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Drucke zu Lebzeiten

Drucke zu Lebzeiten

Titel: Drucke zu Lebzeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Kafka
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einen Ausweg;
    rechts, links, wohin immer; ich stellte keine anderen
    Forderungen; sollte der Ausweg auch nur eine Täu- 
    schung sein; die Forderung war klein, die Täuschung
    würde nicht größer sein. Weiterkommen, weiterkom-
    men! Nur nicht mit aufgehobenen Armen stillestehn,
    angedrückt an eine Kistenwand.
    Heute sehe ich klar: ohne größte innere Ruhe hätte ich 
    nie entkommen können. Und tatsächlich verdanke ich
    vielleicht alles, was ich geworden bin, der Ruhe, die
    mich nach den ersten Tagen dort im Schiff überkam. Die
    Ruhe wiederum aber verdankte ich wohl den Leuten
    vom Schiff.
    
    Es sind gute Menschen, trotz allem. Gerne erinnere
    ich mich noch heute an den Klang ihrer schweren Schrit-
    te, der damals in meinem Halbschlaf widerhallte. Sie
    hatten die Gewohnheit, alles äußerst langsam in Angriff
    zu nehmen. Wollte sich einer die Augen reiben, so hob 
    er die Hand wie ein Hängegewicht. Ihre Scherze waren
    grob, aber herzlich. Ihr Lachen war immer mit einem
    [  ]
    gefährlich klingenden aber nichts bedeutenden Husten
    gemischt. Immer hatten sie im Mund etwas zum Aus-
    speien und wohin sie ausspieen war ihnen gleichgültig.
    Immer klagten sie, daß meine Flöhe auf sie übersprin-
     gen; aber doch waren sie mir deshalb niemals ernstlich
    böse; sie wußten eben, daß in meinem Fell Flöhe gedei-
    hen und daß Flöhe Springer sind; damit fanden sie sich
    ab. Wenn sie dienstfrei waren, setzten sich manchmal
    einige im Halbkreis um mich nieder; sprachen kaum,
     sondern gurrten einander nur zu; rauchten, auf Kisten
    ausgestreckt, die Pfeife; schlugen sich aufs Knie, sobald
    ich die geringste Bewegung machte; und hie und da
    nahm einer einen Stecken und kitzelte mich dort, wo es
    mir angenehm war. Sollte ich heute eingeladen werden,
     eine Fahrt auf diesem Schiffe mitzumachen, ich würde
    die Einladung gewiß ablehnen, aber ebenso gewiß ist,
    daß es nicht nur häßliche Erinnerungen sind, denen ich
    dort im Zwischendeck nachhängen könnte.
    Die Ruhe, die ich mir im Kreise dieser Leute erwarb,
     hielt mich vor allem von jedem Fluchtversuch ab. Von
    heute aus gesehen scheint es mir, als hätte ich zumindest
    geahnt, daß ich einen Ausweg finden müsse, wenn ich
    leben wolle, daß dieser Ausweg aber nicht durch Flucht
    zu erreichen sei. Ich weiß nicht mehr, ob Flucht möglich
     war, aber ich glaube es; einem Affen sollte Flucht immer
    möglich sein. Mit meinen heutigen Zähnen muß ich
    schon beim gewöhnlichen Nüsseknacken vorsichtig
    [  ]
    sein, damals aber hätte es mir wohl im Lauf der Zeit
    gelingen müssen, das Türschloß durchzubeißen. Ich tat
    es nicht. Was wäre damit auch gewonnen gewesen? Man
    hätte mich, kaum war der Kopf hinausgesteckt, wieder
    eingefangen und in einen noch schlimmeren Käfig 
    gesperrt; oder ich hätte mich unbemerkt zu anderen
    Tieren, etwa zu den Riesenschlangen mir gegenüber
    flüchten können und mich in ihren Umarmungen
    ausgehaucht; oder es wäre mir gar gelungen, mich bis
    aufs Deck zu stehlen und über Bord zu springen, dann 
    hätte ich ein Weilchen auf dem Weltmeer geschaukelt
    und wäre ersoffen. Verzweiflungstaten. Ich rechnete
    nicht so menschlich, aber unter dem Einfluß meiner
    Umgebung verhielt ich mich so, wie wenn ich gerechnet
    hätte.
    
    Ich rechnete nicht, wohl aber beobachtete ich in aller
    Ruhe. Ich sah diese Menschen auf und ab gehen, immer
    die gleichen Gesichter, die gleichen Bewegungen, o
    schien es mir, als wäre es nur einer. Dieser Mensch oder
    diese Menschen gingen also unbehelligt. Ein hohes Ziel 
    dämmerte mir auf. Niemand versprach mir, daß, wenn
    ich so wie sie werden würde, das Gitter aufgezogen wer-
    de. Solche Versprechungen für scheinbar unmögliche
    Erfüllungen werden nicht gegeben. Löst man aber die
    Erfüllungen ein, erscheinen nachträglich auch die Ver- 
    sprechungen genau dort, wo man sie früher vergeblich
    gesucht hat. Nun war an diesen Menschen an sich nichts,
    [  ]
    was mich sehr verlockte. Wäre ich ein Anhänger jener
    erwähnten Freiheit, ich hätte gewiß das Weltmeer dem
    Ausweg vorgezogen, der sich mir im trüben Blick dieser
    Menschen zeigte. Jedenfalls aber beobachtete ich sie
     schon lange vorher, ehe ich an solche Dinge dachte, ja
    die angehäuen Beobachtungen drängten mich erst in
    die bestimmte Richtung.
    Es war so leicht, die Leute nachzuahmen. Spucken
    konnte ich schon in den ersten

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