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Drucke zu Lebzeiten

Drucke zu Lebzeiten

Titel: Drucke zu Lebzeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Kafka
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auszupressen, als der Filz noch
    ersticken kann; damals aber tropen die schreibenden
    Nadeln eine beizende Flüssigkeit aus, die heute nicht
    mehr verwendet werden darf. Nun, und dann kam die
     sechste Stunde! Es war unmöglich, allen die Bitte, aus
    der Nähe zuschauen zu dürfen, zu gewähren. Der Kom-
    mandant in seiner Einsicht ordnete an, daß vor allem die
    Kinder berücksichtigt werden sollten; ich allerdings
    dure kra meines Berufes immer dabeistehen; o
     hockte ich dort, zwei kleine Kinder rechts und links in
    meinen Armen. Wie nahmen wir alle den Ausdruck der
    Verklärung von dem gemarterten Gesicht, wie hielten
    wir unsere Wangen in den Schein dieser endlich erreich-
    ten und schon vergehenden Gerechtigkeit! Was für Zei-
     ten, mein Kamerad!“ Der Offizier hatte offenbar verges-
    sen, wer vor ihm stand; er hatte den Reisenden umarmt
    und den Kopf auf seine Schulter gelegt. Der Reisende war
    in großer Verlegenheit, ungeduldig sah er über den Offi-
    zier hinweg. Der Soldat hatte die Reinigungsarbeit been-
     det und jetzt noch aus einer Büchse Reisbrei in den Napf
    geschüttet. Kaum merkte dies der Verurteilte, der sich
    schon vollständig erholt zu haben schien, als er mit der
    [  ]
    Zunge nach dem Brei zu schnappen begann. Der Soldat
    stieß ihn immer wieder weg, denn der Brei war wohl für
    eine spätere Zeit bestimmt, aber ungehörig war es jeden-
    falls auch, daß der Soldat mit seinen schmutzigen Händen
    hineingriff und vor dem gierigen Verurteilten davon aß.
    
    Der Offizier faßte sich schnell. „Ich wollte Sie nicht
    etwa rühren“, sagte er, „ich weiß, es ist unmöglich, jene
    Zeiten heute begreiflich zu machen. Im übrigen arbeitet
    die Maschine noch und wirkt für sich. Sie wirkt für sich,
    auch wenn sie allein in diesem Tale steht. Und die Leiche 
    fällt zum Schluß noch immer in dem unbegreiflich sanf-
    ten Flug in die Grube, auch wenn nicht, wie damals,
    Hunderte wie Fliegen um die Grube sich versammeln.
    Damals mußten wir ein starkes Geländer um die Grube
    anbringen, es ist längst weggerissen.“
    
    Der Reisende wollte sein Gesicht dem Offizier entzie-
    hen und blickte ziellos herum. Der Offizier glaubte, er
    betrachte die Öde des Tales; er ergriff deshalb seine
    Hände, drehte sich um ihn, um seine Blicke zu fassen,
    und fragte: „Merken Sie die Schande?“
    
    Aber der Reisende schwieg. Der Offizier ließ für ein
    Weilchen von ihm ab; mit auseinandergestellten Beinen,
    die Hände in den Hüen, stand er still und blickte zu
    Boden. Dann lächelte er dem Reisenden aufmunternd zu
    und sagte: „Ich war gestern in Ihrer Nähe, als der Kom- 
    mandant Sie einlud. Ich hörte die Einladung. Ich kenne
    den Kommandanten. Ich verstand sofort, was er mit der
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    Einladung bezweckte. Trotzdem seine Macht groß ge-
    nug wäre, um gegen mich einzuschreiten, wagt er es
    noch nicht, wohl aber will er mich Ihrem, dem Urteil
    eines angesehenen Fremden aussetzen. Seine Berech-
     nung ist sorgfältig; Sie sind den zweiten Tag auf der
    Insel, Sie kannten den alten Kommandanten und seinen
    Gedankenkreis nicht, Sie sind in europäischen Anschau-
    ungen befangen, vielleicht sind Sie ein grundsätzlicher
    Gegner der Todesstrafe im allgemeinen und einer derar-
     tigen maschinellen Hinrichtungsart im besonderen, Sie
    sehen überdies, wie die Hinrichtung ohne öffentliche
    Anteilnahme, traurig, auf einer bereits etwas beschä-
    digten Maschine vor sich geht – wäre es nun, alles die-
    ses zusammengenommen (so denkt der Kommandant),
     nicht sehr leicht möglich, daß Sie mein Verfahren nicht
    für richtig halten? Und wenn Sie es nicht für richtig
    halten, werden Sie dies (ich rede noch immer im Sinne
    des Kommandanten) nicht verschweigen, denn Sie ver-
    trauen doch gewiß Ihren vielerprobten Überzeugungen.
     Sie haben allerdings viele Eigentümlichkeiten vieler Völ-
    ker gesehen und achten gelernt, Sie werden daher wahr-
    scheinlich sich nicht mit ganzer Kra, wie Sie es viel-
    leicht in Ihrer Heimat tun würden, gegen das Verfahren
    aussprechen. Aber dessen bedarf der Kommandant gar
     nicht. Ein flüchtiges, ein bloß unvorsichtiges Wort ge-
    nügt. Es muß gar nicht Ihrer Überzeugung entsprechen,
    wenn es nur scheinbar seinem Wunsche entgegen-
    [  ]
    kommt. Daß er Sie mit aller Schlauheit ausfragen wird,
    dessen bin ich gewiß. Und seine Damen werden im Kreis
    herumsitzen

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