Drucke zu Lebzeiten
Auch der Verurteilte sah ihr zu, aber ohne
Verständnis. Er bückte sich ein wenig und verfolgte die
schwankenden Nadeln, als ihm der Soldat, auf ein Zei-
chen des Offiziers, mit einem Messer hinten Hemd und
Hose durchschnitt, so daß sie von dem Verurteilten
abfielen; er wollte nach dem fallenden Zeug greifen, um
seine Blöße zu bedecken, aber der Soldat hob ihn in die
Höhe und schüttelte die letzten Fetzen von ihm ab. Der
Offizier stellte die Maschine ein, und in der jetzt eintre-
tenden Stille wurde der Verurteilte unter die Egge gelegt.
Die Ketten wurden gelöst, und statt dessen die Riemen
befestigt; es schien für den Verurteilten im ersten Au-
genblick fast eine Erleichterung zu bedeuten. Und nun
senkte sich die Egge noch ein Stück tiefer, denn es war
ein magerer Mann. Als ihn die Spitzen berührten, ging
ein Schauer über seine Haut; er streckte, während der
Soldat mit seiner rechten Hand beschäigt war, die linke
aus, ohne zu wissen wohin; es war aber die Richtung,
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wo der Reisende stand. Der Offizier sah ununterbro-
chen den Reisenden von der Seite an, als suche er von
seinem Gesicht den Eindruck abzulesen, den die Exeku-
tion, die er ihm nun wenigstens oberflächlich erklärt
hatte, auf ihn mache.
Der Riemen, der für das Handgelenk bestimmt war,
riß; wahrscheinlich hatte ihn der Soldat zu stark angezo-
gen. Der Offizier sollte helfen, der Soldat zeigte ihm das
abgerissene Riemenstück. Der Offizier ging auch zu ihm
hinüber und sagte, das Gesicht dem Reisenden zuge-
wendet: „Die Maschine ist sehr zusammengesetzt, es
muß hie und da etwas reißen oder brechen; dadurch darf
man sich aber im Gesamturteil nicht beirren lassen. Für
den Riemen ist übrigens sofort Ersatz gescha; ich wer-
de eine Kette verwenden; die Zartheit der Schwingung
wird dadurch für den rechten Arm allerdings beeinträch-
tigt.“ Und während er die Ketten anlegte, sagte er noch:
„Die Mittel zur Erhaltung der Maschine sind jetzt sehr
eingeschränkt. Unter dem früheren Kommandanten war
eine mir frei zugängliche Kassa nur für diesen Zweck
bestimmt. Es gab hier ein Magazin, in dem alle mögli-
chen Ersatzstücke auewahrt wurden. Ich gestehe, ich
trieb damit fast Verschwendung, ich meine früher, nicht
jetzt, wie der neue Kommandant behauptet, dem alles
nur zum Vorwand dient, alte Einrichtungen zu bekämp-
fen. Jetzt hat er die Maschinenkassa in eigener Verwal-
tung, und schicke ich um einen neuen Riemen, wird der
[ ]
zerrissene als Beweisstück verlangt, der neue kommt erst
in zehn Tagen, ist dann aber von schlechterer Sorte und
taugt nicht viel. Wie ich aber in der Zwischenzeit ohne
Riemen die Maschine betreiben soll, darum kümmert
sich niemand.“
Der Reisende überlegte: Es ist immer bedenklich, in
fremde Verhältnisse entscheidend einzugreifen. Er war
weder Bürger der Straolonie, noch Bürger des Staates,
dem sie angehörte. Wenn er diese Exekution verurteilen
oder gar hintertreiben wollte, konnte man ihm sagen:
Du bist ein Fremder, sei still. Darauf hätte er nichts
erwidern, sondern nur hinzufügen können, daß er sich
in diesem Falle selbst nicht begreife, denn er reise nur
mit der Absicht zu sehen und keineswegs etwa, um
fremde Gerichtsverfassungen zu ändern. Nun lagen aber
hier die Dinge allerdings sehr verführerisch. Die Unge-
rechtigkeit des Verfahrens und die Unmenschlichkeit der
Exekution war zweifellos. Niemand konnte irgendeine
Eigennützigkeit des Reisenden annehmen, denn der Ver-
urteilte war ihm fremd, kein Landsmann und ein zum
Mitleid gar nicht auffordernder Mensch. Der Reisende
selbst hatte Empfehlungen hoher Ämter, war hier mit
großer Höflichkeit empfangen worden, und daß er zu
dieser Exekution eingeladen worden war, schien sogar
darauf hinzudeuten, daß man sein Urteil über dieses Ge-
richt verlangte. Dies war aber um so wahrscheinlicher,
als der Kommandant, wie er jetzt überdeutlich gehört
[ ]
hatte, kein Anhänger dieses Verfahrens war und sich ge-
genüber dem Offizier fast feindselig verhielt.
Da hörte der Reisende einen Wutschrei des Offiziers.
Er hatte gerade, nicht ohne Mühe, dem Verurteilten den
Filzstumpf in den Mund geschoben, als der Verurteilte
in einem unwiderstehlichen Brechreiz die Augen schloß
und sich erbrach. Eilig riß ihn der Offizier vom Stumpf
in die
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