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Drüberleben

Drüberleben

Titel: Drüberleben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K Weßling
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nachdenklich und komisch. Hast dich immer zurückgezogen, wenn’s mal lustig wurde. Auch schon vorher. Das war nicht erst nach Julia«, sagt Sebastian leise.
    » Bitte?«
    » Ach komm, Mädchen«, fährt Peer dazwischen, » du weißt doch, wie dich alle immer genannt haben!«
    Gerade, als ich antworten will, nehmen drei laut redende Mädchen am Nebentisch Platz. Peer und Sebastian grüßen sie und wechseln ein paar Worte, bis sich Peer zu mir dreht und laut verkündet: » Das ist Ida, erkennt ihr sie noch?«
    Die Gesichter der Mädchen erstarren, um gleich danach in ein süffisantes Grinsen zu verfallen. » Guck an«, sagt die Braunhaarige, in der ich Carmen wiedererkenne, » die Ida Schaumann. Sieht man dich auch mal wieder hier?«
    Die beiden anderen Mädchen beginnen zu tuscheln, und Carmen stützt sich mit den Händen auf Sebastians Stuhllehne ab und beugt sich herüber. Sebastian rückt verschüchtert näher an den Tisch, während Carmen weiterspricht. » Na, was macht denn die Welt da draußen so?«
    » Sie dreht sich.«
    » So, so. Und, wie läuft es mit dem Studium, man hört ja so gar nichts von dir.«
    » Ich wusste ja gar nicht, dass Interesse an einem näheren Kontakt besteht, aber wenn du willst, können wir total gerne Telefonnummern austauschen, Carmen, und uns immer gegenseitig anrufen, das wäre doch toll, oder?«
    Sie schüttelt den Kopf. » Genauso wie früher.« Dann wendet sie sich an Peer: » Viel Spaß noch mit der Verrückten«, und dreht sich wieder zu den Mädchen, die in Gelächter ausbrechen.
    » War das nötig?«, zischt Peer mir zu.
    » Was denn?«, zische ich zurück.
    » Sie hat doch nur gefragt, wie es dir geht, und du musst gleich so ein Theater machen.«
    » Ich glaube, ich gehe jetzt besser«, sage ich und spüre, wie Galle mir den Hals hinaufkriecht. Ich lege drei Euro auf den Tisch, an dem Sebastian mit versteinerter Miene und Peer mit einem genervten Seufzen sitzt, die Arme verschränkt.
    » Schade, Ida, wirklich schade. Es hätte ja auch mal schön sein können.«
    » Und dass es nicht so war, war bestimmt meine Schuld, oder?«, frage ich aggressiv.
    » Vielleicht hattest du deinen Spitznamen ja doch zu Recht!«
    » Welchen Spitznamen?«
    » Klapsen-Ida«, stößt Peer angriffslustig hervor.
    Ich erstarre.
    » Sag das noch mal.«
    » Klapsen-Ida. So haben sie dich genannt.«
    Sebastian macht Anstalten aufzustehen, aber Peer hält ihn zurück. Am Nebentisch ist es still geworden, und die drei Mädchen schauen sich belustigt unsere Auseinandersetzung an, in den Gesichtern den Genuss des Betrachtens eines Arenakampfes. Sie wollen jetzt Blut sehen, und sie haben lange darauf gewartet.
    Ich fange Carmens Blick auf, und plötzlich kann ich nicht mehr an mich halten. Ich stürme an unserem Tisch vorbei direkt auf sie zu.
    » Du«, sage ich, » du hast dir das ausgedacht.«
    Sie lacht. » Und wenn schon, Ida. Offensichtlich empfanden es ja alle als ganz passend. Und jetzt krieg dich mal wie der ein.«
    » Du hast dir diese ganze elendige Scheiße ausgedacht.«
    » Und? Hat es nicht gestimmt?«
    » Weißt du, wie sich das angefühlt hat, du widerlicher Mensch? Weißt du, wie das war mitzubekommen, dass alle über dich gesprochen haben? Dass keiner dich je zu irgendetwas einladen wollte? Dass sich auf Stufenfahrten im Bus keiner neben dich gesetzt hat? Dass du noch nicht einmal um deine beste Freundin trauern konntest, weil alle nur darüber geredet haben, ob du wohl die Nächste bist? Kriegst du das in deinen Kopf?«, schreie ich, völlig außer Kontrolle.
    » Beruhig dich mal«, sagt Carmen, einen Anflug von Verunsicherung im Gesicht.
    » Ich beruhige mich überhaupt nicht mehr. Ihr alle«, ich zeige theatralisch auf die Mädchen, » habt mir das Leben zur Hölle gemacht, weil ihr es nicht ertragen konntet, dass jemand anders war als ihr. Dass jemand keine Lust auf euren ganzen Kindergarten hatte. Na und? Ich war trotzdem kein schlechter Mensch, kein ekeliges Wesen, das man irgendwie verstecken musste. Aber ihr habt mir das eingeredet! Ihr habt so ein Wesen aus mir gemacht!«
    Carmen lacht und wirft die Haare in den Nacken.
    » Meine Güte, Ida, mach mal eine Therapie. Oh, Moment. Die machst du ja schon seit Jahren.«
    Ich ohrfeige sie. Ich schlage so heftig zu, dass ihr Kopf eine unnatürliche Drehung macht und sie nach hinten fällt, mit den Armen nach Halt suchend. Sie fällt zwischen die Stühle am Tisch der Mädchen mit einem Schrei auf den Boden.
    Es ist plötzlich sehr, sehr

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