Druidenherz
schmunzelte. »Eine seltsame Vorstellung.«
»Finde ich nicht.« Zugegeben, was sie beschrieb, traf wohl nur auf einen Teil der Patienten solcher Einrichtungen zu, aber das änderte nichts daran, dass Beathan professionelle Hilfe brauchte. Wahrscheinlich hätte jeder Psychologe an ihm seine helle Freude und würde eine Störung nach der anderen diagnostizieren.
»Beathan ist ängstlich und feige. Denkst du ernsthaft, er würde sich meinen Zorn zuziehen wollen? Denn das würde er, wenn er dir auch nur ein Haar krümmt.« Dian griff in ihr Haar und ließ die langen Strähnen durch seine gespreizten Finger gleiten.
Imogen schluckte. Die Geste gefiel ihr und noch mehr die Art, wie er sie dabei ansah. Und auch das, was er sagte. Es klang, als würde er sie beschützen.
Imogen war nie auf der Suche nach einem Beschützer oder Versorger gewesen, im Gegenteil – sie war stolz darauf, allein zurechtzukommen, wie auch ihre Tante, die jeden Verehrer rasch abwimmelte. Hin und wieder versuchte mal jemand sein Glück, aber Tante Mable hielt nicht viel von Männern. Ihr Vater hatte den Wagen gefahren, bei überhöhter Geschwindigkeit die Kontrolle über ihn verloren und damit sich selbst und seine Frau umgebracht, sodass Imogen ihre Großeltern nie kennengelernt hatte. Eine Tatsache, die sie besonders dann bedauerte, wenn Schulfreundinnen vom Apfelkuchen der Oma schwärmten oder davon, die Ferien bei den Großeltern zu verbringen. Imogens Mutter war von einem Mann geschwängert worden, der sie offensichtlich nur als schnelles Abenteuer betrachtet hatte. Und auch wenn Mable nie darüber sprach, so ahnte Imogen doch, dass ihre Tante selbst mindestens einmal in einer unglücklichen Beziehungen gesteckt hatte.
Entsprechend hatte sie ihre Nichte erzogen. Sie hatte es Imogen nicht ausgeredet, sich zu verlieben, sie aber stets ermahnt, vorsichtig in ihrer Wahl zu sein und nicht zu leichtfertig ihr Herz herzuschenken. Bislang war ihr das nicht schwergefallen. Doch nun gefiel es Imogen ausgesprochen gut, sich von Dian beschützt zu wissen. Sie blickte ihn an und fühlte, wie sich ein Lächeln auf ihr Gesicht schlich. Es geschah ganz automatisch, ebenso, wie sich ihr Herzschlag beschleunigte.
»Hab keine Angst«, fügte Dian hinzu.
»Aber warum ist er hier?«
»Weil dies sein Zuhause ist. Er könnte nirgendwo anders hingehen.«
So war das also. Dann drohten Beathan wohl eine sofortige Verhaftung, Verurteilung und längere Gefängnisstrafe, wenn er an die Oberfläche kam. Sie fragte nicht, was er alles angestellt hatte. Das würde ihr nur Albträume bescheren.
»Es wird dir gefallen, ein bisschen Zerstreuung zu haben, wenn du mehr vom Leben bei uns mitbekommst.«
Das mochte ja stimmen, aber schon beim Gedanken an Beathan bekam sie eine Gänsehaut.
»Du bist ja immer noch ganz aufgeregt«, bemerkte Dian, die Finger auf der Innenseite ihres Handgelenks.
Er glaubte also, dass Beathan und nicht er die Ursache dafür war. Sie wusste nicht, ob sie darüber enttäuscht oder erleichtert sein sollte.
»Schlaf ein bisschen. Dir kann nichts passieren.«
»Ich bin nicht müde.« Viel lieber wollte sie mit ihm reden, ihn nah bei sich haben und spüren, wie er sie berührte … Unwillkürlich fiel ihr Blick auf seine Finger. Noch immer lagen sie auf ihrem Handgelenk und streichelten so sacht darüber, dass es ihm vermutlich selbst nicht bewusst war.
»Du bist noch erschöpft, und das gerade war sehr aufregend für dich.«
Seine Finger zu spüren, war weit aufregender. Und schöner.
Zu ihrem Bedauern zog Dian die Hand zurück. »Ich bin in deiner Nähe.«
Imogen legte sich hin. Dian schien sich nicht mit ihr unterhalten zu wollen – da konnte sie ebenso gut schlafen.
Als sie aufwachte, war sie allein. Imogen setzte sich auf und sah sich um, aber nicht einmal Gwyd war da. Was war los?
Unwillkürlich sah sie sich nach einer Waffe um oder etwas, das sie zu einer zweckentfremden konnte. Aber jemandem einen Holzbecher an den Kopf zu werfen, würde wohl kaum beeindrucken.
Ihr Blick wanderte zwischen den Türen hin und her. Es gab eine an der vorderen Wand, fast genau gegenüber von ihrem Lager, und eine zweite schräg dahinter. Aufrecht sitzend konnte sie beide rasch einsehen. Sie waren geschlossen, aber das hatte nichts zu bedeuten, denn geschlossen hieß hier nicht automatisch auch abgeschlossen oder nur von innen zu öffnen. Gwyd kam überall hinein, Dian sowieso, und auch Beathan hatte keine Probleme gehabt, die Tür zu
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