Fenster. Viel sehe ich da 
    nicht, und was ich sehe, ist mit dem nachlässigen Ge-
    dächtnis des Träumenden erfaßt. Doch möchte ich
    schwören, daß ich irgendwo im Würtembergischen, wie
    wenn ich auch dieses Würtembergische ausdrücklich er-
    kannt hätte, um zwei Uhr in der Nacht einen Mann 
    gesehen habe, der auf der Veranda seines Landhauses
    sich zum Geländer beugte. Hinter ihm war die Tür sei-
    nes beleuchteten Schreibzimmers halb geöffnet, als sei er
    nur herausgekommen, um vor dem Schlaf noch den
    Kopf zu kühlen. … In Lindau war im Bahnhof, aber 
    auch während der Einfahrt und der Ausfahrt viel Gesang
    in der Nacht und weil man überhaupt in einer solchen
    [  ]
    Fahrt in der Nacht von Samstag auf Sonntag viel nächtli-
    ches Leben auf weiten Strecken, nur leicht im Schlaf
    beirrt, zusammenkehrt, scheint einem der Schlaf beson-
    ders tief und die Unruhe draußen besonders laut zu sein.
     Auch die Schaffner, die ich öers an meiner getrübten
    Fensterscheibe vorüberlaufen sah, und die niemanden
    wecken, sondern nur ihre Pflicht erfüllen wollten, riefen
    in der Leere der Bahnhofsräume überlaut eine Silbe des
    Stationsnamens zu uns herein und weiterhin die andern.
     Dann lockte es meine Reisegenossen sich den Namen
    zusammenzusetzen oder sie erhoben sich, um durch die
    immer wieder abgewischte Scheibe den Namen selbst zu
    lesen; mein Kopf aber fiel schon zurück aufs Holz.
    Wenn man aber schon einmal so gut im Fahren schla-
     fen kann wie ich – Samuel durchsitzt die ganze Nacht
    mit offenen Augen, wie er behauptet – dann sollte man
    auch erst bei der Ankun erwachen dürfen, um sich
    nicht im Augenblick des Aufwachens aus gesundem
    Schlaf mit fettigem Gesicht, nassem Körper, kreuz und
     quer gedrückten Haaren, in Wäsche und Kleidern, die
     Stunden, ohne geputzt und gelüet zu werden, im
    Eisenbahnstaub bestanden habend, in einen Winkel des
    Koupees gekrümmt zu finden und in diesem Zustand
    weiterfahren zu müssen. Hätte man jetzt die Kra dazu,
     würde man den Schlaf verfluchen, so aber beneidet man
    nur im Stillen Leute, die wie Samuel, vielleicht nur weil-
    chenweise geschlafen haben, aber dafür auch besser auf
    [  ]
    sich achten konnten, fast die ganze Fahrt mit Bewußt-
    sein gemacht haben und die durch die Unterdrückung
    des Schlafes, dessen sie schließlich auch fähig gewesen
    wären, bei ununterbrochenem klarem Verstande geblie-
    ben sind. Ich war ja Samuel am Morgen ausgeliefert.
    
    Wir standen nebeneinander beim Fenster, ich nur sei-
    netwegen, und während er mir zeigte, was von der
    Schweiz zu sehen war und von dem erzählte, was ich
    verschlafen hatte, nickte ich und bewunderte, wie er
    wollte. Es ist noch ein Glück, daß er solche Zustände an 
    mir entweder nicht merkt oder nicht richtig beurteilt,
    denn gerade zu solchen Zeiten ist er freundlicher zu mir,
    als dann, wenn ich es besser verdiene. Ernstha aber
    dachte ich damals nur an die Lippert. Ein wahres Urteil
    über neue kurze Bekanntschaen, besonders mit Frau- 
    en, kann ich mir ja nur schwer bilden. In der Zeit näm-
    lich, in der die Bekanntscha im Gange ist, beaufsichtige
    ich lieber mich selbst, weil da viel zu tun ist, und so habe
    ich auch an ihr nur einen lächerlichen Teil von dem be-
    merkt, was ich flüchtig und gleich verloren an ihr ahnte. 
    In der Erinnerung wiederum nehmen diese Bekannt-
    schaen sofort große anbetungswürdige Formen an, da
    sie dort stumm sind, nur ihrer eigenen Beschäigung
    nachgehn und durch ihr völliges Vergessen unserer Per-
    son ihre Mißachtung unserer Bekanntscha zeigen. 
    Doch war noch ein anderer Grund, weshalb ich mich
    nach Dora, dem nächsten Mädchen meiner Erinnerung,
    [  ]
    so sehnte. Samuel genügte mir an diesem Morgen nicht.
    Er wollte als mein Freund eine Reise mit mir machen,
    aber das war nicht viel. Das bedeutete nur, daß ich an
    allen Tagen dieser Reise einen angezogenen Mann neben
     mir haben werde, dessen Körper ich nur im Bade sehen
    kann, ohne

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