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Drucke zu Lebzeiten

Drucke zu Lebzeiten

Titel: Drucke zu Lebzeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Kafka
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Kellergewölbe des
    Händlers, in dem er tief unten an seinem Tischchen kau- 
    ert und schreibt; um die übergroße Hitze abzulassen,
    hat er die Tür geöffnet.
    „Kohlenhändler!“ rufe ich mit vor Kälte hohl ge-
    brannter Stimme, in Rauchwolken des Atems gehüllt,
    „bitte Kohlenhändler, gib mir ein wenig Kohle. Mein 
    Kübel ist schon so leer, daß ich auf ihm reiten kann. Sei
    so gut. Bis ich kann, bezahl ichs.“
    Der Händler legt die Hand ans Ohr. „Hör ich recht?“
    fragt er über die Schulter weg seine Frau, die auf der
    Ofenbank strickt, „hör ich recht? Eine Kundscha.“
    
    „Ich höre gar nichts“, sagt die Frau, ruhig aus- und
    einatmend über den Stricknadeln, wohlig im Rücken ge-
    wärmt.
    „O ja“, rufe ich, „ich bin es; eine alte Kundscha;
    treu ergeben; nur augenblicklich mittellos.“
    
    „Frau“, sagt der Händler, „es ist, es ist jemand; so
    sehr kann ich mich doch nicht täuschen; eine alte, eine
    [  ]
    sehr alte Kundscha muß es sein, die mir so zum Herzen
    zu sprechen weiß.“
    „Was hast du, Mann?“ sagt die Frau und drückt, einen
    Augenblick ausruhend, die Handarbeit an die Brust,
     „niemand ist es; die Gasse ist leer; alle unsere Kund-
    scha ist versorgt; wir könnten für Tage das Geschä
    sperren und ausruhn.“
    „Aber ich sitze doch hier auf dem Kübel“, rufe ich
    und gefühllose Tränen der Kälte verschleiern mir die
     Augen, „bitte seht doch herauf; Ihr werdet mich gleich
    entdecken; um eine Schaufel voll bitte ich; und gebt Ihr
    zwei, macht Ihr mich überglücklich. Es ist doch schon
    alle übrige Kundscha versorgt. Ach, hörte ich es doch
    schon in dem Kübel klappern!“
     „Ich komme“, sagt der Händler und kurzbeinig will
    er die Kellertreppe emporsteigen, aber die Frau ist schon
    bei ihm, hält ihn beim Arm fest und sagt: „Du bleibst.
    Läßt du von deinem Eigensinn nicht ab, so gehe ich
    hinauf. Erinnere dich an deinen schweren Husten heute
     nachts. Aber für ein Geschä und sei es auch ein einge-
    bildetes, vergißt du Frau und Kind und opferst deine
    Lungen. Ich gehe.“ „Dann nenn ihm aber alle Sorten,
    die wir auf Lager haben; die Preise rufe ich dir nach.“
    „Gut“, sagt die Frau und steigt zur Gasse auf. Natürlich
     sieht sie mich gleich.
    „Frau Kohlenhändlerin“, rufe ich, „ergebenen Gruß;
    nur eine Schaufel Kohle; gleich hier in den Kübel; ich
    [  ]
    führe sie selbst nach Hause; eine Schaufel von der
    schlechtesten. Ich bezahle sie natürlich voll, aber nicht
    gleich, nicht gleich.“ Was für ein Glockenklang sind die
    zwei Worte „nicht gleich“ und wie sinnverwirrend mi-
    schen sie sich mit dem Abendläuten, das eben vom na- 
    hen Kirchturm zu hören ist.
    „Was will er also haben?“ ru der Händler. „Nichts“,
    ru die Frau zurück, „es ist ja nichts; ich sehe nichts, ich
    höre nichts; nur sechs Uhr läutet es und wir schließen.
    Ungeheuer ist die Kälte; morgen werden wir wahr- 
    scheinlich doch viel Arbeit haben.“
    Sie sieht nichts und hört nichts; aber dennoch löst sie
    das Schürzenband und versucht mich mit der Schürze
    fortzuwehen. Leider gelingt es. Alle Vorzüge eines guten
    Reittieres hat mein Kübel; Widerstandskra hat er 
    nicht; zu leicht ist er; eine Frauenschürze jagt ihm die
    Beine vom Boden.
    „Du Böse!“ rufe ich noch zurück, während sie, zum
    Geschä sich wendend, halb verächtlich, halb befriedigt
    mit der Hand in die Lu schlägt, „du Böse! Um eine 
    Schaufel von der schlechtesten habe ich gebeten und du
    hast sie mir nicht gegeben.“ Und damit steige ich in die
    Regionen der Eisgebirge und verliere mich auf Nimmer-
    wiedersehn.
    [  ]
    Zu dieser Ausgabe
    Kaas Verhältnis zur Veröffentlichung seiner eigenen
    Texte war zwiespältig und voller Widersprüche. Als sein
    Freund Max Brod ihn am . Juni  beim Rowohlt
    Verlag eingeführt hatte, den zu dieser Zeit noch Ernst
    Rowohlt und Kurt Wolff gemeinsam leiteten, schrieb
    Kaa am . August  mit Bezug auf die Publika-
    tionszusage für den Band ,Betrachtung‘ an den Verleger:
    „Hier lege ich Ihnen die kleine Prosa vor, die Sie zu
    sehen wünschen … Während ich sie für diesen Zweck
    zusammenstellte, hatte ich manchmal die Wahl zwischen
    der Beruhigung meines Verantwortungsgefühls und der
    Gier, unter Ihren schönen Büchern auch ein Buch

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