Druidenherz
fürchtete sich Imogen nicht. Sie wusste, dass Dian sie leiten würde. Er würde sie nicht im Stich lassen, jedenfalls im Moment nicht. Und das würde sie genießen. Es würde noch schwierig genug werden, mit ihm über das zu sprechen, was sie bewegte – denn davon hing alles ab, ihre gesamte Zukunft. Nichts war mehr wie zuvor.
16
»Mach die Augen zu und denk an was Schönes.«
»Was hast du vor?«, wollte Imogen wissen und sah ihn fragend an.
Dian hatte sie direkt in seine Räume geführt. Sie fühlte sich erschöpft und müde und hätte sich am liebsten sofort in das noch so vertraute Bett gelegt und mindestens zehn Stunden am Stück geschlafen. Doch er hielt sie fest und blieb stehen, kaum dass er die Tür hinter ihnen geschlossen hatte. Auch sein Tonfall wirkte nicht, als hegte er romantische Absichten.
Sanft berührte er ihr Handgelenk knapp über der Wunde. »Ich muss das reinigen und heilen. Und es wird leider ein wenig unangenehm sein.«
»Es tut auch so schon weh.« Im Kampf hatte sie den Schmerz nicht gespürt, nun aber wurde er von Sekunde zu Sekunde stärker. Es war, als bissen unzählige kleine Zähnchen unentwegt in ihr Handgelenk. Sollte Dian ruhig irgendetwas darauf streichen, das sich erst mal unangenehm anfühlte. Sie würde es gern hinnehmen.
»Deshalb sollten wir auch keine Zeit mehr verlieren.« Er führte sie zum Bett, ging kurz in den Nebenraum und kam mit einer nach Kräutern duftenden Wasserschüssel zurück. »Ich würde dir gern einen Betäubungstrank geben, aber der wirkt nicht so schnell.«
»Fang einfach an«, sagte sie. Dass er sie vorwarnte, war nett, auch wenn sie sich jetzt noch mehr fürchtete. Dann aber dachte sie an die Krieger. Keiner von ihnen hatte auch nur den geringsten Schmerzenslaut von sich gegeben, während Dian sie behandelte. Und es waren wirklich schlimme Verletzungen darunter gewesen, viel gravierender als ihre. Imogen nahm sich vor, ebenfalls ruhig zu bleiben. Schließlich war sie eine erwachsene Frau.
»Augen zu.«
»So zimperlich, dass ich sofort in Ohnmacht falle, bin ich nicht. Übrigens ist das da«, sie deutete mit der gesunden Hand auf die Wunde, »weitaus weniger schlimm als die Hundebisse.« Und nach dem, was sie im Kampf alles gesehen hatte, würden ihr Kratzer und Bisse ohnehin nichts mehr ausmachen. Schnell versuchte sie, die schrecklichen Bilder aus ihrem Kopf zu verdrängen. Lieber Dian ansehen. Er hatte keine Blessuren aus dem Kampf davongetragen. Wahrscheinlich würde sich der eine oder andere blaue Fleck bilden, aber verletzt war er offenbar nicht. Um sicherzugehen, würde sie nachher jeden Zentimeter seines herrlichen Körpers abtasten. Der Gedanke gefiel ihr, vertrieb ein wenig den Schmerz und die Angst vor der Behandlung. Und auch davor, dass sie mit Dian noch über etwas sehr Wichtiges reden musste.
»Du hast Dämonengeifer abbekommen. Der enthält ein starkes Gift, das nicht so leicht zu eliminieren ist.«
Gift! Ein Schauer jagte ihr über den Rücken. Sofort standen ihr wieder die Bilder der schwer verwundeten und sterbenden Krieger vor Augen. Waren sie vielleicht gar nicht am Blutverlust gestorben, sondern durch das Gift? Sie schloss die Augen und ließ den linken Arm ganz locker. Dann spürte sie, wie Dian ihr Handgelenk ins Wasser tauchte. Warm umspülte es ihre Haut.
Plötzlich verstärkte sich der Schmerz, tausendfach, wie es ihr schien. Imogen schossen Tränen hinter die geschlossenen Lider. Ein Schmerzensschrei entwich ihren Lippen und ließ sie alle Vorsätze verwerfen. Sie schnappte nach Luft. Ein wenig unangenehm , hatte Dian gesagt. Pah! Der Schmerz strahlte von ihrem Handgelenk aus den ganzen Arm hoch bis in den Kopf. Aber am schlimmsten war es an der Wunde selbst. Er schien sich regelrecht reinzubeißen, bis tief ins Gewebe.
Dian hielt ihr Handgelenk fest. »Ist gleich vorbei.« Seine Stimme klang ruhig. »Denk an was Schönes.«
»Ich halte es nicht aus«, wimmerte sie und schämte sich gleichzeitig für ihre Schwäche. Wieso tat es so schrecklich weh? Der Schmerz verstärkte sich weiter. Sie versuchte aufzustehen, wollte fortlaufen. Sie fing an zu zittern, in ihrem Kopf drehte sich alles. »Bitte«, flehte sie.
»Gleich haben wir es geschafft. Nur einen Moment noch.« Sein Griff um ihr Handgelenk war unerbittlich.
»Nein!« Dann hätte sie dort eben eine weitere Narbe, na und? Alles war besser als dieser unerträgliche Schmerz.
»Ich weiß, es tut weh, aber …«
»Gar nichts weißt du!«, fauchte sie und
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