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Drucke zu Lebzeiten

Drucke zu Lebzeiten

Titel: Drucke zu Lebzeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Kafka
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Auch der Verurteilte sah ihr zu, aber ohne
    Verständnis. Er bückte sich ein wenig und verfolgte die
    schwankenden Nadeln, als ihm der Soldat, auf ein Zei-
    chen des Offiziers, mit einem Messer hinten Hemd und
    Hose durchschnitt, so daß sie von dem Verurteilten
     abfielen; er wollte nach dem fallenden Zeug greifen, um
    seine Blöße zu bedecken, aber der Soldat hob ihn in die
    Höhe und schüttelte die letzten Fetzen von ihm ab. Der
    Offizier stellte die Maschine ein, und in der jetzt eintre-
    tenden Stille wurde der Verurteilte unter die Egge gelegt.
     Die Ketten wurden gelöst, und statt dessen die Riemen
    befestigt; es schien für den Verurteilten im ersten Au-
    genblick fast eine Erleichterung zu bedeuten. Und nun
    senkte sich die Egge noch ein Stück tiefer, denn es war
    ein magerer Mann. Als ihn die Spitzen berührten, ging
     ein Schauer über seine Haut; er streckte, während der
    Soldat mit seiner rechten Hand beschäigt war, die linke
    aus, ohne zu wissen wohin; es war aber die Richtung,
    [  ]
    wo der Reisende stand. Der Offizier sah ununterbro-
    chen den Reisenden von der Seite an, als suche er von
    seinem Gesicht den Eindruck abzulesen, den die Exeku-
    tion, die er ihm nun wenigstens oberflächlich erklärt
    hatte, auf ihn mache.
    
    Der Riemen, der für das Handgelenk bestimmt war,
    riß; wahrscheinlich hatte ihn der Soldat zu stark angezo-
    gen. Der Offizier sollte helfen, der Soldat zeigte ihm das
    abgerissene Riemenstück. Der Offizier ging auch zu ihm
    hinüber und sagte, das Gesicht dem Reisenden zuge- 
    wendet: „Die Maschine ist sehr zusammengesetzt, es
    muß hie und da etwas reißen oder brechen; dadurch darf
    man sich aber im Gesamturteil nicht beirren lassen. Für
    den Riemen ist übrigens sofort Ersatz gescha; ich wer-
    de eine Kette verwenden; die Zartheit der Schwingung 
    wird dadurch für den rechten Arm allerdings beeinträch-
    tigt.“ Und während er die Ketten anlegte, sagte er noch:
    „Die Mittel zur Erhaltung der Maschine sind jetzt sehr
    eingeschränkt. Unter dem früheren Kommandanten war
    eine mir frei zugängliche Kassa nur für diesen Zweck 
    bestimmt. Es gab hier ein Magazin, in dem alle mögli-
    chen Ersatzstücke auewahrt wurden. Ich gestehe, ich
    trieb damit fast Verschwendung, ich meine früher, nicht
    jetzt, wie der neue Kommandant behauptet, dem alles
    nur zum Vorwand dient, alte Einrichtungen zu bekämp- 
    fen. Jetzt hat er die Maschinenkassa in eigener Verwal-
    tung, und schicke ich um einen neuen Riemen, wird der
    [  ]
    zerrissene als Beweisstück verlangt, der neue kommt erst
    in zehn Tagen, ist dann aber von schlechterer Sorte und
    taugt nicht viel. Wie ich aber in der Zwischenzeit ohne
    Riemen die Maschine betreiben soll, darum kümmert
     sich niemand.“
    Der Reisende überlegte: Es ist immer bedenklich, in
    fremde Verhältnisse entscheidend einzugreifen. Er war
    weder Bürger der Straolonie, noch Bürger des Staates,
    dem sie angehörte. Wenn er diese Exekution verurteilen
     oder gar hintertreiben wollte, konnte man ihm sagen:
    Du bist ein Fremder, sei still. Darauf hätte er nichts
    erwidern, sondern nur hinzufügen können, daß er sich
    in diesem Falle selbst nicht begreife, denn er reise nur
    mit der Absicht zu sehen und keineswegs etwa, um
     fremde Gerichtsverfassungen zu ändern. Nun lagen aber
    hier die Dinge allerdings sehr verführerisch. Die Unge-
    rechtigkeit des Verfahrens und die Unmenschlichkeit der
    Exekution war zweifellos. Niemand konnte irgendeine
    Eigennützigkeit des Reisenden annehmen, denn der Ver-
     urteilte war ihm fremd, kein Landsmann und ein zum
    Mitleid gar nicht auffordernder Mensch. Der Reisende
    selbst hatte Empfehlungen hoher Ämter, war hier mit
    großer Höflichkeit empfangen worden, und daß er zu
    dieser Exekution eingeladen worden war, schien sogar
     darauf hinzudeuten, daß man sein Urteil über dieses Ge-
    richt verlangte. Dies war aber um so wahrscheinlicher,
    als der Kommandant, wie er jetzt überdeutlich gehört
    [  ]
    hatte, kein Anhänger dieses Verfahrens war und sich ge-
    genüber dem Offizier fast feindselig verhielt.
    Da hörte der Reisende einen Wutschrei des Offiziers.
    Er hatte gerade, nicht ohne Mühe, dem Verurteilten den
    Filzstumpf in den Mund geschoben, als der Verurteilte 
    in einem unwiderstehlichen Brechreiz die Augen schloß
    und sich erbrach. Eilig riß ihn der Offizier vom Stumpf
    in die

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