Drucke zu Lebzeiten
zu
haben … Jetzt aber wäre ich natürlich glücklich, wenn
Ihnen die Sachen auch nur soweit gefielen, daß Sie sie
druckten.“
Immer wieder, bis zu dem ,Landarzt‘-Band von ,
wird Franz Kaa seine Freude über die vom Verlag für
,Betrachtung‘ gewählte große, schöne Schri und die
gepflegte, um nicht zu sagen luxuriöse Ausstattung zu
erkennen geben, so wie zuvor bereits über „Englisch
Velin“ oder „Kaiserlich Japan“ der Zeitschri ,Hype-
[ ]
rion‘, in der sein allererster Druck vorlag. Seine Texte
brauchten, heißt es in einem Brief, um sich entfalten zu
können, „ganz freien Raum um sich“ (am . . an
den Kurt Wolff Verlag). Andererseits dann aber die Ver-
senkung in den aller Welt entrückten Schreibakt: Man
weiß von Kaas eingezogenem und selbstvergessenem
nächtlichen Schreiben, das nichts ist als Hingabe und
Verströmen. „Nur so kann geschrieben werden, nur in
einem solchen Zusammenhang, mit solcher vollständi-
gen Öffnung des Leibes und der Seele“, versichert Kaa
sich selbst in der auf die Niederschri des ,Urteils‘
folgenden Tagebucheintragung vom . September .
Wenige Monate zuvor schon, am . Januar, hatte er
notiert: „Als es in meinem Organismus klar geworden
war, daß das Schreiben die ergiebigste Richtung meines
Wesens sei, drängte sich alles hin und ließ alle Fähigkei-
ten leer stehn, die sich auf die Freuden des Geschlechtes,
des Essens, des Trinkens, des philosophischen Nachden-
kens der Musik zu allererst richteten. Ich magerte nach
allen diesen Richtungen ab.“
Und noch kurz vor seinem Tod wird er an den jungen
Medizinstudenten Robert Klopstock schreiben (in ei-
nem Brief vom Ende März ): „… und dieses Schrei-
ben ist mir in einer für jeden Menschen um mich grau-
samsten … Weise das Wichtigste auf Erden, wie etwa
einem Irrsinnigen sein Wahn … oder wie einer Frau ihre
Schwangerscha.“
[ ]
Zwischen Öffnung und Selbstversenkung, zwischen
der Lust an der Schri, die vor der Welt erscheint, und
der fast bewußtlosen Hingabe an die über das Papier
gleitende Hand wird alle Zwiespältigkeit von Kaas
„Zögern vor der Geburt“ (Tagebucheintragung vom
. . ) des Textes wahrnehmbar. Da gibt es das
freudige Vorlesen des eben Geschriebenen im engsten
Kreis der Schwestern (wie am Morgen nach der Entste-
hungsnacht des ,Urteils‘); da gibt es den Vortrag neuer
Texte im Zirkel der Freunde, begleitet vom Lachen des
Vorlesenden, so daß dieser, wie Brod berichtet, „weil-
chenweise nicht weiterlesen konnte“; aber da gibt es
auch die Lesung vor geladenen Hörern, wie im Fall des
,Urteils‘ in der Herder-Vereinigung zu Prag am . De-
zember oder der ,Straolonie‘ im Kunstsalon
Goltz in München am . November . Und es gibt
schließlich die ausdrückliche Markierung des gedruckten
Textes „nach außen“, als ein „Geleiten“ in die Welt der
Öffentlichkeit: durch die Widmungen, gleichsam die Er-
schaffung des Adressaten als Rechtfertigungsgrund des
publizierten Textes: so die Zueignung der ,Betrachtung‘
() an den Freund Max Brod, des ,Urteils‘ () an
die Verlobte Felice Bauer, des ,Landarzt‘-Bandes ()
an den Vater Hermann Kaa. Erst der letzte Erzählun-
genband Kaas, ,Ein Hungerkünstler‘ (), dessen
Korrekturfahnen er noch liest, dessen Erscheinen er
aber nicht mehr erlebt, wird ohne Widmung bleiben,
[ ]
allein aus der freien Verantwortung des Autors ans Licht
der Öffentlichkeit treten.
Kaas Werk muß im Zeichen solchen Zögerns zwi-
schen Verhehlung und Publikation des Geschriebenen
gelesen werden. Dieser ambivalente Gestus gehört zum
Wesen seines Schreibens wie seines Verhältnisses zur
Welt. So könnte man auch sagen: Das zu Lebzeiten
Kaas Veröffentlichte bildet nur die Spitze eines Eis-
berges, ein Fünel nur dessen, was nach dem Willen
des Autors der Nachwelt ohnehin vorzuenthalten war.
In seinen „Testamenten“ hatte er Max Brod, dem
Freund und Verwalter des Nachlasses, die Vernichtung
des Unpublizierten und das der Vergessenheit Überant-
worten des Publizierten zugemutet; hatte ihm, dem
Autor und Freund, die Wahl zwischen der Rolle des
Judas oder des Johannes überlassen. Er forderte von
ihm (im „Testament“ vom .
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