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Drucke zu Lebzeiten

Drucke zu Lebzeiten

Titel: Drucke zu Lebzeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Kafka
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ab. Würde dagegen jener Schreiber
     die Hosen ausziehen, wenn Besuch kommt, so hätte dies
    allerdings ein anderes Ansehen und ich will es als Zei-
    chen der Vernun gelten lassen, daß er es nicht tut. Aber
    dann mag er mir auch mit seinem Zartsinn vom Halse
    bleiben!
     Nach jenen Schüssen erwachte ich – und hier beginnt
    allmählich meine eigene Erinnerung – in einem Käfig im
    Zwischendeck des Hagenbeckschen Dampfers. Es war
    kein vierwandiger Gitterkäfig; vielmehr waren nur drei
    Wände an einer Kiste festgemacht; die Kiste also bildete
     die vierte Wand. Das Ganze war zu niedrig zum Auf-
    rechtstehen und zu schmal zum Niedersitzen. Ich hock-
    te deshalb mit eingebogenen, ewig zitternden Knien,
    und zwar, da ich zunächst wahrscheinlich niemanden
    sehen und immer nur im Dunkel sein wollte, zur Kiste
     gewendet, während sich mir hinten die Gitterstäbe ins
    Fleisch einschnitten. Man hält eine solche Verwahrung
    wilder Tiere in der allerersten Zeit für vorteilha, und
    [  ]
    ich kann heute nach meiner Erfahrung nicht leugnen,
    daß dies im menschlichen Sinn tatsächlich der Fall ist.
    Daran dachte ich aber damals nicht. Ich war zum er-
    stenmal in meinem Leben ohne Ausweg; zumindest ge-
    radeaus ging es nicht; geradeaus vor mir war die Kiste, 
    Brett fest an Brett gefügt. Zwar war zwischen den Bret-
    tern eine durchlaufende Lücke, die ich, als ich sie zuerst
    entdeckte, mit dem glückseligen Heulen des Unverstan-
    des begrüßte, aber diese Lücke reichte bei weitem nicht
    einmal zum Durchstecken des Schwanzes aus und war 
    mit aller Affenkra nicht zu verbreitern.
    Ich soll, wie man mir später sagte, ungewöhnlich we-
    nig Lärm gemacht haben, woraus man schloß, daß ich
    entweder bald eingehen müsse oder daß ich, falls es mir
    gelingt, die erste kritische Zeit zu überleben, sehr dres- 
    surfähig sein werde. Ich überlebte diese Zeit. Dumpfes
    Schluchzen, schmerzhaes Flöhesuchen, müdes Lecken
    einer Kokosnuß, Beklopfen der Kistenwand mit dem
    Schädel, Zungen-Blecken, wenn mir jemand nahekam, –
    das waren die ersten Beschäigungen in dem neuen Le- 
    ben. In alledem aber doch nur das eine Gefühl: kein
    Ausweg. Ich kann natürlich das damals affenmäßig Ge-
    fühlte heute nur mit Menschenworten nachzeichnen und
    verzeichne es infolgedessen, aber wenn ich auch die alte
    Affenwahrheit nicht mehr erreichen kann, wenigstens in 
    der Richtung meiner Schilderung liegt sie, daran ist kein
    Zweifel.
    [  ]
    Ich hatte doch so viele Auswege bisher gehabt und
    nun keinen mehr. Ich war festgerannt. Hätte man mich
    angenagelt, meine Freizügigkeit wäre dadurch nicht
    kleiner geworden. Warum das? Kratz dir das Fleisch
     zwischen den Fußzehen auf, du wirst den Grund nicht
    finden. Drück dich hinten gegen die Gitterstange, bis sie
    dich fast zweiteilt, du wirst den Grund nicht finden. Ich
    hatte keinen Ausweg, mußte mir ihn aber verschaffen,
    denn ohne ihn konnte ich nicht leben. Immer an dieser
     Kistenwand – ich wäre unweigerlich verreckt. Aber Af-
    fen gehören bei Hagenbeck an die Kistenwand – nun, so
    hörte ich auf, Affe zu sein. Ein klarer, schöner Gedan-
    kengang, den ich irgendwie mit dem Bauch ausgeheckt
    haben muß, denn Affen denken mit dem Bauch.
     Ich habe Angst, daß man nicht genau versteht, was ich
    unter Ausweg verstehe. Ich gebrauche das Wort in sei-
    nem gewöhnlichsten und vollsten Sinn. Ich sage absicht-
    lich nicht Freiheit. Ich meine nicht dieses große Gefühl
    der Freiheit nach allen Seiten. Als Affe kannte ich es
     vielleicht und ich habe Menschen kennen gelernt, die
    sich danach sehnen. Was mich aber anlangt, verlangte ich
    Freiheit weder damals noch heute. Nebenbei: mit Frei-
    heit betrügt man sich unter Menschen allzuo. Und so
    wie die Freiheit zu den erhabensten Gefühlen zählt, so
     auch die entsprechende Täuschung zu den erhabensten.
    O habe ich in den Varietes vor meinem Aureten ir-
    gendein Künstlerpaar oben an der Decke an Trapezen
    [  ]
    hantieren sehen. Sie schwangen sich, sie schaukelten, sie
    sprangen, sie schwebten einander in die Arme, einer trug
    den anderen an den Haaren mit dem Gebiß. „Auch das
    ist Menschenfreiheit“, dachte ich, „selbstherrliche Be-
    wegung.“ Du Verspottung der heiligen Natur! Kein Bau 
    würde standhalten vor dem Gelächter des Affentums bei
    diesem Anblick.
    Nein, Freiheit wollte ich nicht. Nur

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