Drucke zu Lebzeiten
auch nach diesem Anblick das geringste Ver-
langen zu haben. Samuel würde ja schließlich meinen
Kopf an seiner Brust dulden, wenn ich dort weinen
wollte, aber können mir beim Anblick seines männli-
chen Gesichts, seines knapp wehenden Spitzbartes, sei-
nes zusammengeklappten Mundes – da höre ich schon
auf – können mir denn ihm gegenüber die erlösenden
Tränen in die Augen kommen?
(Fortsetzung folgt)
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Großer Lärm
Ich sitze in meinem Zimmer im Hauptquartier des
Lärms der ganzen Wohnung. Alle Türen höre ich schla-
gen, durch ihren Lärm bleiben mir nur die Schritte der
zwischen ihnen Laufenden erspart, noch das Zuklappen
der Herdtüre in der Küche höre ich. Der Vater durch-
bricht die Türen meines Zimmers und zieht im nach-
schleppenden Schlafrock durch, aus dem Ofen im Ne-
benzimmer wird die Asche gekratzt, Valli fragt, durch
das Vorzimmer Wort für Wort rufend, ob des Vaters Hut
schon geputzt ist, ein Zischen, das mir befreundet sein
will, erhebt noch das Geschrei einer antwortenden Stim-
me. Die Wohnungstüre wird aufgeklinkt und lärmt, wie
aus katarrhalischem Hals, öffnet sich dann weiterhin mit
dem Singen einer Frauenstimme und schließt sich end-
lich mit einem dumpfen, männlichen Ruck, der sich am
rücksichtslosesten anhört. Der Vater ist weg, jetzt be-
ginnt der zartere, zerstreutere, hoffnungslosere Lärm,
von den Stimmen der zwei Kanarienvögel angeführt.
Schon früher dachte ich daran, bei den Kanarienvögeln
fällt es mir von neuem ein, ob ich nicht die Türe bis zu
einer kleinen Spalte öffnen, schlangengleich ins Neben-
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zimmer kriechen und so auf dem Boden meine Schwe-
stern und ihr Fräulein um Ruhe bitten sollte.
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Aus Matlárháza. In Matlárháza ist gegenwärtig eine
kleine Ausstellung von Tatra-Bildern von Anton Holub
zu sehen, die lebhae Aufmerksamkeit findet und ver-
dient. Unter den Aquarellen scheinen uns jene aus
abendlichen Stimmungen mit ihrem düsteren Ernst den
Vorzug zu verdienen, während die Ansichten aus sonni-
gen Tagen bei aller Feinheit der Töne eine gewisse Er-
denschwere noch nicht überwinden können. Vor allem
aber gefallen die Federzeichnungen. Mit ihrem zarten
Strich, ihrem perspektivischen Reiz, ihrer wohlbedach-
ten bald holzschnittmäßigen, bald mehr der Radierung
angenäherten Komposition sind es erstaunlich achtungs-
werte Leistungen. Gerade solche treue, dabei persönlich
betonte Bilder sind mehr als alles andere imstande, den
Blick für die Schönheit unserer Berge zu öffnen. Wir
würden uns freuen, wenn von diesen Arbeiten bald eine
größere und auch einem größeren Publikum zugängliche
Ausstellung veranstaltet würde.
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Der Kübelreiter
Verbraucht alle Kohle; leer der Kübel; sinnlos die Schau-
fel; Kälte atmend der Ofen; das Zimmer vollgeblasen
von Frost; vor dem Fenster Bäume starr im Reif; der
Himmel, ein silberner Schild gegen den, der von ihm
Hilfe will. Ich muß Kohle haben; ich darf doch nicht
erfrieren; hinter mir der erbarmungslose Ofen, vor mir
der Himmel ebenso; infolgedessen muß ich scharf zwi-
schendurch reiten und in der Mitte beim Kohlenhändler
Hilfe suchen. Gegen meine gewöhnlichen Bitten aber ist
er schon abgestump; ich muß ihm ganz genau nach-
weisen, daß ich kein einziges Kohlenstäubchen mehr ha-
be und daß er daher für mich geradezu die Sonne am
Firmament bedeutet. Ich muß kommen, wie der Bettler,
der röchelnd vor Hunger an der Türschwelle verenden
will und dem deshalb die Herrschasköchin den Boden-
satz des letzten Kaffees einzuflößen sich entscheidet;
ebenso muß mir der Händler, wütend, aber unter dem
Strahl des Gebotes „Du sollst nicht töten!“ eine Schaufel
voll in den Kübel schleudern.
Meine Auffahrt schon muß es entscheiden; ich reite
deshalb auf dem Kübel hin. Als Kübelreiter, die Hand
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oben am Griff, dem einfachsten Zaumzeug, drehe ich
mich beschwerlich die Treppe hinab; unten aber steigt
mein Kübel auf, prächtig, prächtig; Kameele, niedrig am
Boden hingelagert, steigen, sich schüttelnd unter dem
Stock des Führers, nicht schöner auf. Durch die fest
gefrorene Gasse geht es in ebenmäßigem Trab; o werde
ich bis zur Höhe der ersten Stockwerke gehoben; nie-
mals sinke ich bis zur Haustüre hinab. Und außerge-
wöhnlich hoch schwebe ich vor dem
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