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Dryadenliebe (Die Saga vom Waldvolk) (German Edition)

Dryadenliebe (Die Saga vom Waldvolk) (German Edition)

Titel: Dryadenliebe (Die Saga vom Waldvolk) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Niespor
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die Grenze der Portalzone überschritten hatte,
passierte es.
    Wie jedes Mal veränderte sich das Licht, der Himmel wurde
schwarz und die Farben gewannen an Leuchtkraft. Die Zeit
verging in Telemnar um elf Zwölftel langsamer als in Tallyn,
einhundertvierundvierzig mal langsamer als auf der ersten, der
Erdenebene, und Daans Augen hatten sich noch nicht wieder
daran gewöhnt.
    Der Baum zu seiner Rechten- was sollte es sonst wohl sein,
bei dieser Form?- strahlte hellgrün, Purpur und blau gewellt;
durchzogen von sternförmigen Leuchtpunkten, den Stamm als
geschwungene violette Linie fest in das schwarze Gras gegraben.
Vor ihm ergoss sich eine Blüte über den Weg, Blätter, Stängel und
Kelche golden schimmernd, sich entlang rankend an einer
violetten Wellenlinie die, wie Daan wusste, der Zeitverschiebung
geschuldet war. Rote, grüne und gelbe Leuchtpunkte
umschwirrten die Pflanze und ergänzten sich mit dem Funkeln
der Konturen zum bizarren Bild eines bunten Nachthimmels.
    Daan dröhnte der Kopf, er wollte nur die Augen schließen
und Ruhe in seine Sinne bringen, aber er zwang sich, seine Lider
geöffnet zu halten. Eines hatten ihn seine Aufenthalte hier gelehrt:
die Farben würden erst verblassen und der normalen
Wahrnehmung Platz machen, wenn er lange genug hingesehen
hatte.
    Ein zartrosa Schmetterling von der Größe eines Kindskopfes
und mit schwungvoller Zeichnung, einem Ranken- und
Blättermuster, flog ihm fast vor die Nase, sah ihn aus ovalen
Augen freundlich an und winkte mit den leuchtend gepunkteten,
gebogenen Fühlern. Dann drehte der Falter ab, schwirrte von
Funken umtost auf die Blüte zu- und begann zu schrumpfen.
    Daan atmete erleichtert auf. Es ließ nach. Die Farben des
Schmetterlings verblassten, die Blüte hörte auf zu Glitzern und
endlich war wieder alles, wie es sein sollte. Der Baum war ganz
normal orange, der Schmetterling nur noch handtellergroß und
die Blüte kroch über den Weg und verschwand.
    Telemnar war auch ohne die Sinnesverwirrung
aufsehenerregend. Die Bäume, die hatten ihn als Kind am meisten
beeindruckt. Das Gelb, Rot und Orange der Kronen mit den
vereinzelten grünen Tupfen dazwischen war einfach
unbeschreiblich.
    Der Schwindel kam. Er setzte sich auf die bereitstehende
Holzbank und wartete, bis sich auch sein Gleichgewichtssinn
angepasst hatte. Früher hatte er gedacht, die anderen, die VollElfen, hätten kein Problem mit dem Übergang, müssten sich nicht
anpassen. Aber danach gefragt, hatte sein Vater gelacht und
gesagt: "Jedem geht das so- sogar den Hedon elandilih- sie lassen
es sich nur nicht anmerken."
Der Schwindel ließ ebenfalls nach; das Laub zu seinen
Füssen raschelte leise, als er aufstand.
    Daan streckte sich, schüttelte den schmerzenden Kopf und
wanderte los, stetig bergab. Es war ein weiter weg zum Hof, je
eher er ankam, desto besser.
*
    Die Elwion Brücke war sein Ziel. Der Fluss Elé unter dem
wackeligen Gebilde aus Holz und Tauen war reißend, und mehr
als ein Elf hatte vor dem Bau der Hängebrücke bei dem Versuch
den Strom zur Unzeit, wie jetzt im Herbst, zu überqueren sein
Leben gelassen. Dabei war der Fluss nicht einmal so breit, neun
große Schritte vielleicht oder zehn. Aber der Grund war bedeckt
mit glitschigem Pflanzenwerk und scharfkantigen Flussmuscheln.
Während die Pflanzen verhinderten, dass man sich festhielt,
schnitten einem die Muscheln das Fleisch vom Leib; die Reste riss
die Strömung mit sich.
    Das Rauschen des Flusses war schon zu hören, Daan
erkannte die Stelle wieder- noch eine Biegung und er war im
Delta.
    Die Bäume wichen und gaben den Blick auf den Fluss frei.
Das Gewässer war angeschwollen bis an den obersten Uferrand,
die hohen Halme des blühenden Ried-Grases ringsum standen in
kleinen Pfützen. Daan zuckte zusammen. Das war nicht möglichnoch eine Sinnestäuschung? Nein, das hier war echt.
    Die Brücke war weg. Das heißt, nicht komplett weg, nur an
seinem Ufer abgerissen und ans andere Ufer geschwemmt, die
armdicken Taue trieben wie boshafte Wasserschlangen an der
Oberfläche und wedelte im Takt der Strömung mit dem losen
Ende.
    Das durfte doch nicht wahr sein. Diese Brücke war die
einzige Verbindung zwischen dem Portal und dem Hof, es sei
denn man hatte Lust auf eine Tagesreise den Fluss entlang zum
nächsten Übergang und den ebenfalls einen Tag dauernden
Rückweg. Und ans Materialisieren war ohne einen Passierschein
nicht einmal zu denken. Er seufzte.
"Naatil!"
    Daan wandte sich um und

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